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Die freigesprochene Mutter wurde öffentlich bedroht! - Symbolbilder: pixabay

FULDA KOMMENTAR

"Wenn sich der Mob zum Richter macht!" - Unschuldsvermutung gilt für jeden

04.11.21 - Im Fall der wegen Missbrauchs ihres Sohnes angeklagten Mutter kann man von Glück sagen, dass die Boulevardmedien offenbar nicht auf den Prozess aufmerksam wurden, sonst wäre vermutlich ein unverpixeltes Bild der heute freigesprochenen Frau und ihr voller Name auf der ersten Seite zu sehen gewesen - was einer öffentlichen Hinrichtung gleichkommt! Eine mediale Vorverurteilung, nachdem man nichts anderes kennt als die Anklage, ist leider keine Ausnahme - und die Reaktion in den so genannten sozialen Medien entsprechend: frei von jeder Sachkenntnis, grausam und dumm.

Tatsächlich hatten einige Medien in unserer Region über familiäre und berufliche Details der angeklagten Mutter so berichtet, dass sich einige selbsternannte "Richter" berufen fühlten, die Frau aufzusuchen und öffentlich zu beschimpfen und zu bedrohen. Jetzt stellt sich heraus, dass es bei dem behaupteten Missbrauch offensichtlich um eine Schutzbehauptung des Jungen ging, der keine andere Möglichkeit sah, den Vorwürfen und Fragen wegen seines Pornokonsums zu entgehen. Er musste auf die Suggestivfragen nach einem Missbrauch damals einfach nur "Ja" sagen - und der schlimme Verdacht nahm seinen Lauf. 

Auch unsere Berichterstattung über den Fall wurde von einigen Lesern heftig kritisiert. Der Tenor: Das sei verantwortungslos, respekt- und empathielos, der betroffene junge Mann werde dadurch ein zweites Mal zum Opfer gemacht. Vor allem die detaillierte Angabe der Art der Pornofilme bediene Voyeurismus, lautete der Vorwurf. Doch ohne diese Kenntnis hätte niemand verstehen können, wie die Betreuerin zu ihrer fatalen Frage kam.
 
Dem Richter ist völlig zuzustimmen, wenn er urteilt, der Volksmund habe Unrecht, wenn der meine, es gebe keinen Rauch ohne Feuer. Tatsächlich kommt in diesem Fall wohl eine andere "Weisheit" zum Tragen, nämlich 'Es bleibt immer etwas hängen'. Die Mutter, die unter Tränen sagt, sie könne sich die falschen Anschuldigung ihres Sohnes nicht erklären, kann sich zwar auf den heutigen Freispruch berufen, mit übler Nachrede wird sie wohl trotzdem leben müssen.

Und eine letzte Empfehlung: Gerichtsverhandlungen sind mit wenigen Ausnahmen öffentlich. Jeder und jede kann sich also selbst ein Urteil darüber bilden, wie unser Rechtsstaat arbeitet und funktioniert. Auch ich ertappe mich beim Lesen einer Anklage häufig bei klischeehaften und vorschnellen Urteilen und muss mich während eines Prozesses dann eines Besseren belehren lassen. Denn eins steht fest: Es ist fast nie so, wie man anfangs zu wissen glaubt! (Carla Ihle-Becker)+++


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