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Bei Konzerten im Fürstensaal geht es normalerweise sehr soigniert zu. Das Publikum ist in der Regel etwas älter, distinguiert, gebildet – und besucht die Konzerte sehr regelmäßig. Im heutigen Preisträgerkonzert aber waren junge Menschen in der Überzahl. - Alle Fotos: Martin Engel

FULDA Am Ende gewinnt immer die Musik

Preisträgerkonzert des ersten Fuldaer Musikwettbewerbs im Fürstensaal

13.12.21 - Bei Konzerten im Fürstensaal geht es normalerweise sehr soigniert zu. Das Publikum ist in der Regel etwas älter, distinguiert, gebildet – und besucht die Konzerte sehr regelmäßig. Im heutigen Preisträgerkonzert aber waren junge Menschen in der Überzahl.

Ein neuer musikalischer Wettbewerb in Fulda

Nach dem Aus des Wettbewerbs "Jugend musiziert" in Fulda beratschlagten Stadt und Landkreis gemeinsam, wie es weitergehen sollte. Oberbürgermeister Dr. Heiko Wingenfeld und Vize-Landrat Schmitt waren in ihren Begrüßungsreden zurecht stolz darauf, dass man in der Krise nicht klein beigegeben, sondern nach einer neuen Lösung gesucht hatte. Das Ergebnis ist der Fuldaer Musikwettbewerb, der trotz aller pandemischen Erschwernisse in diesem Jahr das erste Mal ausgetragen wurde. Die Sparkasse Fulda, das Musikhaus Mollenhauer sowie Mollenhauer Blockflötenbau engagierten sich als Sponsoren und Stifter von Sonderpreisen.

Aber ohne Eltern wäre gar nichts

Alle Redner dankten den Eltern für ihre Unterstützung. Sie motivieren, sie trösten, sie treiben an, sie leisten Fahrdienste und engagieren sich finanziell. Sie sind auch die ersten Zuhörer und Fans. Musik ist ein aufwendiges Hobby, das neben Talent viel Disziplin und Leidenschaft erfordert – und das nicht nur von den Musikerinnen und Musikern. Eltern müssen schließlich einige Jahre eine recht hohe akustische Toleranz aufbringen. Auch, wenn man sein Kind sehr liebt – was da anfangs aus Geigen, Celli, Flöten und Trompeten herausquetscht wird, ist in der Regel kein Ohrenschmaus.

Die Bedeutung der Eltern ist aber auch ein zweischneidiges Schwert. Die soziale Ungleichheit unseres Bildungssystems setzt sich in der musikalischen Ausbildung fort. Die Bertelsmann-Studie "Jugend und Musik" hat 2017 konstatiert: Ob Kinder und Jugendliche Musik machen, hängt wesentlich von Einkommen und Bildung der Eltern ab. Das war auch an diesem Abend zu besichtigen: Im Fürstensaal versammelte sich die fuldische Bürgerschaft der Mitte und Oberschicht (das können Sie schon an den Namen der Kinder ablesen). Kinder aus sozial benachteiligten Familien (Bildung, Einkommen, Migrationshintergrund) waren nicht unter den Preisträgern (Osteuropa und Asien zählen nicht, da schon immer Reservoire für Musikernachwuchs). Hier haben Musikschulen ein weites Feld, auf dem sie noch tätig werden können – und müssen.

Was dieses Konzert so besonders machte, ist der Einblick, den es in die Werkstatt des Musizierens bot. Man bekam eine Ahnung davon, wie anspruchsvoll und weit der Weg ist, bis man ein Instrument beherrscht. Die Kinder und Jugendlichen, die hier auftraten, wollen nicht unbedingt Musik-Profis werden, sondern ihre Freude an der und mit der Musik leben. Es geht nicht darum, wer besonders perfekt und richtig spielt. Es geht um Liebe und Leidenschaft. Für das Publikum war das Konzert das Miterleben eines frühen Moments in jungen, musikalischen Lebensläufen, vielleicht irgendwann auch Karrieren. Und natürlich war dieses Konzert eine riesengroße Werbung für die Musik und das Musizieren.

Mit den zwei effektvollsten Sätzen aus Haydns Bläser-Divertimento in B-Dur begann das Konzert. Fabian Kraus, Erik Oldenburg, Johannes Lüpkes, Lilly Berg und Monika Schelling spielten das beschwingt, fröhlich und ansteckend. Wie schön, dass zwei Instrumente, die traditionell eher von Männern gespielt werden, hier mit Frauen besetzt waren (Horn und Fagott).

