Hessenpokal: Kickers Offenbach schlägt auf

Trainer Parlatan: SG Barockstadt steht für Einstellung, Mentalität, Leidenschaft

O|N-Archivfotos - Ersan Parlatan, hier noch für Steinbach Haiger tätig

23.02.2023 - Das Städtische Stadion in der Johannisau hat schon so manches interessante Duell gesehen - jenes am Samstag aber macht extrem neugierig. Nicht nur wegen der langen Pause den Winter über. Nun ist Pokal-Zeit. Und Derby-Zeit. Und es ist ein ansprechender Vergleich zweier Regionalligisten. Im Viertelfinale des Fußball-Hessenpokals fordert die SG Barockstadt Fulda-Lehnerz den Traditions- und Kultverein Kickers Offenbach heraus, Anstoß ist um 14 Uhr. OSTHESSEN|NEWS hat mit OFC-Trainer Ersan Parlatan (45) gesprochen. 



Beide Teams qualifizierten sich mit Auswärtssiegen für die Runde der letzten Acht: Die SGB gewann 6:0 bei Dersim Rüsselsheim, der OFC 3:1 beim Hessenligisten Türk Gücü Friedberg. Auf den Sieger des Duells zwischen der SGB und Offenbach wartet erneut eine Herausforderung: Im Halbfinale geht's zu einer anderen Traditionsstätte hessischen Fußballs - am Dienstag, 21. März, ist der FSV Frankfurt in der PSD-Arena am Bornheimer Hang der Gegner. Offenbachs Pokal-Historie: 1970 DFB-Pokalsieg, dreimal Halbfinale (1972, 1973, 1974), fünfmal Viertelfinale.

O|N: Herr Parlatan, zwei Siege noch - dann winkt die Teilnahme am DFB-Pokal. Jener Wettbewerb, in dem der OFC einst für Furore sorgte. 1970 gewann er den Cup im Finale gegen den 1. FC Köln ...

OFC-Fans ...

Ersan Parlatan: Wir sollten davon ausgehen, auf jeden Fall ins Finale des Hessenpokals zu kommen. Ob es dann zur Teilnahme am DFB-Pokal reicht, hängt ja auch vom Abschneiden des Drittligisten Wehen-Wiesbaden ab. Doch diese Szenarien sind für mich noch zu weit weg. Ich befasse mich erstmal nur mit der Aufgabe am Samstag. Wir müssen zusehen, dass wir erst einmal eine Runde weiterkommen - gegen einen Gegner auf Augenhöhe. 

O|N: Sie betrachten die SG Barockstadt als Gegner auf Augenhöhe?

Parlatan: Ja, wir gehen natürlich mit Respekt in die Partie. Die SG Barockstadt hat bisher eine sehr gute Spielzeit hingelegt. Sie steht für Einstellung, Mentalität und Leidenschaft. Darüber hinaus verfolgt sie einen spielerischen Ansatz. Und sie hat wiederholt gezeigt, dass sie das auch auf den Platz bringen will. Ich schätze ihre Leistung. 

O|N: Welche Erinnerungen haben Sie an den 6. August vergangenen Jahres?

Parlatan: Ich weiß, dass wir mit Steinbach Haiger 1:0 verloren haben in Fulda. Wir haben damals nicht so gut gespielt, besonders in der Anfangsphase. Die SG Barockstadt hat genau die Sachen beherzigt, die sie auszeichnet - und sie auf den Platz gebracht. Wir sind auf großen Widerstand gestoßen. Auf großen Willen. Keine Frage: Es war ein verdienter Sieg für Fulda. 

O|N: Sie haben die SGB kürzlich im Test gegen den KSV Baunatal gesehen. Haben Sie Erkenntnisse gewonnen?

Parlatan: Sie ist im Großen und Ganzen so aufgetreten, wie ich sie in den Spielen zuvor schon kannte. 

O|N: Was für ein Spiel erwarten Sie am Samstag?

Als die ...

Parlatan: Für uns ist es ein ganz wichtiges Spiel - für mich mindestens so wichtig, wenn nicht wichtiger, als unser Auftaktspiel in der Meisterschaftsrunde der Regionalliga gegen den FSV Frankfurt. Wir wollen unseren Titel verteidigen, und darauf werden wir uns bestmöglich vorbereiten. Wir werden alles ausblenden. Ich sehe uns nicht als Favorit. Wir müssen an unsere maximale Leistung kommen, das Spiel und die Platzverhältnisse annehmen und über den Willen kommen - wenn wir nachher im Halbfinale stehen wollen. 

O|N: Der OFC hat am Sonntag gegen die U23 der TSG Hoffenheim getestet. Wo steht ihre Mannschaft am Ende der Vorbereitung?

Parlatan: Wir haben ordentliche Spiele gemacht. Aber auch eins oder zwei, die nicht meinen Vorstellungen entsprochen haben. Das ist ein Prozess, den man gehen muss. Wir hatten ein paar Veränderungen im Kader, und unsere Entwicklung ist noch nicht abgeschlossen. Wir müssen unser Offensivspiel verbessern, mehr Torgefahr entwickeln und konsequenter abschließen. Wir müssen noch dominanter auftreten, noch mehr Chancen kreieren. Doch, wie gesagt, das ist ein Prozess, der zäh ist.

O|N: Apropos Veränderungen. Welche gab es?

Parlatan: Mit Törles Knöll (wechselt in die zweite kroatische Liga) und Jakob Lemmer haben uns zwei wichtige Offensivspieler verlassen. Lemmer war unser bester Scorer. Mike Feigenspan (der 27-Jährige kommt vom Drittligisten Meppen) ist zu uns gestoßen. Auch zwei, drei Spieler unserer U19 trainieren regelmäßig mit, damit sie schneller integriert werden können.

