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Feuerwehrmann Rolf Harzen mit seiner Lebensgefährtin bei der Aktion im Ahrtal. - Fotos: Carina Jirsch

AHRTAL O|N bei den Flutopfern aus dem Ahrtal

Bewegende Schicksale: "Nur das Hochzeitsbild meiner Eltern konnte ich retten"

05.12.21 - Es sind Schicksale, die auch ich als OSTHESSEN|NEWS-Reporterin wohl nicht so schnell vergessen werde - Geschichten von Menschen, die alles verloren haben und vor einer ungewissen Zukunft stehen. Viele Erinnerungen der Vergangenheit wurden mit den Fluten weggespült. Die Fahrt von O|N ins Ahrtal dürfte mir wohl lange in Erinnerung bleiben: Nicht nur wegen der großen Freude, die den Menschen dort in der Vorweihnachtszeit bereitet werden konnte - besonders wegen der bewundernswerten Menschen, die ich dort kennenlernen durfte. 

Nicole Ketter mit ihrer Mutter

Peter Fischbach

Auf dem Marktplatz in Ahrweiler angekommen, blicke ich in die Gesichter vieler Menschen - Einwohnern der Stadt, die auf den ersten Blick recht fröhlich wirken. Sie freuen sich über unseren Besuch, die riesige Hilfsbereitschaft und darüber, auch vier Monate nach der Flutkatastrophe nicht vergessen worden zu sein. Bei meinem Besuch komme ich mit Rolf Harzen ins Gespräch. Harzen ist Feuerwehrmann und war in der gesamten Flutnacht im Einsatz: "Ich musste in der Nacht viele Leichen bergen, wusste gar nicht mehr, wohin mit ihnen, es war schrecklich". Schließlich beschloss er, die Verstorbenen in eine Kirche zu bringen. "In dieser Nacht kam so vieles zusammen. Als ich zu meinem Haus zurückkehren wollte, fand ich nur noch einen Trümmerhaufen vor. Das Einzige, was ich noch retten konnte, war das Hochzeitsbild meiner Eltern", erzählt Harzen.

Von seinem Sohn und dessen Freundin fehlte zu diesem Zeitpunkt jede Spur. "Ich wusste ja nicht mal, ob sie noch am Leben sind", so der Feuerwehrmann. Am nächsten Tag dann die erleichternde Nachricht - Sohn und Freundin sind wohlauf. Insgesamt 17 Stunden haben sie in den Fluten auf einem Dach ausgeharrt. "Es sind Bilder, die immer wiederkehren. In der Nacht selbst konnte man das gesamte Ausmaß noch gar nicht begreifen, erst am nächsten Tag, als es hell wurde", erzählt der Familienvater. In einer einzigen Nacht hat er alles verloren. "An diesem Haus hingen so viele Erinnerungen - Fotos aus der Jugend, Familienalben und viele andere Dinge, die mir wichtig waren. Damit hat man schon ganz schön zu kämpfen", so Harzen. Außerdem hat der Feuerwehrmann in dieser Nacht auch zwei seiner Kameraden verloren: "Sie haben es leider nicht geschafft und sind in den Fluten ertrunken. Insgesamt über 130 Menschen hat die Flutkatastrophe das Leben gekostet, drei Menschen werden noch immer vermisst. Man kann das alles gar nicht begreifen".

"Man hat einfach nur funktioniert"

Peter Fischbach, der von der Flutkatastrophe selbst betroffen war, ist noch immer fleißig am Helfen: "Ob es jemals wieder so werden wird wie zuvor, weiß man nicht. Man hat in diesen Tagen einfach nur funktioniert, hatte keine Zeit für Todesangst. Immer wieder gab es in dieser Zeit auch Plünderungen. Es war für die Menschen hier alles andere als leicht. In unserem Garten wurden zwei Flutopfer angespült", erzählt Fischbach, der jahrelang bei der Kriminalpolizei tätig war. "In diesem Beruf ist man ja schon einiges gewohnt. Dieser Anblick war für mich aber besonders schlimm". 

Auch Marita und Walter Oesterreich hat das Hochwasser stark getroffen. "Unser Haus hat unter der Flut ziemlich gelitten, es muss abgerissen werden", berichtet die Ehefrau mit Tränen in den Augen. "Es wurde ein ganzer Ortsteil ausgelöscht. Viele Kinder bekommen seitdem Angst, wenn es anfängt zu regnen. So viele Häuser sind unbewohnbar oder wurden vom Hochwasser mitgerissen. Man hat in diesem Moment irgendwie versucht, die Angst zu verdrängen". Besonders gerührt zeigte sich Familie Österreich von der riesigen Welle der Hilfsbereitschaft: "Das hat in diesen Tagen einfach jede Menge Kraft gegeben. Von überall kamen Menschen, um zu helfen. Es ist ein schönes Gefühl, nicht vergessen worden zu sein". 

Hilfsbereitschaft überwältigend

Von der herzerwärmenden Unterstützung zeigt sich auch Anwohnerin Nicole Ketter erfreut: "Es ist schön, dass man durch solch wunderbare Aktionen mal wieder in die schönen Momente des Lebens zurückgeholt wird. Von der Politik fühlen wir uns alleine gelassen. Umso mehr freuen wir uns über so viele hilfsbereite Menschen, die uns unterstützen wollen. Trotzdem fehlt uns einfach das Lächeln. So viele Menschen haben mit dem schmerzlichen Verlust geliebter Menschen oder ihres Zuhauses zu kämpfen". 

Auch wenn die Helfer aus Osthessen und dem Main-Kinzig-Kreis mit ihrer Weihnachtaktion nur einen kleinen Teil dazu beitragen können - irgendwann kehrt hoffentlich auch im Ahrtal wieder das Lächeln in die Gesichter der Menschen zurück. (Lea Hohmann) +++


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