Gerade die Allerjüngsten beeindruckten

In der Altersgruppe 1 sind alle Kinder jünger als 10 Jahre. Was sie zeigten, war von enormer Bandbreite und von großem Talent geprägt. Jonathan Ortlieb spielte das Präludium in C-Dur von Prokofiev. Ein Stück, in dem man bei den Arpeggien und schnellen Läufen fast über die gesamte Tastatur hinweg seine technische Raffinesse zeigen kann – und das tat er! Sein jüngerer Bruder Elischa spielte Prokofievs "Der Regen und der Regenbogen" – ein eigens für Kinder geschriebenes Stück.

Carla Schlitzer entführte uns mit Leo Portnoffs Fantasie No. 2 in d-moll in die unendlichen Weiten Russlands. Sie spielte auf einer ½ Geige – für die ‚große‘ Geige sind die Arme einfach noch nicht lang und die Handfläche nicht groß genug. Sowohl die Melancholie des ersten Teils als auch die schnellen Läufe im zweiten Teil des Stücks machten ihr keine Probleme, beeindruckend, wie gut sie bereits Bogenführung, verschiedene Tempi und die Melodielinie beherrschte.

 

"Oh when the Saints" dürfte eines der beliebtesten Gospels sein, es gibt unzählige Versionen in sehr unterschiedlichen Stilrichtungen. Auf der Trompete ‚gehört‘ es quasi Louis Armstrong, in Fulda zeigte Jakob Schmitt, wie gut er in seinen jungen Jahren bereits mit dem anspruchsvollen Instrument zurechtkommt. Das Kinderkonzert für Trompete von Vjacheslav Schelokow ist beherrschbar für Anfänger und doch effektvoll für die Zuhörer. Benjamin Faulstich holte alles aus dem Stück raus, was man rausholen konnte.

Die Schwestern Mathilda und Johanna Weber zeigten auf ihren Blockflöten, dass der alte Musiklehrerspruch, "Lern erst mal Flöte, und dann ein gescheites Instrument" Blödsinn ist. Die Blockflöte wird zu Unrecht unterschätzt und als Einstiegsinstrument abgetan. Die beiden Sätze aus einem Konzert von Harald Genzmer zeigten das aufs Allerschönste.

Jan Tukscher spielte "La Cinquantaine" von Jean Gabriel Marie, auch so ein Muss-Stück für angehende Cellisten. Beeindruckend, wie er die Phrasierung beherrschte und die Stimmung einfing. Er spielt auf einem kleineren Cello – wie bei der Geige gilt: die Anatomie entscheidet über die Größe.

Es gab sie, die untypischen Preisträger-Stücke

Wettbewerbe haben einen Nachteil – es werden sehr oft die gleichen Stücke gespielt, die Lehrer deshalb aussuchen, weil sie zum Können der Schüler passen, effektvoll vorgetragen werden können und für Jurys leicht vergleich- und bewertbar sind. Aber es gibt doch immer ein paar Raritäten, und an denen habe ich mich ganz besonders erfreut. 

Zwei Sänger traten auf, beide wurden von Reinhold Feldmann am Klavier begleitet. "Horatios Monolog" (Hamlet) war Eislers musikalischer Kommentar zum 20. Parteitag der KPdSU, bei dem Chruschtschow Stalins Verbrechen enthüllte – "so sollt ihr hören von Taten blutig". Mir schien der Kontrast zwischen der jungen Felicia Kraus und diesem recht gewalttätigen Stück sehr groß, zu groß, mein Eindruck ist auch, das Stück passt besser zur Tenorlage. Kraus hat eine klare, warme Stimme, die im Fürstensaal auch die letzte Reihe erreicht, ich hätte gern etwas von ihr gehört, das besser zu ihr gepasst hätte.

Dass Georg Rupprecht Tenor singt, sieht man, bevor man auch nur einen Ton von ihm gehört hat. Man meint zu erkennen, von wem er sich das abgeschaut hat. Dazu die typische Tenor-Gurgel und die typische Tenor-Pose ("hier stehe ich, ich kann nicht anders"), da ich habe doch leise in mich hinein gegrinst. Aber alles egal, wenn er singt! Ihm zuzuhören ist ein Genuss, er hat eine warme Tenorstimme mit viel Schmelz. Extra-Plus: Hier hat jemand wirklich hart an seiner glasklaren Artikulation gearbeitet. Die von ihm vorgetragene Vertonung des Gedichts "Ungeduld" dürften die meisten eher aus Schuberts "Schöner Müllerin" kennen. Spohrs Version ist nicht nur im Vergleich spannend.

