Sensationsurteil imVW-Abgasskandal:


Kläger erhält Neuwagen für Schummel-Diesel

Dr. Tarek L. Bary ist Rechtsanwalt in der Kanzlei Muth & Partner mbB in Fulda. Seine Beratungsschwerpunkte liegen im Wirtschafts- und Steuerrecht. In der Kolumne „O|N Ratgeber: RECHT“ schreibt er einmal im Monat über aktuelle Rechtsthemen.

In der Diskussion um die Konsequenzen aus dem VW-Abgasskandal hat das Landgericht Regensburg ein Sensationsurteil gesprochen: Erstmals ist ein Händler dazu verurteilt worden, dem Käufer einen Neuwagen nachzuliefern, ohne dass der Käufer für die Nutzung des bisherigen Fahrzeugs eine Nutzungsentschädigung zahlen muss.

Geklagt hatte ein Käufer, der im Jahr 2015 einen Seat Alhambra 2,0 TDI bei einem Vertragshändler erworben hatte. Als der VW-Abgasskandal durch die Presse ging, stellte der Käufer fest, dass auch in seinem Fahrzeug ein Motor verbaut war, der von den Manipulationsvorwürfen betroffen war. Er zog vor Gericht und forderte, dass ihm im Gegenzug für das von der Manipulationssoftware betroffene Fahrzeug ein Neufahrzeug geliefert werde. Am 04.01.2017 erhielt der Kläger vor dem Landgericht Regensburg (Az. 7 O 967/16) Recht.


Hierbei ging das Gericht davon aus, dass das Fahrzeug einen erheblichen Mangel aufwiese. Der Käufer müsse nicht erwarten, dass in dem Fahrzeug eine Software verbaut ist, die den Schadstoffausstoß auf dem Rollenprüfstand optimiert. Der Käufer könne wegen dieses Mangels frei wählen, ob er die Beseitigung dieses Mangels oder die Nachlieferung einer neuen Sache verlangen wolle. Hier entschied sich der Kläger im Rahmen der Klageerhebung für die Nachlieferung eines neuen Fahrzeugs.

Die große Besonderheit an diesem Fall: Nutzungsersatz für die bisher mit dem „alten“ Fahrzeug gefahrenen Kilometer schuldete der Käufer nicht und musste sich solche nicht anrechnen lassen. Denn für Verträge mit Verbrauchern gelten besondere kaufrechtliche Regelungen (sog. Verbrauchsgüterkauf). Eine von diesen Regelungen ist § 474 Abs. 5 Satz 1 BGB, nach dem im Falle der Nachlieferung einer Sache wegen Mangelhaftigkeit ein Verbraucher keinen Nutzungsersatz schulde. Von dieser Besonderheit machte das Landgericht Regensburg Gebrauch und entschied, dass der Kläger keinerlei Nutzungsersatz zu zahlen habe.


Der Händler konnte sich auch nicht mit dem Argument verteidigen, dass das damals gekaufte Modell in dieser exakten Ausstattung nicht mehr vorhanden sei. Dies könne deshalb nicht sein, weil nach den eigenen AGB des Händlers der Käufer eines Fahrzeugs weitgehende Konstruktions- oder Formänderungen ohnehin bei der Lieferung hinnehmen müsste und dies umgekehrt auch für den Verkäufer gelten müsse.

Es steht zu erwarten, dass viele Käufer sich an dem Regensburger Fall ein Beispiel nehmen und versuchen werden, einen Anspruch auf Nachlieferung eines Neufahrzeuges geltend zu machen. Dies ist natürlich deshalb besonders attraktiv, weil nach dem beschriebenen Urteil für die bisherige Laufleistung des Fahrzeugs keinerlei Nutzungsersatz geschuldet wird. Ob die übrigen Land- und Oberlandesgerichte dem Landgericht Regensburg folgen werden, kann mit Spannung erwartet werden. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.