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Zu volle Praxen wegen zu wenig Ärzten - ein Problem, dem man sich stellen muss. - Archivfoto: Anne Baumann

04.04.13 - FULDA

Ein trauriger Trend: Ärztemangel auf dem Land - Was unternimmt die Politik?

Ein deutscher Hausarzt arbeitet im Durchschnitt 57,6 Stunden pro Woche und hat rund 1.700 Einwohner zu betreuen. Seit 1993 ist die Zahl der Hausärzte bundesweit um 9,2 Prozent zurückgegangen - und 2025 werden voraussichtlich rund 1.530 Hausärzte (Fachärzte für Allgemeinmedizin) fehlen. Diese traurigen Zahlen zeigen eine Entwicklung, die schon seit längerer Zeit Sorgen bereitet und in Osthessen schon spürbar ist: es fehlen Ärzte in ländlichen Gebieten. Grund dafür ist vor allem der fehlende Nachwuchs, für den der Beruf des Hausarztes nicht mehr attraktiv zu sein scheint. Höchste Zeit für die Politik zu handeln, bevor sich die Situation noch weiter verschärft. In Fulda begann am Mittwoch im Esperanto-Kongresszentrum eine von vier regionalen Tagungen, auf denen die Landesregierung und die Kassenärztliche Vereinigung über die neue Bedarfsplanungs-Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses informieren.

Mit dieser neuen Richtlinie soll sichergestellt werden, dass es auch in ländlichen Räumen eine ausreichende ärztliche Versorgung gibt. Zudem wird dem Land, aber auch den Kommunen mehr Mitspracherecht bei den Zulassungen eingeräumt. Für Hessen stünden dann durch die  Reform zusätzliche Arztsitze zur Verfügung. „Aktuell liegt der Bedarfsplan meinem MInisterium vor", so der Hessische Sozialminister Stefan Grüttner heute in Fulda, der die Regionalkonferenzen begleitet. Von Januar bis März 2013 wurde der Plan erstellt, jetzt wird er überprüft, so dass er dann am 1. Juli 2013 in dem Hessischen Ärzteblatt veröffentlicht werden kann. „Mit ihm wollen wir die Ärzteversorgung planen und sie auch außerhalb der Ballungszentren sicherstellen.", so Grüttner.

„1993 hat man noch einen Bedarfsplan gegen so genannte ’Ärzteschwemme’ gemacht mit hohen Zulassungsbeschränkungen, heute droht ein akuter Ärztemangel", so der Vorstandsvorsitzende der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen, Frank Dastych. „Deshalb ist es nun an uns, Anreize und gute Rahmenbedingungen für neue Ärzte zu schaffen." Problematisch sei dabei entgegen vieler Diskussionen nicht nur der demografische Wandel bei den Patienten, sondern auch bei den Ärzten selbst: so habe jeder vierte Hausarzt in Deutschland bereits sein 60. Lebensjahr vollendet, der durchschnittliche deutsche Hausarzt ist 53 Jahre alt. Den größten Mangel in Hessen sehen die Wissenschaftler in der Kinder- und Jugendpsychatrie, in der Psychotherapie bestehe hingegen keinerlei Unterbesetzungsgefahr.

Was den osthessischen Raum angeht, so ist Dastych noch optimistisch: „Osthessen ist momentan nach unseren Berechnungen nicht unter- sondern überversorgt." Allerdings sei das Problem auch hier vor allem die Nachbesetzung der in Rente eintretenden Ärzte, so dass dringend Nachwuchs gewonnen werden müsse.

Im osthessischen Vogelsbergkreis zum Beispiel wird der Kreis bis 2020 mehrere seiner Hausärzte durch die Aufgabe der Praxen verlieren. Entgegen diesem Trend gibt es seit März eine neu geschaffene Fachstelle "Gesundheitliche Versorgung", deren Leiterin Sigrid Stahl sich der Komplexität des Themas widmen soll. 

Der Vorsitzende des Sachverständigenrats zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen, Prof. Dr. med. Ferdinand M. Gerlach sieht das Problem vor allem darin, dass die meisten Medizinstudenten nach ihrem Studium eher in Kliniken oder große Praxen, in die Forschung, Pharmazie oder in die Medien gehen. „Die jungen Leute sind eben nicht mehr bereit, Risiken und andauernde Verpflichtungen einzugehen.", so Gerlach. Die Mediziner wollen flexibler bleiben und sich nicht an einen Ort binden müssen, suchen aber auch nach familienfreundlichen Angeboten. Und das sei eine 50 bis 60 Stunden-Woche, die ständige Bereitschaft und Arbeiten an jedem zweiten Wochenende keinesfalls. Ziel des Bedarfsplanes sei es deswegen, den Arztberuf auf dem Land attraktiver zu gestalten und den Bereitschaftsdienst besser zu regeln. Außerdem müsse man die ambulante Weiterbildung stärken und das Honorar den Arbeitsbedingungen anpassen. Es gelte weiterhin, Studenten aus der Region für die Region zu gewinnen.

Erste Schritte in die richtige Richtung mache bereits man im Fuldaer Raum , erklärte Gerlach. Fuldas Vize-Landrat Dr. Heiko Wingenfeld, der in der Konferenz anwesend war, habe bereits Schulen angeschrieben um Kontakt mit Medizinstudenten aufzunehmen, die hier aus der Region stammten. Auch lokale Weiterbildungsangebote und betreuende Mentoren seien eine Hilfe für junge Mediziner, die zusehends auch BWL-Kenntnisse erwerben müssten. So könne man zum Beispiel sogenannte „Primärversorgungspraxen" schaffen, in denen vier bis sechs Ärzte die Patienten betreuten.

Diese und viele weitere Vorschläge wurden während der Tagung im Esperanto vorgetragen. Ob die Pläne tatsächlich umgesetzt werden und helfen, auf Dauer einem akuten Ärztemangel in den ländlichen Gebieten entgegen zusteuern, kann trotz vieler Diskussionen und vermeintlichen Prognosen nur die Zukunft zeigen. (Anne Baumann)

Nähere Informationen zum Thema gibt es unter: http://www.kbv.de/38805.html  +++


Sozialminister Grüttner diskutiert mit Ärzten und Fachleuten auf vier Tagungen über das brisante Thema. - Fotos: Anne Baumann

Unterstützung gibt es von Dastych, der den Bedarfsplan vorstellt.



Vizelandrat Wingenfeld hat das Problem erkannt und macht erste Unternehmungen in eine richtige Richtung.


Dr. med. Gerlach spricht vom Hausarzt der Zukunft: "Das ist eine Hausärztin.63 Prozent der Studienanfänger sind weiblich!"

Viele interessierte Gäste verfolgten die Tagung im Esperanto.

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