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Im Rahmen eines Erntegesprächs des Kreisbauernverbands Fulda-Hünfeld e.V. kamen die Landwirte miteinander ins Gespräch - Fotos: Lea Hohmann

REGION Trockenheit und steigende Energiepreise

Enttäuschende Ernte bei hessischen Landwirten - "Wir sind in großer Sorge"

23.08.22 - Es sind enorme Herausforderungen, vor denen die heimische Landwirtschaft derzeit steht: Krieg in der Ukraine, anhaltende Trockenheit und nicht zuletzt die steigenden Energiekosten stellen die Branche vor große Probleme. Hinzu kommt ein Verbraucherverhalten, welches zunehmend der "Geiz ist Geil" -Mentalität folgt. Daraus resultieren dramatische Umsatzrückgänge bei den Bauern. Den heimischen Betrieben fehlen die Perspektiven. In einem Erntegespräch des Kreisbauernverbandes Fulda-Hünfeld bei Familie Kersten in Fulda-Maberzell kommen am Montagvormittag rund 20 Landwirte gemeinsam mit Karsten Schmal, Präsident des Deutschen Bauernverbands, über aktuelle Herausforderungen ins Gespräch. Schnell wird klar: Nicht nur die enttäuschenden Ernteerträge bereiten den Landwirten Sorge.

Karsten Schmal, Vorsitzender des Deutschen Bauernverbands

Die Landwirte stehen vor großen Herausforderungen

Die anhaltende Trockenheit macht den Betrieben zu schaffen

"Wir stehen zurzeit vor einem großen Umbruch. Die Zukunft der Landwirtschaft ist ungewiss, das macht Angst", bringt es Schmal auf den Punkt. Auf der Domäne von Familie Karsten werden insgesamt 200 Hektar bewirtschaftet. "Alles, was vor dem Sommer bereits geerntet wurde, ist grundsätzlich zufriedenstellend. Jedoch ist es schlichtweg zu trocken. Überall fehlt das Wasser. Für Gemüsesorten wie Mais oder Bohnen, die im Herbst geerntet werden sollen, sieht es derzeit düster aus. Der Ackerbau ist in diesem Jahr wirklich enttäuschend", zieht Landwirt Lukas Kersten Bilanz. Laut ersten Prognosen könnten in diesem Jahr bei bestimmten Kulturen bis zu 50 Prozent der Erträge ausfallen - für die Landwirtschaft und die Lebensmittelindustrie ein Desaster.

Den Landwirten fehlen die Perspektiven

Auch an der Mentalität der Bürgerinnen und Bürger müsse sich etwas ändern ...

Die Landwirtschaft steht vor einem Umbruch

Gute Erträge beim Winterraps

"Mit zunehmender Trockenheit hat sich die Lage weiter zugespitzt", bestätigt auch der Präsident. "Im Süden Hessens wurde bereits Mitte Juli die Wintergerste gedroschen. Wir haben in diesem Jahr den drittwärmsten Frühling seit 1951 verzeichnet. Die Sommermonate brachten einige Hitzerekorde mit sich. Das hinterlässt auch in der Landwirtschaft Spuren." Zudem erbringe der Weizen mittlerweile nicht mehr den nötigen Proteingehalt mit einer Basis von 11,5 Prozent, um das Getreide beispielsweise an Bäckereien zu vermarkten.

Dafür habe jedoch der Winterraps in diesem Jahr besonders gute Erträge gebracht. "Während der Blütezeit im Mai hat die Pflanze von der enormen Sonneneinstrahlung profitiert", betont Schmal. Auch wenn die Erlöse für Raps derzeit höher ausfallen - wer nicht zum richtigen Zeitpunkt vermarktet hat, steht vor großen Problemen. Hinzu kommen die gestiegenen Energiepreise, die in vielen Betrieben kaum noch zu stemmen sind. "Die Landwirtschaft ist auf höhere Erlöse angewiesen, sonst ist das Geschäft langfristig nicht mehr tragbar", so Schmal.

