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FULDA Der Stadtpfarrer bei O|N

Impulse von Stadtpfarrer Buß: Vom König, der Gott sehen wollte

18.05.22 - Es war einmal ein König, den befiehl am Ende seiner Tage die Schwermut. Zu seinem Hofstaat sagte er: "Seht, nun habe ich in meinem Leben alles, was nur ein Mensch erleben und mit seinen Sinnen aufnehmen kann, erfahren, gehört und gesehen. Nur eines habe ich nicht gesehen in meinem ganzen Leben: Gott habe ich nicht gesehen. Ihn wünsche ich noch zu sehen."

Stadtpfarrer Stefan Buß. Archivfoto: O|N/Hendrik Urbin

Da erließ der König an alle Beamten, Weisen und Priester den Befehl, ihm Gott zu zeigen. Schwere Strafen drohte er ihnen an, wenn es ihnen nicht gelänge. Drei Tage hatten sie Zeit dafür. Genau nach drei Tagen, um die Mittagszeit, ließ der König sie alle vor sich rufen. Der Mund der Beamten, Weisen und Priester blieb stumm, sie konnten ihn Gott nicht sehen lassen. Da kam ein Hirte vom Feld, der auch vom Befehl des Königs gehört hatte, und sagte: "Erlaube mir, König, deinen Wunsch zu erfüllen!" – "Gut", sagte der König, "aber bedenke, es geht um deinen Kopf". Der Hirte führte den König auf einen freien Platz und zeigte ihm die Sonne. "Sieh hin", sagte er. Der König hob seine Augen nach oben und wollte die Sonne sehen. Aber der Glanz blendete ihn, und er senkte den Kopf und schloss die Augen. "Willst du, dass ich erblinde?", sagte er zu dem Hirten. – Der antwortete: "Aber König, das ist doch nur ein Ding der Schöpfung, ein schwacher Abglanz der Größe Gottes, ein kleines Fünkchen seines flammenden Feuers. Wie willst du da mit deinen schwachen, tränenden Augen Gott sehen? Suche ihn mit anderen Augen!"

Der russische Schriftsteller Leo Tolstoi (1828-1910) hat die uralte Frage des Menschen nach Gott in dieser Geschichte gestellt. Wie kann man Gott sehen? Kann man ihn überhaupt sehen? Welche Augen braucht man, um ihn sehen zu können? Sich sicher sein, dass es Gott gibt, das möchte mancher. Dann könnte man – angeblich – ganz anders und fester glauben. Nur selten ist Gott im Moment des Erlebens zu entdecken. Das braucht geschärfte Sinne und viel geistliche Erfahrung. Im Nachhinein jedoch werden vielen Menschen in ihren Leben manches klarer. Im Nachhinein können Menschen Gott dort entdecken, wo sie ihn in einer konkreten Situation noch nicht sehen konnten. Hinterher tut sich oft der Sinn von Wegen auf. Noch nicht im Gehen selbst, sondern in den Rückschauen auf das Gehen. Was wie ein Irrweg schien, war nur ein Umweg, ja vielleicht der beste Weg von allen. Aber auch das ist weniger mit dem Kopf als mit dem Herzen zu erfassen: Zur Vertiefung des Glaubens und zur Vertiefung der inneren Zufriedenheit empfiehlt es sich, am Abend eines Tages oder am Morgen der nächsten Einkehr zu halten und den Tag noch einmal an sich vorüberziehen zu lassen: "Was habe ich heute erlebt? Was ist gelungen? Was ist misslungen? Wo haben mir Menschen Gutes getan? Wo konnte ich Gutes tun? Wo bin ich bewahrt geblieben?" Dann nehmen gewiss immer neu Spuren Gottes in unserem Leben Gestalt an. (Stefan Buß) +++


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