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FULDA Urteil im Schlossgartenprozess

17-Jähriger zu 3 Jahre/3 Monate wg. Raub und Körperverletzung verurteilt

21.01.14 - Das Urteil im Schlossgarten-Prozess ist gefallen: kurz nach 17 Uhr erklärte der Richter im Namen des Volkes, dass der 17-jährige Hauptangeklagte für drei Jahre und drei Monate wegen gefährlicher Körperverletzung und schweren Raubes ins Gefängnis muss. Der 19-jährige Mitangeklagte bekam wegen Beihilfe zum Raub neun Monate, die für  drei Jahre auf Bewährung ausgesetzt werden und die Auflage von hundert Stunden gemeinnütziger Arbeit.

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Gestern um 15:30 sollte am Landgericht Fulda das mit Spannung erwartete Urteil im Prozess gegen zwei Jugendliche fallen, die im vergangenen Sommer eine Frau im Fuldaer Schlossgarten mit äußerster Gewalt überfallen hatten, um ihre Handtasche zu rauben. Doch Besucher und Pressevertreter waren umsonst pünktlich zum Termin gekommen. Zur Begründung hieß es erst, einer der beiden Angeklagten stecke im Stau. Doch der Richter berichtigte, man habe offenbar vergessen, den Hauptangeklagten H. rechtzeitig aus der Justizvollzugsanstalt Rockenberg in der Wetterau nach Fulda zu bringen. Die Urteilsverkündung ist deshalb auf den Nachmittag um 17 Uhr vertagt worden.

Versuchten Mord in Tateinheit mit schwerem Raub und gefährlicher Körperverletzung hatte die Anklage den beiden jugendlichen Tätern vorgeworfen, die seit Dezember letzten Jahres vor dem Landgericht Fulda verantworten müssen. Was das Opfer, eine angestellte Bauzeichnerin am 19. Juni letzten Jahres am hellen Nachmittag im Fuldaer Schlossgarten – mit schlimmen Folgen bis heute - erleben musste, ließ die Zuschauer im Gericht ratlos auf die beiden Angeklagten blicken. Keinem von beiden traute man die angeklagte brutale Gewaltattacke mit zahllosen Schlägen ins Gesicht und auf den Kopf des Opfers zu. Vor allem der 17-jährige Haupttäter wirkt völlig harmlos, ist klein und schmächtig, trägt eine Brille. Auch der 19-jährige Mitangeklagte sieht nicht wie ein passionierter Schläger aus.

"Honorierbare Verzichtsleistung"

Staatsanwältin Christine Dern war im Lauf des Prozesses von ihrem Mordvorwurf abgerückt. Die Beweisaufnahme, die auch einen Ortstermin am Tatort beinhaltete, habe ergeben, dass der 17-jährige Hauptangeklagte freiwillig von seinem Einschlagen auf das Opfer abgerückt sei, als er die Handtasche erbeutet hatte. Dieses juristisch so genannte "strafbefreiende Rücktrittsverhalten" werde als eine "honorierbare Verzichtsleistung" gewertet. Deshalb forderte die Anklagevertreterin viereinhalb Jahre für den Hauptangeklagten H. wegen schweren Raubes und gefährlicher Körperverletzung und drei Jahre Haft für den 19-Jährigen. Die Verteidigerin des 17-Jährigen hatte dagegen auf eine Bewährungsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten plädiert. 


Mutter des 17-Jährigen appellierte ans Gericht

Vor der bereits verschobenen Urteilsverkündung musste das Gericht ein Versäumnis einräumen: die gesetzliche Vertreterin des 17-jährigen Angeklagten hat das Recht auf eine letzte Äußerung vor Gericht, was ihr nun noch nachträglich eingeräumt wurde. Die Mutter des Haupttäters erklärte mit tränenerstickter Stimme ihr Bedauern über die Tat ihres Sohnes und deren schlimme physische und psychische Folgen für das 48-jährige Opfer. Sie hoffe sehr, dass die Frau bald vollständig genese. Für ihren Sohn hoffe sie, dass er in eine entsprechende Erziehungseinrichtung komme, dort seinen Schulabschluss machen könne und sein Leben wieder in den Griff bekomme.

Zwei Grundsatzerklärungen

Richter Joachim Becker machte vor der Urteilsbegründung zwei zusätzliche Bemerkungen. Zum einen betonte er, es habe sich hier um einen außergewöhnlichen Fall gehandelt: vor Gericht standen zwei strafrechtlich unauffällige, nicht vorbestrafte Ersttäter, von denen der eine sein Opfer mit unerklärlicher Brutalität misshandelt habe. Der andere sei nur am Rande beteiligt gewesen.

Die Öffentlichkeit habe auf den Überfall am hellen Tag sensibel und mit Verunsicherung reagiert. Dann führte Richter Becker die Unterscheidung zwischen Erwachsenen- und Jugendstrafrecht und den diesem zugrunde liegenden Erziehungsgedanken aus – sicher um harten Reaktionen des Publikums auf das relativ milde Urteil entgegenzuwirken. Mindestens ein Zuhörer hatte zuvor bereits lautstark seine Ansicht vertreten, die beiden Angeklagten gehörten hinter Gitter „oder am besten nach Sibirien". Doch das Jugendstrafrecht hat ausdrücklich nicht die Vergeltung von Schuld oder die Generalprävention zum Ziel, sondern will gerade Ersttätern einen Weg zur Umkehr in die Gesellschaft ermöglichen.

Den Tathergang schilderte Richter Becker wie ihn zuvor die Beweisaufnahme ergeben und im wesentlichen auch beide Angeklagte zugegeben hatten. Der 17-Jährige hatte sein Opfer im Schlosspark mit einem schweren Zündkerzenschlüssel aus Eisen zu Boden geschlagen. Beide Jugendliche raubten die Hand- und Einkauftstaschen und flüchteten, während die 48-Jährige schwer verletzt zurückblieb. Klar war, dass der Ältere von der plötzlichen Gewaltorgie des Jüngeren überrascht war und sich auch nicht daran beteiligte, wohl aber eine der Taschen schnappte und auch von den 30 Euro Beute profitierte.

Strafmildernd wurde dem 17-Jährigen zugute gehalten, dass er freiwillig aufgehört habe, auf die Frau einzuschlagen. Der Gesetzgeber wolle mit dem Rücktrittsgedanken dem Täter „eine goldene Brücke bauen", ihn sozusagen dafür belohnen, dass er von der Tat ablasse, und nehme dafür in Kauf, dass er straffrei ausgehe. Deshalb sei auch die ursprüngliche Mordanklage fallen gelassen worden und schwerer Raub und schwere Körperverletzung übrig geblieben. Bei keinem der beiden Täter habe das Gericht „schädliche Neigungen" festgestellt. Ihr weitgehendes Geständnis und die Tatsache, dass sich beide beim Opfer für die Tat entschuldigt hatten, sei ihnen strafmildernd angerechnet worden.

Alle Prozessbeteiligten zeigten sich mehr oder weniger mit dem Strafmaß einverstanden. Auch der Ehemann des Opfers erklärte, ihm und seiner Frau liege jede Rache fern, sie seien froh darüber, „dass es jetzt vorbei ist". Ob einer der Verteidiger vom Recht auf Revision Gebrauch machen wird, ist noch nicht klar.+++ Carla Ihle-Becker


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