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Ein Beispiel für eine gelungene Sanierung in der Bischofsheimer Innenstadt. Familie Roßhirt entschied sich bewusst für die Innenstadt.

Nicht jede alte Scheune muss erhalten werden. Durch den Abriss kommt Licht und Luft in die eng bebaute Bischofsheimer Innenstadt. Das Anwesen in der Hofstraße wird von einer Familie saniert, der Abriss schuf Platz. - Fotos: Marion Eckert

19.05.12 - Bischofsheim

Modellprojekt Folgekosten-Schätzer: Neubaugebiet ausweisen oder nicht?

Die Neuausweisung von Wohnbauflächen ist mit einem erheblichen Infrastrukturaufwand verbunden. In welcher Höhe dessen Folgekosten nicht nur die späteren Käufer und Mieter der errichteten Wohnungen, sondern auch die Kommunen und die Allgemeinheit belastet, zeigt der vom Hamburger Büro Gertz Gutsche Rümenapp entwickelte Folgekosten-Schätzer. Die Stadt Bischofsheim nimmt als eine von acht bayerischen Gemeinden an einem Modellprojekt des Bayerischen Landesamt für Umwelt und der Obersten Baubehörde im Bayerischen Staatsministerium des Innern teil, um Erfahrungen im praktischen Einsatz des Folgekosten-Schätzers sammeln.

Bürgermeister Udo Baumann ist stolz, dass es Bischofsheim an dem Projekt teilzunehmen. „Wir sind die nördlichste Kommune.“ Alle anderen sind im südlichen Bereich ab Höhe Ingolstadt bis um München vertreten. Ein Wissen um die Folgekosten helfe dem Stadtrat und der Verwaltung über die Neuausweisung von Neubaugebieten zu entscheiden, helfe abzuschätzen, ob eine Erschließung sinnvoll ist oder ob die Gelder lieber in eine Entwicklung der Innenorte fließen sollten. Dem Stadtrat wurde das Projekt sowie spezifische Berechnungen von Infrastruktur-Folgekosten für die möglichen Baugebiete in Bischofsheim sowie die ersten Auswertungen der Rückläufe der Eigentümerbefragung im Projekt Flächenmanagement der Kreuzbergallianz gegeben. Außerdem sprach der Hofheimer Bürgermeister Wolfgang Borst über die Erfahrungen der Hofheimer Allianz in Sachen Vermarktung von Leerständen. Dr. Frank Molder und Dr. Jens-Martin Gutsche erläuterten aber zunächst den FolgekostenSchätzer, der entwickelt wurde um knapper werdenden Haushaltsmittel in den Kommunen und steigendem Flächenverbrauch entgegen zu wirken.

Ziel des Modellprojektes sei es, eine Verbesserung des Kostenbewusstseins im Zusammenhang mit der Ausweisung von Baugebieten in den bayerischen Kommunen zu erzielen. 30 Jahre lang wurden Siedlungs- und Verkehrsflächen kontinuierlich ausgeweitet, 20 Hektar am Tag werden in Bayern hierfür benötigt. Doch mittlerweile finde ein Umdenken statt. Die Schere der Bevölkerungsentwicklung und des Flächenverbrauchs klafft immer weiter auseinander, zu Lasten der landwirtschaftlichen Flächen. Wichtig sei der Blick auf die Bevölkerungsentwicklung, die für Bischofsheim mit einem Rückgang von 12 Prozent bis 2021 prognostiziert wird. Es werden immer weniger Menschen, dafür aber immer ältere in Bischofsheim leben. Das bedeute, dass die Leerstände und die Kostenbelastungen steigen werden. Auch verändere sich der Wohnraumbedarf, es werden kleinere Wohnungen benötigt, möglichst barrierefrei in unmittelbarer Nähe zu den Einkaufsmöglichkeiten.

Das alles müsse eine Gemeinde heute schon im Blick haben, wenn es darum geht über eine Ausweisung von Baugebieten zu beraten. Der FolgekostenSchätzer ermögliche nun eine detaillierte Darstellung der Kosten angefangen von der Herstellung der Straßen, Wasser- und Kanalleitungen bis hin zu den Grünflächen aufgeschlüsselt nach den Herstellungs-, Betriebs- und Erneuerungskosten für die verschiedenen Kostenträger, sprich die Eigentümer, die Kommune und die Gemeinde. Hochgerechnet auf 30 beziehungsweise 70 Jahre kommen stattliche Beträge zusammen. Für den Fall Bischofsheim erläuterte Kämmerer Joachim Dierolf für die angedachten Baugebiete die Kosten dem Stadtrat.

