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Das Team: Helfergemeinschaft Kiebitzgrund, Agro Agrarhandel Bimbach, Sebastian Reinhardt aus Großenlüder sowie in Gelb „Der Kaiser“ - Fotos: privat

AHRTAL/REGION Sebastian Reinhardt hat es wieder getan!

Auch die BBC ist berührt von der deutschen SolidAHRität!

06.11.21 - Sebastian Reinhardt aus Großenlüder ist unseren Lesern inzwischen bestens bekannt  - und wie schon zu vermuten war, ist er auch jetzt wieder im Ahrtal gewesen. Lesen Sie seinen aktuellen Bericht aus der Region, die in den großen Medien so gut wie nicht mehr vorkommt und genau deshalb unsere Aufmerksamkeit verdient:

Beim Beladen

Links Sebastian Reinhardt; Rechts Willy Groß (der freundliche Telefonist und Disponent ...

"Vor gut zwei Monaten war ich das erste Mal zum Helfen im Ahrtal. Was ich dort gesehen und erlebt habe, hat sich bei mir fest eingebrannt. Durch meine anschließenden Spenden-Aktionen für das Katastrophengebiet bin ich in unserer Heimat mit wunderbAHRen Menschen in Kontakt gekommen, die wie ich, einfach helfen möchten: Der Polizist, der in den ersten Tagen zur Vermisstensuche eingesetzt war, Helfer die bereits mehrfach und über Wochen den Flutopfern verlässlich zur Seite standen, sowie zahlreiche Firmen, die absolut unbürokratisch Spendenmaterial zur Verfügung gestellt haben. 

Es erreichten mich Mails und Anrufe mit super Tipps, Kontakten und Unterstützung, mit denen ich auch vielen weiteren Helfern im Ahrtal weiterhelfen konnte. Auch ein Reporter des BBC in London, Tim Whewell, rief mich an. Er hatte meine Artikel gelesen und machte mich ausfindig. Ich konnte ihm einige Kontakte vermitteln und er kam persönlich ins Ahrtal, um zu recherchieren und sich ein Bild zu machen. Mit der Hilfe von Wilhelm Hartmann und einem deutschen Korrespondenten der ARD entstand eine Reportage über die Flut im Ahrtal. In Großbritannien findet man die unglaubliche Hilfsbereitschaft der privaten Fluthelfer und die großherzige SolidAHRität absolut bemerkenswert und Tim wollte diesen New German Spirit selbst erfahren und sehen, wie die Helfer und die Bewohner im Krisengebiet Hand-in-Hand für ein gemeinsames Ziel arbeiten und schon Unglaubliches geleistet haben.  

Für die Weltklimakonferenz, die zurzeit in Glasgow stattfindet, wurden zwei Orte mit Extrem-Wetterereignissen ausgesucht, die das Ausmaß der Klimakrise deutlich zeigen: Die schrecklichen Feuer in Griechenland und die zerstörerischen Fluten im Ahrtal. Die BBC weiß um die Notwendigkeit der kontinuierlichen Berichterstattung und wird die tatsächlichen Geschehnisse und Zustände beleuchten. Das wird hoffentlich dabei helfen, die Menschen im Ahrtal und den vielen weiteren Krisengebieten in unserem Bewusstsein zu halten und zum Mitfühlen und Helfen motivieren. 

Zusammen mit "den Helfern aus dem Kiebitzgrund" plante ich eine dritte Tour ins Ahrtal. Bereits vor Wochen hatten wir beschlossen, dem Ehepaar Keidel in Mayschoß weiterhin helfend zur Seite zu stehen. Wir schafften es wieder, zwei LKW-Ladungen mit Materialspenden zu sammeln. Ein wirklich gelungener Zusammenschluss, für den ich allen sehr dankbar bin!

