Archiv
"Ein gnadenloser Sport": Schützenverein feiert 450-jähriges Jubiläum - Festakt
11.07.22 - Ist schon irre: Als Galileo Galilei und William Shakespeare gerade mal acht Jahre alt waren, wurde in Fulda der heimische Schützenverein gegründet. Stolze 450 Jahre ist das her, und damit ist der Verein mit Abstand der älteste im Fuldaer Raum. Und da in der Schützenfamilie auch die Geselligkeit gepflegt wird, traf man sich am Sonntagmittag im Vereinsheim in der Richard-Müller-Straße zu einem Festakt.
Erster Vorsitzender Rainer Lindig freute sich, trotz Corona zahlreiche Gäste begrüßen zu dürfen. Er führte aus, dass es bereits im Jahr 1327 ein erstes Schützenfest mit Wettschießen in Fulda gegeben habe, ausgetragen von wehrhaften Bürgern, die sich zur Stadtverteidigung zusammengetan hatten. Schützenkönig damals war der Baumeister der Stadtpfarrkirche.
1572 wurde dann der jetzige Schützenverein zum ersten Mal urkundlich erwähnt, der in den 450 Jahren an insgesamt fünf Standorten beheimatet war, bis er vor 50 Jahren, also zum 400. Jubiläum, die Räumlichkeiten in der Richard-Müller-Straße bezog. Lindig sang ein Loblied auf die Vereinskultur und zitierte Joachim Ringelnatz:
"Sport stärkt Arme, Rumpf und Beine,
Kürzt die öde Zeit,
Und er schützt uns durch Vereine
Vor der Einsamkeit."
Das Highlight im Jahreskalender sei stets das Schützenfest auf der Ochsenwiese, das in den letzten zwei Jahren Pandemie-bedingt ausfallen musste. Der Vorsitzende: "Wir freuen uns riesig, dass es nun wieder losgeht und vor allem auf die Proklamation der Schützenfamilie im Ehrenhof des Stadtschlosses."
Dessen Hausherr, Oberbürgermeister Dr. Heiko Wingenfeld, sagte als Schirmherr des Schützenfestes: "Ihr Verein pflegt ein großes kulturelles Erbe." Allzu oft stünden Schützen unter Generalverdacht. "Sie aber gehen verantwortlich mit Waffen um. Nur mit Disziplin kann man solche Erfolge feiern." Nicht umsonst hat der Fuldaer Schützenverein zig Meistertitel, Pokale und Urkunden gewinnen können.
Landrat Bernd Woide meinte, die Themen "Schützenwesen" und "Verteidigung" hätten noch vor wenigen Monaten in "die Trödelecke der Historie" gehört, und spannte damit - zumindest in Andeutung - einen Bogen zum Ukraine-Krieg. "Das Füreinander Einstehen ist heute ganz aktuell."
CDU-MdL Thomas Hering, selbst Vereinsmitglied und vor 36 Jahren Jugend-Schützenkönig, sagte, viele hätten mit Begriffen wie "Heimat" und "Tradition" Probleme. "Das dürfen wir uns aber nicht kaputtreden lassen, schon gar nicht das Schützenwesen an sich. Und das sage ich als Mitglied des Hanauer Untersuchungsausschusses." Schließlich stellte er die Frage, ob Schießen eigentlich ein Sport sei, und gab gleich selbst die Antwort: "Und was für einer! Das ist ein gnadenloser Sport, der einem körperlich ganz schön was abverlangt."