So existiert für Wegfurt ein Plan für ein Neubaugebiet mit 17 Bauplätzen. Die Kosten für die Herstellung des Baugebiet belaufen sich laut Kostenschätzung auf 600.000 Euro. Hinzu kommt das Risiko der Vorfinanzierung, da die Gemeinde die 17 Bauplätze sicherlich nicht von heute auf morgen verkaufen wird, so Dierolf. Nach 35 Jahren muss die Straße erneuert werden, nach 70 Jahren Wasser und Kanalleitungen. Die Kosten werden sich bis dahin auf 2,1 Millionen Euro summiert haben. „Sicher, das ist weit weg, aber es sind Ausgaben, die irgendwann zu schultern sein werden“, so Dierolf. „Niemand will in 17 Bauplätze in Wegfurt ausweisen“, monierte Benjamin Lenhardt und auch Marc Trum befand, dass die Kosten „schlecht gerechnet“ wurden. Benjamin Lenhardt möchte wenigstens so viele Bauplätze anbieten, dass die jungen Familien nicht nach Weisbach oder Schönau abwandern sondern die Möglichkeit haben in Wegfurt zu bleiben. Die Möglichkeit

eines kleinen Baugebiet sollte es geben.

Die Daten und Zahlen seien mit Kurt Fischer vom Bauhof abgesprochen, erklärte die geschäftsführende Beamtin Ulla Schröder. „Es sind realistische Zahlen was es bei uns kostet. Da ist nichts schön und nichts schlecht gerechnet.“ Im Bereich Untere Metzenbach sind 36 Bauplätze für 1 Million Euro vorgesehen. Alleine der Unterhalt auf 20 Jahre beläuft sich auf 338.000 Euro, nach 70 Jahren kostete die Infrastruktur 4 Millionen. Auf 70 Jahre zu rechnen sei wohl etwas weit gegriffen, gab Egon Sturm zu bedenken. Auch wenn der Stadtrat keinen Beschluss fasste, die Tendenz der Informationen ging in die Richtung, dass die geplanten Baugebiete in Wegfurt, Bischofsheim und Oberweißenbrunn nicht umgesetzt werden. Der Fokus wird in Zukunft darauf liegen vorhandene Baulücken zu schließen und leerstehende Anwesen wieder zu beleben.

Rücklauf Flächenmanagement

Im Rahmen des Projektes „Flächenmanagement“ der Kreuzbergallianz wurden eine Eigentümerbefragung vorgenommen. Die ersten Ergebnisse stellte Ludwig Backhaus aus dem Bischofsheimer Bauamt den Stadträten vor. 346 Fragebögen wurden im Stadtgebiet Bischofsheim versendet. Die Rücklaufquote liegt bei 44 Prozent, 150 Fragebögen sind zurück gekommen. Bürgermeister Udo Baumann bittet alle Bürger, die noch ihren Fragebogen noch nicht zurück geschickt haben, dies noch zu tun. Von den zurück gesendeten erklärten sich 51 verkaufsbereit. Leere Hofstellen gibt es beispielsweise 19, acht Eigentümer meldeten sich zurück, zwei sind bereit zu verkaufen. Leere Wohngebäude gibt es 63, 29 Eigentümer meldeten sich zurück, neun sind sofort verkaufsbereit. Vom Leerstand bedrohte Objekte gibt es 75, 23 Eigentümer meldeten sich zurück, fünf sind verkaufsbereit. 129 Eigentümer von leeren Bauplätzen/Baulücken wurden angeschrieben, 69 meldeten sich zurück, 30 sind verkaufsbereit.

