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Die Apotheken in der Region haben derzeit mit enormen Lieferengpässen zu kämpfen - Archivfoto: O|N/Jonas Wenzel

REGION Enorme Lieferengpässe

Apotheker schlagen Alarm: "Viele Medikamente kaum noch zu bekommen"

19.08.22 - Angespannte Situation in den osthessischen Apotheken: Gerade Eltern, die nach Linderung für ihre kranken Kinder suchen, treffen derzeit oft auf Apotheker mit leeren Händen. Seit Wochen sind viele Medikamente nur noch schwer oder gar nicht mehr erhältlich. Vor allem Fiebersäfte für Kinder mit den Inhaltsstoffen Ibuprofen oder Paracetamol sind derzeit Mangelware. Ähnlich verhält es sich mit Elektrolytlösungen bei Durchfallerkrankungen. Doch auch lebenswichtige Medikamente für chronisch Kranke fehlen. Die Gründe für die enormen Engpässe sind vielfältig. O|N hat bei den Apotheken in der Region nachgehakt.

Justus Schollmeier, Inhaber der Altstadt-Apotheke Archivfoto: O|N/Carina Jirsch

"Mit Lieferengpässen haben wir bereits seit Jahren immer wieder zu kämpfen. Die Gründe dafür sind komplex. Fiebersäfte für Kinder werden aktuell nur noch von zwei Firmen hergestellt", erklärt Justus Schollmeier, Inhaber der Altstadt-Apotheke. Das massive Problem sieht der Apotheker in der Politik. Ein großer Faktor dieses Mangels sei auf politische Entscheidungen, die Krankenkassen und die allgemeine Mentalität zurückzuführen. "Heutzutage soll an allen Ecken gespart werden, Hauptsache billig muss es sein. Ibuprofen wird mittlerweile weltweit nur noch von sechs Firmen produziert - fällt eine davon aus, ist das mit gigantischen Ausmaßen für die Pharmazie verbunden."

Die Regale in den Apotheken werden zunehmend leerer...

"Die Lage ist angespannt"

Für 277 verschiedene Arzneimittel weist das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) in Deutschland aktuell Lieferengpässe aus. Das spiegelt sich auch in der Medicum Apotheke in der Flemingstraße in Fulda wider. "Wir haben, wie viele andere Apotheken, einen großen Mangel an Fiebersäften. Im April standen rund 60 Präparate auf unserer Liste der Medikamente mit eingeschränkter Verfügbarkeit. Mittlerweile sind wir bei über 140 Mitteln, bei denen die Verfügbarkeit aktuell nicht mehr gewährleistet ist. Die Lage ist wirklich angespannt", weiß Apothekerin Michaela Petri. Logistikprobleme, Rohstoffmangel oder diverse Probleme bei den Herstellern - die Gründe für den Medikamentenengpass sind vielfältig. 

...auch in der Altstadt-Apotheke in der Robert-Kircher-Straße

Vor allem Fiebersäfte für Kinder oder Elektrolytlösungen sind derzeit schwer ...Archivfoto: O|N/Franziska Schaub

Bären-Apotheke in der Dalbergstraße

Holger Seyfarth, Vorsitzender des Hessischen Apothekerverbands Foto: Hessischer Apothekenverband e.V.

Politik muss aktiv werden

Holger Seyfarth, Vorsitzender des Hessischen Apothekerverbands, beurteilt die Lage als angespannt: "Die Nachfrage nach Medikamenten ist zurzeit enorm. Dazu kommt, dass sich eine große pharmazeutische Firma komplett aus der Produktion verabschiedet hat. Die Politik hat versäumt, Rahmenbedingungen zu setzen, unter denen ein geregelter Markt funktionieren kann. Die Schuld liegt hier weder bei den Apothekern noch bei den Ärzten, sondern allein bei der Politik. Sie muss ein Gleichgewicht der Kräfte im Markt sicherstellen und das Missverhältnis regeln." Doch nicht nur Medikamente für Kinder sind vom Mangel betroffen. "Auch Antibiotika, Krebsmittel oder Asthmatika - also Präparate für chronisch Kranke - sind schwer erhältlich."

Theresa Möller, Apothekerin in der Bären-Apotheke in der Dalbergstraße ...Archivfoto: O|N/Carina Jirsch

"Vor einigen Monaten haben außerdem viele Kunden Fiebersäfte oder Schmerzmittel gekauft, um sie in die Ukraine zu schicken. Elektrolytlösungen wurden im Netz als Katermittel gehypt. Doch auch Mittel wie Buscopan fehlen", betont Apothekerin Theresa Möller von der Bären-Apotheke in der Dalbergstraße. "Es dauert zurzeit einfach unglaublich lange, bis Nachschub kommt. Bei vielen Präparaten lassen sich die Lieferengpässe genau erklären, bei anderen scheint es generelle Probleme bei den Herstellern zu geben."

Nicht nur Medikamente für Kinder - auch Präparate für chronisch Kranke - sind betroffen ...Archivfoto: O|N/Stefanie Harth

Für 277 verschiedene Arzneimittel weist das Bundesinstitut für Arzneimittel und ...Archivfoto: O|N/Hendrik Urbin

Die Medicum Apotheke in der Dalbergstraße hat einen großen Mangel an Fiebersäften ...Archivfoto: O|N

Entspannung der Lage im Herbst

Zum Herbst soll sich die Lage laut den Pharmazeuten wieder etwas entspannen. "Dann ist die Urlaubszeit erstmal vorbei und die Menschen statten sich zudem nicht mehr mit Reiseapotheken aus. So könnte sich die Situation Richtung Oktober wieder normalisieren", meint Seyfarth. Die akuten Lieferengpässe sind also nicht nur mit der großen Nachfrage an medizinischen Präparaten zu begründen, sondern auch auf politische Entscheidungen zurückzuführen. Ob jedoch gerade im Gesundheitssektor auf jeden Cent geachtet werden sollte, ist dabei fraglich. (Lea Hohmann) +++


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