O|N: Verraten Sie uns ihren fußballerischen Ansatz, ihre Spielphilosophie?

Parlatan: Sehr dominanten Fußball zu spielen. Das Spiel, Tempo und Rhythmus zu bestimmen. Und dabei zielgerichtet, zielorientiert zu sein.

O|N: Seit 12. Oktober sind Sie Cheftrainer von Kickers Offenbach. Vier Tage später haben Sie das erste Spiel mit 2:0 bei der U23 des VfB Stuttgart gewonnen. Bis heute haben Sie in neun Spielen 19 Punkte geholt und sechsmal gewonnen. Was hat sich fußballerisch seitdem getan?

3-Spiele-Coach ...

Parlatan: Wir haben uns im Spiel gegen den Ball stabilisiert. In der Kompaktheit, sowohl in der Breite als auch in der Tiefe, arbeitet die Mannschaft aus einer Struktur heraus zusammen. Ganz wichtig: Jeder hat etwas beigetragen zum Erfolg. Wir haben ja auch einige Spiele durch Einwechsler gewonnen, die getroffen oder vorgelegt haben. Es geht darum, die Spieler wahrzunehmen, sie wertzuschätzen und ihnen Hilfestellung zu geben als Bestandteil der Mannschaft. Auch mit Hilfe meiner Sozialkompetenz haben wir daran gearbeitet. Und das Entscheidende: die Mannschaft hat es geschafft, das auch auf dem Platz zu zeigen.

O|N: Zu Saisonbeginn waren Sie noch als Trainer bei Steinbach Haiger tätig, nach fünf Spielen wechselten Sie als Co-Trainer zum Zweitligisten 1. FC Nürnberg - und Anfang Oktober an den Bieberer Berg. Ein stolzer Wert, auch für einen Trainer sind drei Stationen in solch kurzer Zeit etwas nicht Alltägliches. Oder?

Parlatan: Ich bereue keinen Schritt. Im Gegenteil. Sie alle bringen mich voran. Und das Schöne: dass gleich eine neue Anfrage da war, spricht doch auch für einen. Manchmal passieren halt Dinge, mit denen man nicht rechnet. Auch und vor allem im Fußball.

O|N: Was hat Sie an der Aufgabe in Offenbach gereizt? Warum haben Sie zugesagt?

Parlatan: Ich musste da überhaupt nicht überlegen. Das ist ein Riesen-Traditionsverein, der seit Jahren aus dieser Liga raus will. Mein Ziel ist es - auch nach zweieinhalb Jahren als Co-Trainer in der ersten türkischen Liga, bei Göztepe Izmir und Konyaspor - auch in Deutschland im Profi-Bereich zu arbeiten. Und ich will Teil davon sein, den Weg in Offenbach mitzugestalten, dort mit anzupacken.

O|N: Der OFC liegt in der Meisterschaftsrunde auf Platz 3. Wie schätzen die Chancen auf den Aufstieg ein?

Möchte ...

Parlatan: Ich glaube immer noch daran. Acht Punkte beträgt unser Rückstand auf den Ersten aus Ulm, und es sind noch ein paar andere Mannschaften dabei, die das gleiche Ziel wie wir vor Augen haben. Gegen Offenbach will zudem jeder gewinnen. Wir müssen auf uns schauen, unsere Hausaufgaben machen und streben die bestmögliche Punkteausbeute an. Und selbst wenn wir es in dieser Serie nicht schaffen sollten, dann schaffen wir es halt in der nächsten. Ich will dabei sein, den Verein höher zu bringen, und es geht darum, die Ressourcen auszunutzen.

O|N: Sie sind gebürtiger Berliner - und besitzen neben der deutschen natürlich auch die türkische Staatsbürgerschaft. Sind sie auch vom Erdbeben in der Grenzregion zu Syrien betroffen?

Parlatan: Zum Glück nicht. Ich kenne viele Leute aus dieser Region, die dort leben und arbeiten. Das geht einem nahe. 

O|N: Sie waren - als Spieler und Trainer - schon bei zahlreichen Vereinen tätig. Nennen Sie uns Höhepunkte ihrer Laufbahn

Parlatan: Als Spieler habe ich in den deutschen U-Nationalmannschaften gespielt: in der U16 unter Bernd Stöger als Trainer, in der U17 unter "Dixie" Dörner. Da bleiben mir vier Länderspiele gegen die Türkei in Erinnerung. Das war für mich etwas Besonderes. Auch, weil mein Vater und meine Mutter vor Ort waren. Ich sehe mich als Türke - bin aber in Deutschland geboren und aufgewachsen ...

O|N: ... und als Trainer?

Parlatan: Bei der Stadion-Einweihung von Göztepe Izmir. Göztepe ist ein Stadtteil der türkischen Großstadt. Das war im Januar 2020 - kurz vor Ausbruch der Corona-Pandemie. Das Stadion war mit 25.000 Zuschauern ausverkauft. Göztepe hat fantastische Fans, ähnlich wie Union Berlin oder St. Pauli. Wir haben gegen Besiktas Istanbul 0:1 zurückgelegen - aber noch 2:1 gewonnen....

O|N: ... und als Cheftrainer?

Parlatan: Das war bei Kickers Offenbach: der 3:1-Heimsieg gegen Ulm. Es war ein Freitagabend. Ein tolles Fußballspiel von beiden Seiten - und mega-Stimmung. Unsere Fans waren ganz laut, mit knapp achttausend gefühlt genauso laut wie die in Izmir. Und die Atmosphäre von den Rängen hat sich übertragen aufs Spielfeld - und umgekehrt. Es war ein Highlight-Spiel. Meine Familie und Freunde waren da. Es war Spitzen-Regionalliga-Fußball. Mit Kulisse und Ambiente. (wk) +++