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- Archivfotos: Hans-Hubertus Braune

14.06.13 - HEF-ROF

Datenschutz-Beauftragter: "Videoüberwachung in Schultoiletten unzulässig"

Die Videoüberwachung an insgesamt fünf Schulen im Landkreis Hersfeld-Rotenburg ist nach Meinung des Hessischen Datenschutzbeauftragten Professor Dr. Michael Ronellenfitsch zumindest teilweise unzulässig. "Ich komme daher zu dem Ergebnis, dass eine Überwachung während der Anwesenheit von Schülern und Lehrern sich durch die aktuelle Rechtslage nicht darstellen lässt und auch nicht dem Lehr- und Erziehungsauftrag einer Schule entspricht", schreibt Ronellenfitsch. Die Kameras in den Toilettenvorräumen müssen entfernt werden. Dies geht es aus einer aktuellen Erklärung des Datenschutzbeauftragten hervor.

"Das Schreiben befindet sich derzeit in der Erörterungsphase und wird in den einzelnen Punkten analysiert. Landrat Dr. Karl-Ernst Schmidt wird die Ergebnisse dann präsentieren", sagte Michael Adam, Pressesprecher des Landkreises Hersfeld-Rotenburg, gegenüber osthessen-news. Die Videoüberwachung hatte im April diesen Jahres heftige Diskussionen ausgelöst. Die zuständige Schuldezernentin Elke Künholz zeigte sich erbost und habe von der Installation der Anlagen nichts gewusst.

HINTERGRUND:

Videoüberwachung an fünf Schulen in HEF/ROF - KÜNHOLZ entsetzt - VIDEO:

http://osthessen-news.de/J/1229840/region-videoueberwachung-an-fuenf-schulen-in-hef-rof-kuenholz-entsetzt--video.html

Nachfolgend die Erklärung des Hessischen Datenschutzbeauftragten im Wortlaut:

Ergebnisse der Überprüfung der Videoüberwachungsanlagen in Schulen des Kreises Hersfeld-Rotenburg Der Einsatz von Videotechnik ist eine automatisierte Form der Verarbeitung personenbezogener Daten. Die Beobachtung von Personen im öffentlichen (oder nicht öffentlichen) Raum und die Aufzeichnung der Bilder sind Eingriffe in das grundgesetzlich geschützte Recht auf informationelle Selbstbestimmung (BverfGE 65, 1 [42]). Neben dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung werden durch Videoüberwachung auch weitere Ausprägungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts berührt, insbesondere das Recht am eigenen Bild (BverfGE 97, 268) und bei Tonaufnahmen das Recht am gesprochenen Wort (BverfG, Beschluss vom 31.01.1973, 2 BvR 454/71). Diese Rechte werden beschränkt, wenn Daten über Personen erhoben und verarbeitet werden, ohne dass diese hierüber selbst bestimmen. Dies ist bei der Videoüberwachung der Fall. Beschränkungen des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung bedürfen einer verfassungsgemäßen gesetzlichen Grundlage, aus der sich die Voraussetzungen und der Umfang der Beschränkungen klar und für den Bürger erkennbar ergeben und die damit dem rechtsstaatlichen Gebot der Normenklarheit entspricht (BverfGE 65, 1 [44]). Sowohl aus dem Hessischen Datenschutzgesetz als auch dem Schulgesetz lassen sich keine Rechtsnormen für den Einsatz von Videokameras im Schulbereich ableiten.

Allenfalls § 14 Abs. 4 Nr. 2 des Hessischen Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung (HSOG) könnte als Rechtsgrundlage herangezogen werden. Danach ist die Videoüberwachung zum Schutz einer besonders gefährdeten Einrichtung erlaubt. Schulen sind nicht grundsätzlich als besonders gefährdet im Sinne des HSOG anzusehen. Es reicht deshalb nicht, wenn eine Schule mit Videotechnik die ihr obliegende Aufsichtspflicht zu optimieren beabsichtigt. Vielmehr bedarf es schwerwiegender Beeinträchtigungen, um den Einsatz von Videotechnik zum Schutz der Einrichtung im Hinblick auf den daraus resultierenden Grundrechtseingriff rechtfertigen zu können. Zu dem ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten. Der Einsatz von Videotechnik kommt dann in Betracht, wenn in der Vergangenheit schwere Sachbeschädigungen in dem zur Überwachung vorgesehenen Bereich zu verzeichnen waren oder wenn besonders schweren oder gehäuft vorkommenden Straftaten oder Bedrohungslagen entgegengewirkt werden soll (s.a. Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 25.01.2012, BverwGE 141, 329).

