Osthessen gehört bundesweit zu den Regionen mit den häufigsten Versteifungsoperationen an der Lendenwirbelsäule. Eine Ursache hierfür ist die Diagnose Wirbelgleiten. Ein Grund für mich, in vereinfachter, verständlicher Form den betroffenen Patienten aufzuklären.
Was ist Wirbelgleiten (Spondylolisthesis)?
Als Wirbelgleiten bezeichnet man das Gleiten eines Wirbelkörpers über dem nächsttieferen Wirbel nach vorn (Anterolisthesis) oder nach hinten (Retrolisthesis). Bei einem Teil der Bevölkerung bleibt das Wirbelgleiten größtenteils beschwerdefrei und deshalb unbemerkt. Der 5. Lendenwirbelkörper ist mit 80% am häufigsten betroffen, der 4. Lendenwirbelkörper mit 15% am zweithäufigsten. Da etwa die Hälfte der Patienten mit Wirbelgleiten über lange Zeit klinisch asymptomatisch bleiben, ist bei chronisch wiederkehrenden Rückenschmerzen auch an ein Wirbelgleiten zu denken und eine entsprechende Diagnostik einzuleiten.
Was sind die Ursachen für das Wirbelgleiten?
1) Angeborene Fehlbildung der Wirbelsäule, wie z. B. Spaltbildung im Wirbelbogen (Spondylolyse)
2) Degenerative Veränderungen (Verschleiß) an der Wirbelsäule
3) Unfälle
Typische Beschwerden des Wirbelgleitens sind bewegungs- und belastungsabhängige Kreuzschmerzen oder Schmerzausstrahlungen in den Beinen. Zum Teil finden sich auch neurologische Symptome bei höheren Graden des Gleitwirbels, da es dann zur zunehmenden Einengung der Nervenwurzel kommt. Des Weiteren finden sich bei manchen Patienten Instabilitätsgefühle im Bereich der Lendenwirbelsäule.
Wie wird die Diagnose gestellt?
-Röntgenaufnahmen der Lendenwirbelsäule
-Funktionsaufnahmen der Lendenwirbelsäule, um Instabilität zu beurteilen
-Bildgebende Untersuchungen mit dem MRT (hier besteht keine Belastung mit Röntgenstrahlung)
Welche Therapie kann bei Wirbelgleiten helfen?
Die ausführlichen Analysen der Patientenbeschwerden und die Ergebnisse der radiologischen Untersuchungen verlangen einen individualen, stufenweisen Therapie-Plan. Grundsätzlich stehen uns folgende Behandlungsmöglichkeiten zur Verfügung:
Konservative Therapien
- Medikamentöse Schmerztherapie
- noch effektiver ist die CT-gesteuerte Schmerztherapie
Bei der CT-gesteuerten Schmerztherapie handelt es sich um ein besonders präzises Verfahren. Dabei werden per computertomographischer Planung (in Bauchlage des Patienten) feine Nadeln millimetergenau an die schmerzenden Strukturen, wie Wirbelgelenke, Nervenwurzeln oder ggf. auch an einen Bandscheibenvorfall, herangeführt. Nach Kontrolle der Nadellage werden z.B. die Wirbelgelenke oder aber eine Nervenwurzel mit betäubenden und entzündungshemmenden Medikamenten infiltriert.
- Physiotherapie
- Muskeltraining bzw. Muskelaufbau
Das Wirbelgleiten wird in den meisten Fällen konservativ therapiert. Der Gleitvorgang kann spontan in jedem Stadium zum Stillstand kommen. Je weiter jedoch der Wirbel gleitet, desto größer wird die Wahrscheinlichkeit für das Auftreten von neurologischen Symptomen und die Notwendigkeit einer operativen Intervention.
Operative Behandlung
Ziel der Therapie des Wirbelgleitens ist die Schmerzbeseitigung oder -reduktion, die Beseitigung von evtl. vorhandenen neurologischen Symptomen und die Verhinderung der weiteren Progredienz der Erkrankung. Es stehen grundsätzlich zwei standardisierte OP-Arten zur Wahl:
a) Minimal-invasive Entlastungsoperationen (in der Regel unter Mikroskop): Diese Operationen haben eine kurze Operationsdauer, eine sehr geringe Komplikationsrate und einen kurzen Heilungsprozess. Nachteil: Es kann bei einem Teil der Patienten später doch eine Versteifungsoperation notwendig werden.
b) Primäre Versteifungsoperationen (sog. Spondylodese) über ein oder mehrere Segmente: Diese OP-Technik ist mit höheren Komplikationsraten, sowie langen Heilungsprozessen verbunden. Ein weiterer Nachteil ist die Überbelastung der benachbarten Segmente (Anschluss-Degeneration) und die damit verbundene Notwendigkeit weiterer Operationen.
Wann wird operiert?
- bei massivem Leidensdruck und Versagen der konservativen Therapie
- bei Zunahme des Wirbelgleitens bzw. Zunahme der Instabilität an der Wirbelsäule
- bei neurologischen Ausfällen
Grundsätzlich sollten Sie vor Operationen an der Wirbelsäule nach Alternativen und Erfolgschancen einer Operation fragen und immer weitere Meinungen von kompetenten Fachärzten einholen.
Dr. Samir Al-Hami
(V.i.S.d.P.) +++