Auf die Stadtteile bezogen stellte sich in Bezug auf Baulücken und geringfügig bebaute Grundstücke, die zurückgemeldet wurden, wie folgt dar: In Bischofsheim gibt es wurden 20 Grundstücke dieser Art gemeldet, vier stehen sofort zum Verkauf, in Frankenheim sind es zehn Grundstücke, vier stehen zum Verkauf, in Haselbach sind es 19 Grundstücke, 13 stehen zum Verkauf, ein Großteil in der Osterburgsiedlung. In Oberweißenbrunn sind es sechs Grundstücke, drei stehen zum Verkauf. In Unterweißenbrunn sind es elf Grundstücke, eins steht zum Verkauf und in Wegfurt sind es 12 Grundstücke, sechs stehen zum Verkauf. Diese Zahlen zeigen auf, dass Potential vorhanden ist, das genutzt werden müsse, bevor neue Baugebiete ausgewiesen werden. Diese Grundstücke seien ohne größeren Aufwand zu bebauen, die Erschließung entweder schon vorhanden oder problemlos herzustellen.

Leerstands-Management

Die „Hofheimer Allianz“, in der sich sieben Haßgau-Gemeinden zusammengetan haben, um gemeinsam Konzepte für die Zukunftsfähigkeit des ländlichen Raums zu erarbeiten, befasst sich unter anderem mit dem Thema Flächenmanagement und Leerstands-Management. Hofheims Bürgermeister Wolfgang Borst erläuterte dem Bischofsheimer Stadtrat die Erfahrungen und die Möglichkeiten, wie in der Bevölkerung eine Bewusstseinsbildung für das Thema erzielt werden könne. Das Problem aussterbender Altorte und deutlichen Bevölkerungsrückgangs in ländlichen Gebieten stelle die Gemeinden vor neue Herausforderungen. Borst führte den Stadträten deutlich vor Augen, worauf es seiner Auffassung nach am meisten ankommt: „Das Bauen und Wohnen in den Ortskernen muss gefördert werden.“ Notfalls auch auf Kosten der in den vergangenen Jahrzehnten an den Ortsrändern entstandenen Siedlungen. „Wenn in einer Ortschaft der Altort ausstirbt, dann stirbt der ganze Ort.“ Nicht das Ausweisen immer neuer Baugebiete am Ortsrand sei die Lösung zur Erhaltung der Lebensqualität in den schrumpfenden Kommunen.

Stattdessen müsse die Erhaltung der Ortskerne als Ziel auf der politischen Agenda gesetzt werden. Das Thema müsse die „Lufthoheit“ an den Stammtisch bekommen, dann setze eine Bewusstseinsbildung in der Bevölkerung ein. Systematische Öffentlichkeitsarbeit sei nötig, damit der Bürger umdenke und ihm klar werde, dass heute niemand mehr kommt und Bauplätze oder Gebäude vergoldet. „Zwei Jahre dauerte bei uns die Bewusstseinsbildung, dann kommt die Verkaufsaktivität. Solange aber die allgemeine Meinung vorherrscht, dass Bauplätze und Häuser verkauft werden, jederzeit gut verkauft werden können, stehen utopische Preise im

Raum.“

In der Hofheimer Allianz wurden praxisnahe Mechanismen entwickelt, um quasi garantieren zu können, dass bauen beziehungsweise renovieren im Ortskern günstiger ist als ein vergleichbares Objekt im Neubaugebiet. Sei es mit einem kommunalen Förderprogramm, das jedem Neu- oder Umbau im Ortskern einen finanziellen Zuschuss von 50 Euro/qm garantiert, die Übernahme der Entsorgungskosten für den Bauschutt oder eine Planungsberatung durch einen Allianz-Architekten. Auf diesem Wege gelang es von 2009 bis 2012 89 Baumaßnahmen in leerstehenden Gebäuden zu fördern, 36 Baulücken konnten geschlossen werden und 14 gemeindliche Ortskernprojekte umgesetzt werden. Die Schrumpfung der Gemeinden könne nicht verhindert werden, aber sie könne gezielt gesteuert werden, notfalls eben auch durch die Aufgabe von Neubausiedlungen. „Wenn in einem Ort nur noch die Mäuse rund um die Kirche wohnen, dann können wir zu machen.“

Fünf bereits ausgewiesene Baugebiete wurden zurück genommen. „Als Zeichen, damit die Bürger merken, es ist uns ernst und damit sie wissen wohin die Entwicklung geht.“ Eine für Bischofsheim wichtige Zahl nannte Bürgermeister Borst. Durch gezielte Innenentwicklung wurden 80 Bauplätze für 500.000 Euro geschaffen. In Wegfurt stehen 17 Bauplätze in einem Neubaugebiet für 600.000 Euro zur Disposition.+++

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