Abschied von einer großartigen Journalistin und Frau:
zum Tod von Gabriele Weigand-Angelstein
16.11.2010 FULDA. Sie mochte nicht, wenn jemand sie Gabi nannte. Die verniedlichte Form ihres Vornamens passte auch nicht zu ihr – sie war respektabel – eine gestandene Frau und hochprofessionelle Journalistin, die ihr Handwerk von der Pike auf gelernt hatte. In der Nacht zum
vergangenen Samstag ist Gabriele Weigand-Angelstein mit 57 Jahren plötzlich gestorben – für ihre Familie und uns
Mitglieder in der Redaktion von "osthessen-news.de" und der
medienkontor fulda GbR völlig unerwartet, bestürzend und unfassbar.
Noch am Donnerstagabend hatte sie mir gesagt, sie habe beschlossen, sich in der gerade gestarteten Kampagne um die Inhalte unseres Portals
von osthessen-naerrisch.de zu kümmern und uns damit zu entlasten. Ich wusste von ihr, dass sie eigentlich nicht zu den glühenden Anhängern der fünften Jahreszeit gehörte - eher im Gegenteil. Doch wenn einer von uns über langwierige Karnevalssitzungen jammerte, erinnerte sie daran, dass sie über fast vier Jahrzehnte lang witzige und gelungene Berichte über die Fuldaer Foaset abgeliefert hatte, ohne dass irgendjemand je gemerkt hatte, dass sie nicht wirklich ein Fan war. „Das ist professioneller Journalismus“, sagte sie dann stolz – und sie hatte Recht damit. Ein guter Journalist kann über alles schreiben, findet
auch am einfachen Verein etwas Spannendes und beherrscht vor allem sein Handwerkszeug – seine Muttersprache. Gabriele hat
als gelernte Rechtsanwalts- und Notarsgehilfin zusätzlich ein Volontariat bei der
"Fuldaer Volkszeitung" Anfang der Siebziger Jahre gemacht, wo sie auch ihrem späteren Mann
Martin Angelstein begegnete und als Familie zwei Töchter aufzog. Ab
Mitte der Siebziger Jahre war sie beim Hessischen Rundfunk die
Osthessen-Korrespondentin für die Regionalnachrichten, lernte „Beiträge zu bauen“ und
schrieb regelmäßig für Nachrichtenagenturen wie Associated Press
oder die Frankfurter Rundschau.
Ohne sie gebe es weder das Journalistenbüro Angelstein, noch das Medienkontor Fulda
als TV-Produktion geschweige denn das Internetportal osthessen-news.de. Als ich mich vor elf Jahren auf eine Chiffre-Anzeige „Renommiertes Journalistenbüro sucht…“ als Redakteurin bei Angelsteins bewarb, umging ich die Anonymität und schrieb direkt in die Neuenberger Straße. Meine Begründung: es gab und gibt in Fulda nur genau e i n renommiertes Journalistenbüro – nämlich jenes, für das Gabriele ihre ganze Arbeitskraft, Phantasie, ihre Ideale, Ideen und ihre Zeit investiert hat. Dabei war die Rollenverteilung zwischen ihr und Martin exakt geregelt: während er jeden Tag – und vor allem jede Nacht - neue Pläne ausbrütete, brachte sie ihre gesunde Bodenständigkeit, ihren hellsichtigen Realismus und auch ihre Bedenken ein, prüfte, recherchierte gründlich, verwarf Unausgegorenes und sorgte dafür, dass aus Blitzeinfällen fundierte Projekte wurden.
Ihre Gründlichkeit und ihre Genauigkeit brachten ihr manchmal den Vorwurf ein, sie habe wieder eine „Doktorarbeit“ verfasst. Doch wenn sie ihr Kürzel gw unter einen Artikel, eine Kolumne oder Glosse setzte, dann war er tatsächlich „rund“: hervorragend geschrieben, fehlerfrei und hielt nicht mit einer dezidierten Meinung hinter dem Berg. Gabriele sagte immer, was sie dachte, hielt auch mit heftiger Kritik nicht zurück, konnte poltern und schimpfen wie ein Rohrspatz und hatte keinen falschen Respekt vor A- oder B-Promis, Amts- und Würdenträgern. Dabei hielt sie immer engen Kontakt – nicht nur zu allen im Team, sondern auch zu unseren Lesern, mit denen sie vorzugsweise nachts per E-Mail korrespondierte.
Ihr besonderes Talent, das Wesentliche einer komplizierten Geschichte herauszuarbeiten, ging mit ihrer Fähigkeit einher, Interviewpartner zu überraschend ehrlichen Aussagen zu motivieren. Als zum Beispiel noch alle Welt rätselte, was die Werbeagentur Jung von Matt 2001 bewogen haben mochte, Fulda in einer Sixt-Werbung als deprimierendste Stadt Deutschlands zu verunglimpfen, hatte Gabriele in einem Telefon-Interview aus dem Kampagnenschreiber herausgefragt, was wirklich dahintersteckte: der Werbetexter pflegte einen ganz subjektiven Zorn auf die Barockstadt, weil er sich hier mit einer vielversprechenden Urlaubsbekanntschaft verabredet hatte – die ihn jedoch schmählich sitzen ließ.
Für uns alle ist es noch völlig unvorstellbar, dass sie ihren Platz am Schreibtisch, in der Redaktion und im Leben ihrer Familie und unter uns Kollegen für immer verlassen haben soll. Ihr Temperament und ihr lautes Lachen waren ansteckend und konnten die Wände wackeln lassen. Mit Kummer, aber auch in großer Dankbarkeit nehmen wir Abschied von einer starken Frau. Wir vermissen Gabriele und werden sie nicht vergessen.
Carla Ihle-Becker - für die Redaktion
(PS: Schmerzhafter Gedanke, dass sie meinen Text diesmal nicht gegenliest…)
Martin Angelstein
Das Team:
Carla Ihle-Becker
Hans-Hubertus Braune
Klaus Dehnhard
Kerstin Depenbrock
Julian Dern
Florian Dietz
Tina Heppenstiel
Patricia Kümpel
Bettina Masché
Sascha Poldrack
Marion Pradel
Dennis Schmelz
Nicole Wagner
und alle freien Mitarbeiter
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