Eigentlich wollten wir nur wieder zum Arbeitseinsatz hinfahren und ein paar  Spenden als Beiladung mitnehmen. Aber als wieder so viel tolles Material gestiftet wurde, stellte uns Tobi Elektro einen seiner LKW zur Verfügung, mit dem wir alle Sachspenden aus dem Kiebitzgrund transportieren konnten. Wir benötigten sogar noch einen zweiten Wagen. Das brachte mich echt ins Schwitzen! Ganz unverhofft rettete mich ein Anruf des Agro Agrarhandel aus Bimbach. Sören Vandeberg und seine Frau sind ebenfalls seit Wochen mit Freunden im Ahrtal aktiv. Sie unterstützen dort einen Winzer und in seinem heimischen Betrieb verkauft er Ahr-Weine (die Einnahmen gehen 1:1 zurück ins Ahrtal). Er wolle mit vier Helfern und ebenfalls einer Menge an Spenden am Wochenende ins Ahrtal fahren und habe noch Platz auf dem LKW. 

Kurzerhand halfen wir uns gegenseitig bei der Organisation. Freitags gegen 17 Uhr erreichte unser Tross dann Walporzheim und das Baustoffzelt Kaiser. Kaum fingen wir an mit dem Entladen, kamen schon Menschen, die das dringend benötigte Baumaterial wieder aus dem Zelt trugen. Das ist für alle Spender ein gutes Gefühl. Alles wird sofort mit großer Freude und Dankbarkeit angenommen. 

Ganz tief rührt mich, dass wir auch diesmal Anfeuerholz von einem besonderen Spender bekamen. Ein Junge mit Down-Syndrom produziert mit seinem Vater Anfeuerholz vom Feinsten. Der Vater Klaus Sauer reicht an und Andreas spaltet die Scheite auf den Millimeter genau und verschnürt sie zu ordentlichen, runden Bündeln. Da wird einem nicht nur das Herz richtig warm! Ganz lieben Dank dafür.   

Spendeübergabe Technolit

Die Firma Technolit aus Großenlüder spendete vier große Paletten mit hochwertiger Arbeitskleidung und Werkzeugen. Die Menschen und Helfer sind somit für die kalten Tage bestens gerüstet und auch die Werkstatt im Wilhelmshafen hat sich über diverse Spezialwerkzeuge riesig gefreut. Einen herzlichen Dank von meiner Seite für diese großzügige Spende.

Auch viele Privatspender meldeten sich bei mir und brachten große Mengen an Dämmmaterial, Sackware, Heizgeräte, etc. sowie einige Geldspenden. Diese konnten wir bei der Firma Kress in Neuhof in dringend benötigte Schrauben umwandeln und erhielt sogar noch eine große Menge zusätzlicher Materialien aus dem Bestand. Und auch "Wiederholungstäter" durfte ich bei mir zuhause wieder begrüßen. Ganz herzlichen Dank an alle. Mit Euren großherzigen Spenden verschenkt ihr pures Glück im Katastrophengebiet.

Die vier Helfer aus dem Kiebitzgrund konnten ebenfalls wieder richtig viel für das Baustoffzelt organisieren, Materialspenden und auch Geldspenden. Der H-Getränkemarkt Wytrickus in Schlitz-Sandlofs feierte sein 30-jähriges Jubiläum und sammelte für die Menschen im Ahrtal mehr als 3.200 Euro, die in OSB-Platten, Rigips, Wandfarbe und Schraubenmaterial investiert wurden. Nach dem Abladen fuhren wir mit einem guten Gefühl weiter nach Mayschoß.  

Auch Sören Vandeberg von der Firma Agro Agrarhandel kam nicht mit leeren Händen ins Ahrtal. Er brachte mehrere Paletten mit Farben ins Baustoffzelt, damit das Depri-Grau wieder durch Buntes abgelöst wird. Auch eine neue Spülmaschine und Profi-Reinigung-Equipment für Winzer Achim Sebastian waren im Gepäck. Sören und seine vier Kollegen arbeiteten in den nächsten Tagen für das Weingut und auch auf privaten Baustellen. Unterkunft fanden sie im Containerdorf von Wilhelm Hartmann, dem "Wilhelmshafen", direkt neben dem Baustoffzelt. 