"Music from the Undertale” für mehrere Schlaginstrumente und diverse Schlagzeuge war natürlich ein Highlight. Toby Fox entwickelte nicht nur das megaerfolgreiche Videospiel "Undertale", er schrieb auch den Soundtrack dazu – effektvolle Musik, die direkt in die Füße zischte. Tomazic Lisanna, Konrad Kaffanke, Lars Neuhaus, Amina Müller-Rockstroh, Jonas Wagner und Hagen Pfaff gaben wirklich alles, das machte Spaß!

Die musikalischen Highlights

 "Saxophobia" von Rudy Wiedoeft ist ein Stück, das zwischen schnellen Läufen und langen Legato-Phasen abwechselt, ein Ragtime, der uns in die 20er Jahre zurückbeamte. Ferdinand Wehner spielte das ultrakurze Stück furios und grandios. Wer öfters auf Empfängen der Stadt Fulda ist, hat diesen jungen Mann schon das ein oder andere Mal spielen hören und dabei gewiss auch dieses Stück schon gehört – und immer war’s ein Genuss.

Auch Vogelstimmen können einen in ihren Bann ziehen, jedenfalls wenn sie so gespielt werden wie Constanze Weißenstein das mit "Music for a bird" von Hans Martin Linde tat. Unglaublich, wie vielseitig eine Blockflöte sein kann. In Weißensteins Fall eine Altblockflöte, das war wirklich meisterlich, wie sie ein ganzes Vogelorchester aus ihrer Flöte herausholte.

Ein schon sehr ausgereifter junger Geiger ist Daniel Bretz, der das Allegro aus dem Konzert No. 1 in e-moll von Anatoli Komarowski spielte. Das Stück fordert einiges und Bretz hatte technisch die schnellen Läufe und Doppelgriffe genauso drauf wie die Melodik und Dynamik des Stücks.

Eileen Tolsdorf beherrscht gleich zwei Instrumente auf sehr hohem Niveau. Auf dem Klavier spielte sie das Chopin’sche Scherzo, No. 2 in b-moll op. 31. Es ist sehr populär und sehr lang und sehr oft gespielt und sehr technisch anspruchsvoll und sehr expressiv und sehr düster. Mit Chopin ist das so eine Sache, das Publikum ist meist hingerissen, sogar dann, wenn er malträtiert oder von Pedalen erschlagen wird. Das Gehabe vieler Pianisten tut sein Übriges dazu. Tolsdorf spielte gut. Nur: es gibt halt klassische Musik, die ist einfach von pudriger Langeweile. Das meiste von Chopin zähle ich dazu.

Ganz anders ihre Cello-Darbietung, da spielte sie die Gavotte op. 23 in D-Dur von David Popper, ein Stück, das man für einfach hält, weil so ziemlich alle Cello-Schüler es irgendwann einmal spielen – aber es hat es in sich. Man muss eine sehr gute Griff- und Bogentechnik haben und die Dynamik des Stücks beherrschen. Tolsdorf hat es meisterlich gespielt.

Die Sonderpreise

Alle Kinder und Jugendlichen, die auftraten, sind Preisträger des ersten Fuldaer Musikwettbewerbs. Hier können Sie die Ergebnisse nachlesen: https://www.fulda-musikwettbewerb.de/wettbewerb/ergebnisse-2021 

Einige bekamen zusätzlich noch Sonderpreise: Mathilda und Johanna Weber sowie Constanze Weißenstein Preise vom Musikhaus Mollenhauer und von Mollenhauer Blockflötenbau, Eileen Tolsdorf erhielt den Sonderpreis der Sparkasse für eine herausragende Leistung. "Jung sein ist die Phase im Leben, die nicht aufgeschoben werden kann, und in der Musik eine so wichtige Rolle spielen kann", hatte Natalya Oldenburg, seit 2017 Leiterin der Musikschule Fulda, zu Beginn des Konzerts gesagt. Ihre größte Kraft entfalte sie, wenn man gemeinsam musiziere. Das hat das Publikum an diesem Abend erleben können – und bedankte sich bei den jungen Musikern mit standing ovations. Wer das Konzert nacherleben möchte, der sollte beim Offenen Kanal Fulda vorbeischauen, der das Konzert aufgezeichnet hat. (Jutta Hamberger) +++


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