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Franz Erhard und Susanne Walther mit Dr. Frank Verse, Vonderau Museum - Fotos: René Kunze

FULDA Wenn es im Kopf zu rütteln beginnt ...

Wein, Werk und Jazz – die Villa Walther mit allen Sinnen genießen

21.05.23 - Von meinem heutigen Besuch in der Villa Walther habe ich ein neues Lieblingswort mitgenommen – rütteln. Es ist ein unglaublich assoziationsstarkes Wort. Was kann man nicht alles rütteln und durchrütteln! Vor allem die eigenen Gedanken und Gefühle. Und genau dazu lädt die Kunst Franz Erhard Walthers ein.

Nicht Konsum, sondern Begegnung

Die ersten Gäste treffen ein

Immer wieder hört man, Walthers Kunst sei "schwierig". Dieses Etikett haftet man gern Menschen und Dingen an, die in keine Schublade passen. Ich finde, Franz Erhard Walthers Kunst verweigert sich vorgefertigten Kunstkonzepten und fordert auf, selbst aktiv zu werden. Sie will nicht konsumiert werden, sie verlangt nicht, dass man mit andächtigem Oh! und Ah! vor ihr steht. Sie will Auseinandersetzung. Wie man das tut, ist jedem selbst überlassen. Es gibt nicht den einen, einzigen und richtigen Weg zur Kunst. Es gibt viele. Wenn es im Kopf zu rütteln beginnt, ist man auf einer guten Spur.

Deswegen ist die gemeinsame Initiative des Ehepaars Walther mit dem Kulturamt der Stadt Fulda sehr zu begrüßen, die Villa den Sommer hindurch an einem Samstag im Monat kostenlos für alle zu öffnen. "Wir realisieren hier die Idee des Museums als Dritter Ort", erklärt mir Dr. Frank Verse vom Vonderau Museum. "Ein Museum soll nicht nur ein Raum für Ausstellungsobjekte sein, sondern auch ein Ort, an dem man sich mit anderen austauscht." Diese Idee geht auf den amerikanischen Soziologen Ray Oldenburg zurück, der sie Ende der 1980er Jahre erstmals formulierte. Der erste Ort ist demnach das Zuhause, der zweite der Arbeitsplatz, der dritte kann vieles sein – von der Bibliothek bis zum Museum und vom Biergarten bis zum Kaffeehaus. Wichtig ist, dass der dritte Ort einen Kontrapunkt zu den beiden anderen setzt und Austausch und Miteinander ermöglicht. Es darf und soll ungezwungen und entspannt zugehen – aber mit vielen Anregungen. Bei moderner Kunst ein wichtiger Aspekt: Hier muss niemand Angst haben. Die Villa Walther ist kein Elfenbeinturm, den nur Eingeweihte betreten. Hier sind die Türen in jeder Beziehung offen.

Das Duo Sax2Elements, Yvonne Roth-Wächter und Gerhard Kunkel

Ausstellungsraum in der Villa Walther

Das Wetter spielt auch mit, man kann sich draußen niederlassen – der Vorplatz der Villa erinnert ein wenig an einen ‚walled garden‘. Die Kastanien blühen, Sax2Elements mit Yvonne Roth-Wächter und Gerhard Kunkel spielt Beschwingtes zwischen Pop und Jazz, es gibt Zwibbelsploatz und Brez’n, natürlich auch Wein aus dem Rheingau. Man kann durch die Ausstellung bummeln. Man kann sich drinnen an den für das Museum gestalteten Worttisch setzen, seinen Gedanken nachhängen oder ein Buch aus dem Regal nehmen und schmökern.

Man kann andere Menschen treffen und sich unterhalten. Auch Franz Erhard Walther selbst. Seine Werke hängen in Museen auf der ganzen Welt, er ist Biennale-Preisträger, Kulturpreis- und Bundesverdienstkreuz-Träger. Das klingt ordentlich respektheischend. Man könnte sich ihm mit ehrfürchtiger Distanz nähern, aber ich behaupte mal, daran hätte er wenig Freude. Fröhlich sitzt er auf einer Bierbank, natürlich trägt er wieder ein Kleidungsstück in seiner Signaturfarbe Rot, er freut sich über Freunde und Bekannte, plauscht über Gott und die Welt – und erzählt mit diebischem Vergnügen richtig gute Witze.

Alles außer langweilig

Weil Fulda ganz am Anfang seines Werks steht, zeigt die Villa Walther das Frühwerk des Künstlers aus den späten 1950er und frühen 1960er Jahren, in jährlich wechselnden Ausstellungen. Die Werke sind angenehm luftig gehängt oder plaziert. Sie lassen dem Betrachter Raum, um in Kontakt zu treten. Natürlich gibt es Beschreibungen, aber viel interessanter ist es, sich selbst Gedanken zu machen, was man da gerade sieht. Ich zum Beispiel fühle mich besonders angezogen von Walthers Wortkunst.

Dass die Villa Walther in Fulda realisiert wurde, ist drei Fuldaer Oberbürgermeistern zu verdanken. Dr. Dregger erkannte Walthers Potential früh und förderten ihn. Die Idee eines Walther-Museums entstand in den Tagen von Oberbürgermeister Dr. Hamberger, und tatkräftig umgesetzt hat das Museum nun Dr. Wingenfeld. "Wissen Sie, damals gab es hier kein Kunstmuseum, keine Galerie, nur die Galerie für Junge Kunst, das war natürlich eine Initialzündung", erzählt Walther. "Ich habe die ganze Welt der Kunst kennengelernt, nur sind inzwischen viele Freunde weggestorben. In Fulda gibt’s noch welche. Andere Städte hätten dieses Museum auch gerne gehabt, die Entscheidung, es hier zu errichten, war zutiefst emotional, es war eine des Herzens."

Fulda auf die Welt-Kunstkarte gebracht

Franz Erhard Walther erzählt mir von einer Begegnung in New York. "Da kam der Kunstkritiker der NY Times auf mich zu und sagte zu mir, Franz, ich habe gelesen – Du hast jetzt ein Museum in Fulda, ich muss mir das unbedingt anschauen." Walther macht eine kleine Pause und fährt fast spitzbübisch fort: "Und jetzt kommen diese Leute alle hierher, das sind Multiplikatoren, so was könnte Fulda sich für noch so viel Geld nicht kaufen."

Recht hat er. Wenn Sie also noch nicht in der Villa Walther waren, holen Sie es nach! Sie könnten in der Villa kunstliebenden Menschen aus der ganzen Welt begegnen, denn mit ihr ist die Barockstadt Fulda nun auch erstmals eine Kunststadt. "Ich habe der Stadt immer gesagt, Barock alleine reicht nicht, das ist Geschichte. Man braucht die Gegenwart", so Franz Erhard Walther.

Terminhinweis: Die weiteren "Werk, Wein und Jazz"-Termine sind 10. Juni, 15. Juli, 26. August und 16. September – jeweils ab 15 Uhr. (Jutta Hamberger) +++