Für die Beurteilung der Verhältnismäßigkeit spielt die Eingriffstiefe der Maßnahme eine Rolle. Der Rechtseingriff ist gering, wenn es sich um eine Einbruchsicherung handelt und die Kameras nur außerhalb des Schulbetriebes, in den Ferien oder nur nachts in Betrieb genommen werden. Datenschutzrechtlich anders zu beurteilen sind Anlagen, die regelmäßig Schüler und Lehrer aufzeichnen. Derartige Anlagen sind an den Gesamtschulen Schenklengsfeld, Niederaula, Bebra sowie der Konrad-Duden-Schule und Schule an der Sommerseite (beide Bad Hersfeld) in Betrieb. Nach § 14 Abs. 4 HSOG ist der Videoeinsatz den Gefahrenabwehrbehörden erlaubt. Nach Satz 2 zählt dazu auch der Inhaber des Hausrechts. Bei Schulen ist das der Schulträger. Dieser muss abwägen, ob die jeweiligen Umstände innerhalb und außerhalb der Schule die Annahme einer besonderen Gefährdung rechtfertigen. Generell ist der Einsatz von Videotechnik im laufenden Schulbetrieb durch die Vorschriften des HSOG nicht darstellbar. Völlig inakzeptabel ist die Verwendung im Bereich der Toiletten. Hier wird dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit keinerlei Beachtung geschenkt. Verstopfte Toiletten und Vandalismus sind ein Ärgernis und inakzeptabel. Auch die Kosten für die Beseitigung mutwillig verursachter Schäden haben in der Regel beträchtliche Ausmaße. Diesen Auswüchsen jedoch mit Mitteln begegnen zu wollen, welche zunächst der Gefahrenabwehr vorbehalten sind, verstößt gegen das Übermaßverbot.

Im Gegenteil: es ist die Frage zu stellen, warum das Fehlverhalten einer verschwindend

geringen Minderheit dazu führt, die große Mehrheit derer, die sich innerhalb eines definierten Wertesystems korrekt verhalten, einem repressiv angelegten Überwachungsinstrumentarium

auszusetzen. Hier sollte auch der pädagogische Ansatz nicht unberücksichtigt bleiben. Eine der wesentlichen Aufgaben der Schule über die eigentliche Vermittlung von Wissen hinaus sollte es sein, die ihr anvertrauten Schülerinnen und Schüler zu mündigen, auch kritischen Staatsbürgern zu erziehen. Ein derartiger Anspruch wird jedoch von einer Videoüberwachung, die im Einzelfall von ihrem Umfang her einen fast allumfassenden Zustand erreicht hat (Gesamtschule Schenklengsfeld mit 22 Kameras in allen Bereichen außer den Klassenräumen und dem Lehrerzimmer) konterkariert.

Ich komme daher zu dem Ergebnis, dass eine Überwachung während der Anwesenheit von Schülern und Lehrern sich durch die aktuelle Rechtslage nicht darstellen lässt und auch nicht dem Lehr- und Erziehungsauftrag einer Schule entspricht. Der Einsatz von Kameras in Gängen oder dem Foyer der Schulgebäude kann allenfalls außerhalb des Schulbetriebs erfolgen. Aber auch hierzu bedarf es einschlägiger Vorfälle (Einbruch, Zerstörungen etc.), um den Einsatz von Videotechnik rechtfertigen zu können. Unberücksichtigt ist bislang zudem geblieben, dass der Schulträger gem. § 14 Abs. 3 i.V.m. Abs. 3 Satz 3 HSOG spätestens alles zwei Jahre die Voraussetzungen zu überprüfen hat, die den Einsatz einer Videoüberwachung ursprünglich gerechtfertigt haben. Eine derartige Prüfung und ggf. daraus abzuleitende Konsequenzen hinsichtlich eines Rückbaues ist bislang nicht erfolgt.

Schließlich wurden keine Verfahrensverzeichnisse zu den einzelnen Anlagen angefertigt, wie dies § 28 HSOG zwingend vorsieht.

Zusammenfassend bleibt folgendes festzuhalten:

1. Die Videoüberwachung der Toilettenvorräume an den Schulen in Schenklengsfeld, Niederaula und Bebra ist unzulässig.

2. Eine Aufzeichnung während des laufenden Schulbetriebs innerhalb und außerhalb

des Schulgebäudes ist ebenfalls unzulässig.

3. Die Erstellung von Verfahrensverzeichnissen gem. § 28 HSOG wurde unterlassen.

4. Einheitliche Regelungen hinsichtlich des Zugangs zu den Bildaufzeichnungen wurden

kurzfristig geschaffen, jedoch keine Verfahrensweise hinsichtlich der maximalen

Speicherdauer festgelegt.

5. Eine Überprüfung hinsichtlich der weiteren Erforderlichkeit der getroffenen Maßnahmen i.S.v. § 14 Abs. 4 Satz 3 i.V.m. Abs. 3 Satz 3 wurde nicht vorgenommen.

6. Die Hinweisschilder zur Videoüberwachung sind grundsätzlich richtig platziert und

deutlich sichtbar. Dennoch muss zum Ausdruck kommen, wer für die Überwachungsmaßnahme

verantwortlich zeichnet (also der Kreis als Schulträger) und in welchem zeitlichen Rahmen diese stattfindet (künftig wäre hier also der Hinweis, dass die Schule außerhalb des Schulbetriebs überwacht wird, erforderlich).

Daraus ergeben sich folgende Konsequenzen:

1. Die Videokameras in den Toilettenvorräumen sind abzubauen.

2. Ein weiterer Betrieb der Kameras in Gängen, Foyer, Eingangsbereich sowie dem

Außenbereich der Schulen (Wände, Schulhof) kann nur außerhalb des Schulbetriebs

stattfinden.

3. Die Hinweisschilder zur Videoüberwachung sind so zu gestalten, dass der Umstand

der Überwachung sowie die hierfür verantwortliche Stelle benannt wird (§ 14 Abs. 3

Satz 2 HSOG).

4. Für jede in Betrieb befindliche Anlage ist ein Verfahrensverzeichnis gem. § 28 HSOG

anzulegen.

5. Der Zugang zu den Anlagen, die Gründe für eine Einsichtnahme sowie Speicherfristen

sind in einer Dienstanweisung festzulegen." +++

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