Maria

In Mayschoß angekommen verschafften wir uns einen Überblick über die Entwicklungen der letzten Wochen. Auf den ersten Blick war kein Fortschritt zu erkennen. Nach wie vor findet man noch überall Schmutz und Zerstörung. Der Ort wirkt wie ausgestorben. Die Zahl der Helfer ist seit einigen Wochen stark rückläufig und somit wurden auch die Versorgungspunkte für die Helfer abgebaut. Warmes Essen gibt es unter der Woche nur noch mittags in der Winzergenossenschaft. Etwas enttäuscht und mit knurrendem Magen begaben wir uns zu unserer Unterkunft im verwaisten Haus der Familie Keidel. Hier erwartete uns dann eine Überraschung. Der große Tisch war liebevoll gedeckt und auf dem Gaskocher stand ein Eintopf für uns bereit. Der Abend war gerettet!

Am nächsten Morgen gab es Wohlduftendes und Knuspriges von Wido, dem einzigen Bäcker im Ort. Aus seiner kleinen Backstube auf der Silbergasse heraus verkauft er bereits wieder frische Brötchen, Brot und diverse süße Köstlichkeiten, "Teilchen" wie man im Ahrtal sagt. Sein Ladengeschäft, sowie das große Café zur Flussseite hin ist nach wie vor komplett zerstört. Er hat seine Energie auf die Backstube konzentriert, um möglichst schnell wieder Brot backen zu können. Bereits bei meinem ersten Besuch in Mayschoß erzählte er mir voller Tatendrang, dass er nur noch auf ein paar Ersatzteile für seine Maschinen warte und dann auf alle Fälle so schnell wie möglich weitermachen möchte. Gestern waren fünf Helfer der "Elektroseelsorge" bei ihm und konnten eine seiner defekten Maschinen reparieren. Die ehrenamtlichen Mechaniker haben es sich zur Aufgabe gemacht, Geräte instandzusetzen, die durch die Flut beschädigt wurden. Es gibt quasi nichts, was sie nicht ans Laufen bekommen. Beate Wimmer, die schon seit einer Weile ihren Wohnwagen in Mayschoß stehen hat und von hier aus Hilfsaktionen organisiert und sehr gut vernetzt ist, hatte die Mechaniker um Hilfe für Wido gebeten. Als sie kamen, hatte Wido gerade Blechweise Weckmänner in Arbeit, die klassischen, mit Rosinenaugen und Tonpfeife im Arm. Auch eine regionale Leckerei, über die sich besonders die Kinder am Martinstag freuen werden. Seine Backkunst ist nicht nur in Mayschoß, sondern in allen Dörfern hochbegehrt. Bisher gibt es im ganzen Ahrtal nur zwei Bäcker, die schon wieder selbst backen.

Anders sieht es leider bei den beiden Metzgern in Mayschoß aus. Ein Metzger hat sein Geschäft aufgegeben und der andere verkauft aktuell zugekaufte Ware aus einem Verkaufswagen heraus, da Laden und Produktionsstätte immer noch komplett zerstört sind.

Frisch gestärkt konnten wir bei Maria diverse Deckenbalken erneuern, die durch die Flut instabil waren. Das wurde ein ganz besonderer Tag für Maria. Zum erste Mal nach der Flut konnte sie wieder in ihrem Haus übernachten, weil sie sich nun wieder gefahrlos im ersten Stock bewegen konnte.

Bei Keidels nahmen wir am Nachmittag die Räumung des Hauses und den Umzug in Angriff. Wir transportierten die Möbel aus dem unbeschädigten ersten Stockwerk mit unserem geliehenen LKW teils über Feldwege und etliche Umleitungen zur neuen Übergangswohnung, 37 km entfernt. Über öffentliche Straßen wäre dies eine Strecke von mehr als 70 km gewesen.

