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BAD HERSFELD 70. Festspiele eröffnet

"O Captain! Mein Captain!": Zur gefeierten Premiere vom "Club der toten Dichter"

02.07.21 - "Das war ganz großes Kino. Da kann der Film kaum mithalten." Diese sinnfällige Bemerkung einer Zuschauerin beim Verlassen der Stiftsruine kurz nach Mitternacht bringt es auf den Punkt. Denn die erste Premiere zum 70. Jubiläum der Bad Hersfelder Festspiele, der "Club der toten Dichter", war ein einziger Triumphzug.

"Der Club der toten Dichter": Probe für die Fotografen am vergangenen Montag ...Fotos: Carina Jirsch

Götz Schubert als Lehrer John Keating

Aufmarsch mit Dudelsack

Schulleiter Gale Nolan (Hannes Hellmann)

Lange hatte sich Intendant Joern Hinkel, der auch Regie führte, um die Rechte des Drehbuchs aus der Feder von Tom Schulman bemüht, bis er es endlich zusammen mit Tilman Raabke in eine Bühnenfassung umwandeln konnte. Nun also die europäische Uraufführung.

Thorsten Nindel als Mr. Perry (links)

Eine großartige junge Darstellerriege

Der oscarprämierte Film aus dem Jahr 1989 mit Robin Williams in der Hauptrolle ist hinlänglich bekannt. Kurz zum Inhalt: Der Ehrenkodex der Elite-Akademie Welton im konservativen Neuengland der 1960er Jahre lautet "Tradition! Ehre! Disziplin! Leistung!" Eigenständiges Denken und Kritik sind nicht erwünscht, Verweigerung wird hart sanktioniert.

Peter Englert als Mathematiklehrer George McAllister

Simon Stache als Knox Overstreet und Nell Pietrzyk als Chris Noel

John Keating, der neue Englischlehrer, der selbst einmal in Welton die Schulbank gedrückt hat, wirkt wie ein Exot in diesem engen Konzept: Mit unkonventionellen Methoden fordert er seine Schüler zu selbständigem Handeln und freiem Denken auf. Er inspiriert sie dazu, den "Club der toten Dichter" zu gründen, sich in einer Höhle im Wald gegenseitig Gedichte vorzulesen, und so beginnen die Schüler, ihren bislang strikten Gehorsam in Frage zu stellen.

Ein Tänzchen in Ehren ...

Im Grunde genommen geht es also darum, jungen Leuten beizubringen, ihre Haltung zu finden. "Aber es steckt auch darin: Wann ist was verhältnismäßig?", hatte der bekannte Film- und Fernsehschauspieler Götz Schubert, der die Rolle des John Keating spielt, zu Probenbeginn Mitte Mai gegenüber OSTHESSEN|NEWS gesagt. "Freiheit um jeden Preis oder richte ich mit meinem Tun mehr Schaden an? Von daher gesehen hat die Corona-Zeit der Aktualität von ,Der Club der toten Dichter‘ nochmal so richtig Schub gegeben."

Nachts im Wald

Zum Glück aber verzichtet Joern Hinkel auf moderne Anspielungen. Sein Stück spielt in der Zeit und im geschickten Überallbühnenbild von Jens Kilian und mit der Beleuchtung von Ulrich Schneider gelingen dem Intendanten durchweg wunderschöne Bilder. Da wird die Stiftsruine im fliegenden Wechsel zum Klassenzimmer, Schlafsaal, Fußballfeld, Partyraum, zur Dichterhöhle und Bühne einer Laienaufführung. Im klugen Rhythmus der Inszenierung halten sich Festtagsstimmung und leise Töne die Waage. Die Hintergrund- und Zwischenmusik von Jörg Gollasch schafft zusätzliche Atmosphäre. Für die Kostüme zeichnete Kerstin Micheel verantwortlich.

Auch wenn Götz Schubert mit dem John Keating die Dreh- und Angelpunkt-Rolle innehat, die er mit Witz und Wärme über die Bühnenrampe bringt – der Star an diesem Abend ist die gesamte Mannschaft. Selbst bei zwischenzeitlichem Starkregen spielen alle unbeeindruckt so, als wäre es die laueste Sommernacht: mit einer enormen Spielfreude, völlig ungekünstelt und authentisch.

Partytime

Keatings direkter Gegenspieler ist der Schulleiter Gale Nolan. Hannes Hellmann (bekannt auch als Revierleiter in der ZDF-Krimireihe "Notruf Hafenkante") gibt ihn als beinkranken, unerbittlichen Zuchtmeister. Die Rohrstockszene, in der das Publikum die Schläge nur hört, geht unter die Haut. Dritter im Bunde der TV-Stars ist Thorsten Nindel, der Zorro aus der "Lindenstraße". Sein Mr. Perry ist ein Arschlochvater, wie er im Buche steht, der seinen Sohn am Ende in den Selbstmord treibt.

Fußballfieber

Wobei wir bei der jungen Darstellerriege angekommen sind. Bei den Schülern ist Till Timmermann als Neil Perry in hervorgehobener Position. Perry will Schauspieler werden, was sein Vater mit aller Macht unterbinden will. Also Suizid. Timmermanns Spiel ist intensiv und variantenreich. Um ihn herum scharen sich mit Nico Kleemann, Philipp Quell, Simon Stache, Leonard Dick, Oscar Hoppe, Stefan Reis, Manuel Nero und Steffen Recks weitere Jungschauspieler, die so unbefangen, gleichzeitig aber mit so großem Können an die Sache herangehen, dass es eine Freude ist, ihnen dabei zuzuschauen.

Peter Englert spielt den Mathematiklehrer George McAllister zwar streng, aber nicht ganz unsympathisch, wenn er bei der Nachtwache heimlich zur Radiomusik Rock’n’Roll tanzt. Nell Pietrzyk ist die anmutige angebetete Chris Noel von Schüler Knox Overstreet. Zum Ensemble gehören noch: Frank Nowak, Friedamarie Trümmer, Constanze Feulner, Eli Riccardi, Charlene Bluhm, Günter Busch, Jürgen Dietz, Paula Gnewuch, Lena Hoffmann, Luisa Modler, Andrea Nowak, Fritz Resmann, Heinz Vorbach sowie Volker Völler, der mit seinem Dudelsackspiel das Spektakel eröffnet.

Am Ende scheitert John Keating mit seiner Mission. Oder etwa doch nicht? Als er die Schule verlassen muss und die Schüler sich auf ihre Stühle stellen und ihn – unter dem Protest von Schulleiter Nolan – mit "O Captain! Mein Captain!" verabschieden, kann sich der Zuschauer eines Tränchens nicht erwehren. Mehr kann Theater nicht erreichen. Donnernder Applaus im Haus! (Matthias Witzel) +++ 

"Ein Sommernachtstraum"

Till Timmermann als Neil Perry überzeugte auf ganzer Linie

"O Captain! Mein Captain!"


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