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Michael Rotschopf spielt am Mittwochabend beim "Club der toten Dichter" zum ersten Mal die Rolle des Lehrers John Keating. - Fotos von der Medienprobe am vergangenen Mittwoch: Hans-Hubertus Braune

BAD HERSFELD Wachwechsel beim "Club der toten Dichter"

"Mein Keating ist ein Ketzer" - Schauspieler Michael Rotschopf im O|N-Interview

05.07.22 - Michael Rotschopf wird nachgesagt, dass er sich um Interviews nicht unbedingt reißt. Doch als ich den 52-jährigen Schauspieler am Telefon erwische, ist er sehr freundlich, geduldig und tiefenentspannt. "Ich bereite gerade für ein paar Ensemblekollegen das Mittagessen zu", sagt er. "Das macht aber nichts. Schießen Sie los."

Michael Rotschopf ist dem breiten Publikum vor allem aus Film und Fernsehen bekannt, kommt aber eigentlich von der Bühne. Er ist Burgschauspieler und unter anderem in der 21-stündigen "Faust"-Inszenierung von Peter Stein auf der "Expo 2000" in Hannover gleich in mehrere Rollen geschlüpft. Nun ist er zum ersten Mal bei den Festspielen zu erleben – nämlich im "Club der toten Dichter" als Lehrer John Keating.

Seit dem 13. Juni weilt Michael Rotschopf bereits in Bad Hersfeld. "Aber wegen der Proben konnte ich mich hier noch gar nicht so richtig umschauen", sagt er. "Auf mich wirkt das aber wie eine ,Puppenstadt‘ mit hübschen Fachwerkhäusern und einer hohen Lebensqualität. Und die Stiftsruine ist ein sehr beeindruckender Ort, um dort zu spielen."

"Die Zuschauer werden etwas ganz anderes sehen"

Den John Keating hatte in der vergangenen Spielzeit bei der Uraufführung Götz Schubert gespielt und dafür den Hersfeld-Preis bekommen. Bei der Wiederaufnahme des Stücks am vergangenen Samstag war Schubert erneut am Start. Ab heute Abend teilen sich Schubert und Rotschopf die Rolle. "Was so natürlich nicht stimmt", stellt der Österreicher klar. "Wir teilen uns die Rolle nicht. Das klingt so, als wenn Götz die erste Hälfte des Stücks spielen würde und ich die zweite. Das war damals beim ,Faust‘ so, als gleich zwei Kollegen den Mephisto gespielt haben. Götz und ich wechseln uns vielmehr ab."

Medienprobe 2021: Götz Schubert lässt sich als John Keating von seinen Schülern ...

Medienprobe 2022: Michael Rotschopf lässt sich als John Keating von seinen Schülern ...

So spielt Michael Rotschopf morgen und am Freitag, hat dann andere Verpflichtungen, etwa im Friaul oder auf einem Festival in Bad Kissingen, kommt dann am 24. Juli nach Bad Hersfeld zurück etc.pp. Und dazwischen eben immer Götz Schubert.

Dass beide in diesem Jahr den John Keating verkörpern, ist auch der Pandemie geschuldet, die die Terminkalender von Kulturschaffenden bekanntlich mächtig durchgerüttelt hat. Weil Götz Schubert die diesjährige Saison nicht durchspielen kann, besann man sich auf Michael Rotschopf, den man schon immer mal nach Bad Hersfeld holen wollte. Dieser wiederum hatte genau in der Götz-Schubert-freien Zeit noch nichts in seinem nicht minder gefüllten Terminkalender und sagte zu, ohne lange überlegen zu müssen.

Auch weil das seiner Art zu arbeiten entgegenkommt. "Ich mag solche Projekte ohne ewig langen Vorlauf", sagt er. "Ich erarbeite mir einen Text, komme irgendwohin und trete vors Publikum. Ich springe da einfach rein. Ich brauche für mich nicht die 400. Aufführung vom ,Hamlet‘, aber wer spielt schon den ,Club der toten Dichter‘?"

Dass man ihn mit Götz Schubert vergleichen könnte, hält Michael Rotschopf für Unsinn. "Die Zuschauer werden etwas ganz anderes sehen. Es sind dasselbe Stück und der gleiche inszenatorische Rahmen. Aber Götz Schubert ist ein komplett anderer Schauspieler. Und ich habe einen ganz anderen Zugang zur Rolle. Ich habe mir auch seine Aufführung bzw. das Video davon nicht angesehen, sondern ich steige da pur rein und mache mein eigenes Ding. Hier will keiner vom anderen wissen, was er macht", lacht Rotschopf.

"Was wollen wir den jungen Leuten eigentlich beibringen?"

Und wie legt er seine Rolle an? "Mein Keating ist ein Ketzer und entwickelt auch einen gewissen Wahn", erklärt Michael Rotschopf. "Wenn man jungen Menschen Bildung mit Leidenschaft vermitteln und sie anleiten will, ihre eigenen Gedanken zu entwickeln, kann man eigentlich nur scheitern, weil man gegen das System angeht." Von daher gesehen, sei das Stück immer aktuell. "Denn wo zum Beispiel wird bei den heutigen Bachelor- und Master-Studiengängen noch Wert auf eine umfassende humanistische Bildung gelegt? Die Frage muss doch immer sein: Was wollen wir den jungen Leuten eigentlich beibringen?"

Michael Rotschopf über die Botschaft des Stücks: "Die Frage muss doch immer sein: ...

Michael Rotschopf über seine jungen Darsteller-Kollegen: "Die sind ganz reizend ...

Dass sich ein Besetzungswechsel aufs Ensemblespiel auswirkt, liegt auf der Hand. Besonders die Jungdarsteller, die sich um die Rolle des Keating scharen, seien aber "erstaunlich flexibel und unverknöchert". Rotschopf: "Die sind ganz reizend und nehmen alles auf, was man ihnen so bietet, und bieten mir ja auch eine Menge. Da ist nichts durchgezirkelt bei denen, alles bleibt offen. Im Grunde genommen haben die erst gar nicht geprobt, sondern gleich mit mir gespielt. Und dafür ist Theater doch da: dass man einfach spielt …"

OSTHESSEN|NEWS wünscht Toi, toi, toi für morgen Abend und wird am Donnerstagvormittag über die erste Aufführung vom "Club der toten Dichter" mit Michael Rotschopf berichten.

PS in eigener Sache: Meine Frau hat schon geschimpft. Das Mindeste sei gewesen zu fragen, was Michael Rotschopf denn eigentlich für seine Ensemblekollegen gekocht hat. Sorry an die Leserschaft! (Matthias Witzel) +++


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