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Am Grab Jacob Kupfer, dem Urgroßvater von Louis und Jean Kupfer. Links Dr. Michael Imhof, rechts Birgitte Füller-Jerwin, beide begleiteten die Familie auf der Reise zu ihren Wurzeln. - Fotos (3): Michael Imhof

EBERSBURG (RHÖN) Auf Spurensuche im Land der Vorväter

Ehemalige Fuldaer Juden besuchen Weyhers und Schmalnau

07.08.22 - Louis Freedberg lebt und arbeitet heute als Journalist in San Francisco, aber die Wurzeln der Familie liegen im Fuldaer Land. Denn Louis Freedberg ist der Enkel von der aus Melsungen stammenden Grete Kupfer, geb. Levy und ihrem Mann Judah Kupfer, der aus Schmalnau stammte.

Beiden gelang die Emigration nach Südafrika. Auch Judah Kupfers Brüder Max und Samuel Kupfer folgten ihm auf die andere Seite des Globus. Ihre nahen Verwandten Regina Grünewald und Erna Esther Freudenthal waren in Schmalnau und Tann verheiratet. Beide wurden von den Nationalsozialisten ermordet.

Die Fenster in der Fuldaer Synagoge Fotos (2): Jutta Hamberger

Familie Freedberg vor dem Stammhaus Kupfer in Schmalnau

Louis Freedberg, Judahs Enkel, ist in Südafrika aufgewachsen. In diesen Tagen ist die Familie im Fuldaer Land unterwegs – Louis Freedberg und seine Frau Alina Sagalicoff mit ihren beiden Kindern Lucia und Julian, und seine Schwester Jean Freedberg, die zeitweilig in Bonn lebt. Spurensuche war das Thema der Reise, wo lebten die Vorfahren, was findet sich noch von ihnen? "Ich möchte, dass meine Kinder sich vor Ort mit ihrer Familiengeschichte vertraut machen können", so Lous Freedberg. Begleitet wurden die Gruppe von Brigitte Füller-Jerwin und Dr. Michael Imhof. Dr. Hans Unbehauen, Mitglied in den Ebersburger Gemeindegremien, ließ es sich nicht nehmen, die Besucher im Namen der Gemeinde Ebersburg zu begrüßen.

Das Stammhaus Kupfer in Schmalnau

Unterwegs in Schmalnau auf den Spuren der ehemaligen jüdischen Gemeinde ...

Die Schmalnauer Führung übernahm sachkundig Frau Füller-Jerwin. Die erste Station waren das Stammhaus Kupfer in der heutigen Schmalnauer Hauptstraße und die Wohnstätten weiterer Verwandter der Kupfers. Die Begegnung mit den steinernen Zeugen ihrer Familiengeschichte war tief berührend. Die Gedenktafel in der Dorfmitte war der richtige Ort, um etwas über die Geschichte des religiösen Zentrums der jüdischen Gemeinde Schmalnau zu erfahren. Die Synagoge war Mitte des 19. Jahrhunderts in der Thalauer Straße errichtet worden. In einem Anbau befanden sich die Mikwe, das Bad für die rituellen Reinigungen, und ein Schulraum für den Religionsunterricht, seit Ende des 19. Jahrhunderts war es eine eigenständige jüdische Elementarschule auch für die allgemeinbildenden Fächer.

Als der NS-Terror zunahm, wurden auch die Schmalnauer Juden deportiert oder vertrieben. 1936 übernahm die Gemeinde Schmalnau das Gebäude. Nur so entging es der Zerstörung in der Pogromnacht am 9. November 1938. Nach dem Krieg wurde das Gebäude zu einem Feuerwehrhaus umgebaut. Noch in den 50er Jahren war darin der blaue Sternenhimmel zu sehen. Dass die Synagoge erst im Jahre 1984 und unter unklaren Umständen abgerissen wurde, um einem Neubau zu weichen, löste großes Erstaunen bei den Besuchern aus. Heute erinnert nur noch der Abschlussstein des Synagogendaches an den Bau.

Betroffen sind die Besucher auch, als sie auf dem Dorfplan von 1900, auf dem alle Schmalnauer Familien und Hausnamen verzeichnet sind, vergeblich nach den Namen der jüdischen Mitbewohner und ihrer Häuser suchten. Für Dr. Unbehauen etwas, dass überprüft werden muss – und möglichst natürlich auch geändert werden soll.

Auf dem jüdischen Friedhof in Weyhers

Da jüdische Grabstätten auf Dauer angelegt sind und nicht aufgelassen werden, reichen die Gräber auf dem Weyherser Friedhof bis 1730 zurück. Wie gut, dass es möglich war, dank der durch Dr. Imhof vorbereiteten Kartierung die Grabsteine der 14 Begräbnisstätten der Vorfahren Kupfer auf dem Weyherser Friedhof zu identifizieren! Diese reichen bis zu den Todesjahren von Meyer Kupfer 1829 und seiner Frau Minkla Kupfer 1839 zurück.

Ganz typisch für jüdische Grabsteine sind die wertschätzenden Aussagen über die Verstorbenen. So wird Meyer Kupfer als "rechtschaffener Mann" beschrieben, der sich in der "Ausübung der Gebote" auszeichnete. Er sei "gottesfürchtig" und "von gutem Ruf" gewesen. Seine Frau Minkla wird als "tugendhafte Frau, die Krone ihres Mannes", als "gottesfürchtig und Geachtete" benannt, die "reich an Jahren" verstorben sei. Vor allem die älteren Grabsteine sind kunstvolle Steinmetzarbeiten, mit Rankwerk und Blumengirlanden verziert.

An den Gräbern der Familie Kupfer singt Louis Freedberg das Totengedenken Kaddisch – ein tief bewegender Moment, auch, weil aus Amerika seine Brüder Michael und David per Video zugeschaltet sind. Das Gedicht "We remember you" von Rabbi Kamens und Rabbi Riemer verbindet alle über die Entfernung von Raum und Zeit: "As long as we live, you too shall live, for you are a part of us. We remember you."

Orte jüdischer Vergangenheit in Fulda

Am darauffolgenden Tag führte Michael Imhof Familie Freedberg zu den Orten der jüdischen Vergangenheit und Gegenwart in Fulda. Im jüdischen Kultuszentrum in der Schildeckstraße 13 erfuhren sie viel über das jüdische Leben heute. Besonders beeindruckt sind die Gäste vom Synagogenraum und dessen Ausgestaltung mit den farbigen Fenstern, die jeweils Themen der Thora aufgreifen. In der früheren Judengasse vermittelte Dr. Imhof ihnen anhand großformatiger Fotos einen Eindruck von der früheren Synagoge, dem jüdischen Viertel und dem alten Friedhof in der Rabanusstraße. Es wird wohl nicht der letzte Besuch der Freedbergs in der Region Fulda gewesen sein. (Michael Imhof und Jutta Hamberger) +++


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