"Viele Kulturen nicht mehr zu retten"

Zudem stellt sich gerade jeder Landwirt die Frage nach dem lang ersehnten Regen - keine guten Prognosen für hessischen Bauern. "In einer Tiefe von circa eineinhalb Metern ist es zurzeit staubtrocken. Selbst wenn es jetzt regnen sollte, sind viele Kulturen in diesem Jahr gar nicht mehr zu retten. Das ist jetzt bereits das vierte trockene Jahr", sorgt sich der Präsident. In den kommenden Jahren müsse man sich deshalb auch über eine wasserschonende Bodenbearbeitung Gedanken machen. "Insgesamt gilt es zu überlegen, welche Pflanzen künftig ausgesät werden und mit weniger Wasser auskommen."

Grünland - Fehlanzeige!

Vor enormen Herausforderungen stehe man auch bei den Futterbetrieben. Grünland - Fehlanzeige! Bereits in den Sommermonaten müssen viele Rinder deshalb von ihren Weiden geholt werden. Die Folge: Schon im August muss mit der ohnehin knappen Winterfütterung begonnen werden. Zu den natürlichen Problemen wie Klimawandel und Ernteeinbußen kommt zusätzlich eine angespannte Lebensmittelsituation durch den Krieg in der Ukraine. "Rund 500 Millionen Menschen sind auf Getreide aus der Ukraine angewiesen. Durch die Unruhen funktionieren die globalen Ströme nicht mehr wie gewohnt. Jedoch ist es unsere Aufgabe, auch die östlichen Länder mitzuversorgen. Schließlich erhält auch Deutschland Obst, Gemüse, Kaffee oder Tee aus anderen Regionen der Erde", meint Schmal.

Die angespannte Situation spiegelt sich später wiederum in den Verpackungsbetrieben wider. Schließlich müssen Milch und andere Lebensmittel für die Vermarktung verpackt werden. Auch dieser Prozess ist mit hohen Energiekosten verbunden. Alleine Molkereien oder Schlachtbetriebe haben einen unglaublich hohen Energieverbrauch. Wie die Betriebe diese Kosten künftig stemmen sollen, steht in den Sternen. "Uns fehlt einfach die Planungssicherheit. Wir brauchen Vorschläge und Anregungen aus der Politik. Jedoch werden Entscheidungen letztendlich von Politikern getroffen, die keinerlei praktische Kenntnisse in der Landwirtschaft haben. Das hilft wenig weiter", kritisieren einige regionale Bauern im Gespräch. 

Fehlende Perspektiven

Zudem betont Stefan Schneider, Vorsitzender des Kreisbauernverbands Fulda-Hünfeld e.V., zahlreiche Aspekte rund ums Thema Tierwohl und Viehhaltung und richtet einen klaren Appell an die osthessischen Bürgerinnen und Bürger. Viele Menschen hätten aufgrund der angespannten Lage Zukunftsängste, an allen Enden wird gespart. Das mache sich auch auf dem Verbrauchermarkt bemerkbar. "Letztendlich entscheidet der Kunde an der Ladentheke, ob er die regionale Landwirtschaft unterstützt. Angesichts des aktuellen Kaufverhaltens haben wir wenig Perspektiven. Der Rückgang des Kaufes an Bio-Lebensmitteln ist dramatisch."

Selbst der ein oder andere Regenschauer in den kommenden Wochen kann einen großen Ernteausfall in diesem Jahr nicht mehr verhindern. Umso wichtiger ist es für die heimischen Bauern, dass sich auch die Mentalität der Bürgerinnen und Bürger verändert. "In vielen anderen Ländern haben gute und qualitative Lebensmittel einen ganz anderen Stellenwert. Vor vielen Jahren wurde Regionalität auch bei uns noch viel mehr gelebt. Die Entwicklung macht unfassbar traurig", sind sich die Landwirte einig. Auch wenn sowohl Energiepreise als auch Lebensunterhaltungskosten in den vergangenen Jahren deutlich in die Höhe geschossen sind - die Bedeutung von Regionalität in den Köpfen der Menschen sollte gerade in Krisenzeiten nicht verloren gehen. (Lea Hohmann) +++

Die Domäne der Familie Karsten in Fulda-Maberzell


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