Zeichen der Hoffnung. Fest der 1000 Lichter

Abends erwartete uns ein absolutes Highlight: Trotz Flut feierte Mayschoß das Fest der 1000 Lichter, als Zeichen der Hoffnung mit einer großartigen Illumination der Burgruine Saffenburg und lauter Lichtern rundum in den Berghängen. Ein wahnsinnig schönes Weinfest für Anwohner und Helfer mit Livemusik vom Feinsten. Die Kölschrock-Bands 'Brings und de Räuber' waren gekommen, um für alle aufzuspielen und mitzufeiern. Bei gutem Essen, noch besserem Wein und toller Musik ließen wir den Abend ausklingen. Es gab sogar ein Feuerwerk! Sicher flogen auch viele Wünsche mit in den leuchtenden Himmel, hoch zu den Sternen.

Links Sebastian Reinhardt; Rechts „Der Kaiser“ (Leiter und Namensgeber des Baustoffzelts) ...

Am Sonntag brachten wir noch die letzten Möbelstücke zu den Keidels, bevor wir die Heimreise antraten. Die beiden suchen jetzt so schnell wie möglich eine neue Bleibe. Das ist jedoch nicht einfach. Erst muss die Finanzierung gesichert sein und die staatlichen Hilfen fließen. Darauf warten sie bisher leider vergebens und werden vor immer neue Hürden gestellt. Die medial angekündigte "unbürokratische Hilfe" findet nicht statt. Eine Schande ist das!

Die drei Tage im Flutgebiet haben mir wieder deutlich gezeigt, wie lebensnotwendig die Hilfslieferungen und die Unterstützung der Menschen im Ahrtal nach wie vor ist. Der Umzug des Wilhelmshafen und des Baustoffzelts von Walporzheim hoch nach Grafschaft eröffnet neue Möglichkeiten und die Übernachtungsmöglichkeiten von Helfern in der kalten Jahreszeit werden sich hier deutlich verbessern. Der Zusammenschluss mit dem Helfer-Shuttle wird weiterhin verlässliche Hilfe ins Ahrtal bringen. Ganz kostenlos und vor Allem unbürokratisch. 

Trotzdem wird es noch sehr lange dauern, bis im Ahrtal wieder ein normales Leben stattfinden kann. Die Menschen haben teils alles verloren. Ihr Haus, all ihr Hab und Gut, und viele sogar den Arbeitsplatz und damit ihre berufliche Grundlage. Für den Wiederaufbau benötigt man nun Handwerker und Material. Beides ist Mangelware. Deshalb sind unsere Materialspenden auch so wichtig für die Menschen im Ahrtal. Sie brauchen mehr denn je unsere Unterstützung. Der Winter naht. Eine Vielzahl der Häuser hat immer noch keinen Strom, Trinkwasser aus der Leitung, warmes Wasser zum Duschen, oder eine Heizmöglichkeit. 

Daher mein eindringlicher Appell: Behalten Sie die Menschen im Ahrtal weiterhin im Herzen und nutzen Sie alle Möglichkeiten der Unterstützung, wo und wie auch immer Sie können! Die Menschen werden noch lange auf Hilfe (auch von gelernten Handwerkern und Handwerksbetrieben) und Spenden angewiesen sein und sind sehr dankbar für unsere Unterstützung.

Ein besonderer Dank zum Schluss geht noch an Barbara Schmitz, eine gebürtige Mayschoßerin, die mich bei der Erstellung der Spendenberichte immer tatkräftig unterstützt hat und auch mit dem ein, oder anderen Tipp immer hilfreich zur Seite steht.

Seien Sie gespannt, die nächste Aktion zur Unterstützung der Menschen im Ahrtal ist bereits in Planung. Ich halte Sie auf dem Laufenden.

Hilfs- und Spendenangebote richten Sie bitte an: [email protected]
+++


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