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Zunächst fällt nicht auf, dass bei Lea Gärtner etwas anders ist als bei den anderen Friseurinnen und Friseuren, die durch den Salon "Cutting Crew" in Künzell wuseln. - Fotos: Antonius

FULDA "Sie hat an Selbstbewusstsein gewonnen"

Lea Gärtner (22) absolviert trotz Lernschwierigkeiten eine Friseurausbildung

03.12.22 - Wer den Friseursalon "Cutting Crew" in Künzell betritt, wird von freundlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern empfangen. Unter ihnen gibt es einen besonderen Sonnenschein: Lea Gärtner. Die junge Frau absolviert hier eine Ausbildung – obwohl sie sich mit dem theoretischen Lernen schwertut. Lea Gärtner ist ein Musterbeispiel gelungener Inklusion zum heutigen Internationalen Tag der Menschen mit Behinderungen.

Zunächst fällt nicht auf, dass bei Lea Gärtner etwas anders ist als bei den anderen Friseurinnen und Friseuren, die durch den Salon "Cutting Crew" in Künzell wuseln. Souverän empfängt die Auszubildende mit den roten Locken ihre Kundinnen und Kunden, berät zum neuen Haarschnitt und übernimmt Waschen, Schneiden und Föhnen. Im Gespräch mit Lea Gärtner und ihrer Chefin Jutta Ressel wird klar, dass diese Ausbildung für beide Seiten etwas ganz Besonderes ist.

Ticket in den allgemeinen Arbeitsmarkt

Denn Lea Gärtner hat eine Lernbehinderung und kommt von der Startbahn, der Arbeitsschule von antonius, die junge Menschen mit erhöhtem Unterstützungsbedarf auf das Berufsleben vorbereitet. Vor allem bei komplexen kognitiven Aufgaben wie dem Rechnen braucht Lea Gärtner mehr Zeit zum Lernen, das Handwerkliche hingegen fällt ihr leicht: "Ich mache alles gern: Damen- und Herrenschnitte, Tönen, Färben und Glätten", sagt die 22-Jährige. Ihre Chefin Jutta Ressel bestätigt das: "Lea übernimmt alle Aufgaben, die ein Friseurazubi machen muss, genauso gut wie die anderen. Sie ist sehr motiviert, bei den Kunden beliebt und mit ihrer tollen Art eine große Bereicherung fürs ganze Team. Beim Lernen braucht sie mehr Zeit und Unterstützung – daher sind wir sehr froh über die Begleitung durch Perspektiva."

Das Unternehmernetzwerk Perspektiva berät und begleitet Betriebe, die Menschen mit Behinderungen ausbilden oder beschäftigen. In Lea Gärtners Fall stellt Perspektiva eine Assistenzkraft und hat zu Fördermöglichkeiten beraten. Denn statt einer Vollausbildung absolviert Lea Gärtner bei Cutting Crew eine theoriereduzierte Ausbildung zur "Fachpraktikerin Friseur/in". Bei dieser speziellen Ausbildung begleiten Assistenzkräfte die Azubis im Betrieb und in der Berufsschule individuell und persönlich. Schwierige Lernaufgaben werden so weit heruntergebrochen, dass diese trotz Lerneinschränkung bewältigt werden können. Zusätzlich wird gezielte Nachhilfe angeboten. Dabei wird Selbstbestimmung großgeschrieben: Lea Gärtner entscheidet selbst, wen sie sich als Assistenz wünscht und wo sie Hilfe benötigt.

Inklusion in der Arbeitswelt voranbringen

Die Fachpraktiker-Ausbildung, so berichtet Sabrina Smits von Perspektiva, gibt es in verschiedenen Berufsbranchen. Sie ist für Leute gedacht, die handwerkliche Fähigkeiten besitzen, aber den theoretischen Anforderungen wegen ihrer kognitiven Einschränkung nicht gewachsen sind – sie ermöglicht eine echte Alternative zur Arbeit in einer Behindertenwerkstatt. Über das "Budget für Ausbildung", das erst 2020 eingeführt wurde, fördert die Agentur für Arbeit, die Assistenzleistung und Lohnkosten finanziell. Das Programm "Geh(t) doch! Berufswege in den allgemeinen Arbeitsmarkt" vom Hessischen Sozialministerium und dem Integrationsamt vom Landeswohlfahrtsverband Hessen initiiert und etabliert, das Budget für Ausbildung. Kooperationspartner in Fulda ist das Unternehmernetzwerk Perspektiva.

Lea Gärtner ist bundesweit eine der ersten Azubis, die das Budget für Ausbildung in Anspruch nehmen. Bisher mit großem Erfolg: Die junge Frau profitiert von der engen Begleitung während ihrer Ausbildung und hat sich beruflich wie persönlich enorm weiterentwickelt. Cutting Crew-Geschäftsführerin Jutta Ressel lobt: "Lea brennt für den Beruf und hat einen Meilenstein in der Entwicklung zurückgelegt: Sie ist extrovertierter geworden, hat an Selbstbewusstsein gewonnen und ist mittlerweile sogar in eine eigene Wohnung gezogen. Wir wünschten, mehr Unternehmer wüssten von der Fachpraktiker-Ausbildung und der Unterstützung durch Perspektiva oder durch das Budget für Ausbildung. Das könnte Inklusion in der Arbeitswelt richtig voranbringen." (pm) +++


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