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21.11.12 - EICHENZELL

Abschied: "War nie in der Kirche" - Gespräch mit Trauerredner REINICKE

Sie müssen Abschied nehmen von einem lieben Menschen. Der Tod hat eine Lücke in Ihr Leben gerissen. "Mein Partner war nie in der Kirche. Wer spricht nun die Worte am Grab?" - diese oder ähnliche Fragen stehen oft unerwartet im Raum. Seit Beginn dieses Jahres gibt es den "Trauerredner Fulda" - er begleitet Familienmitglieder und Angehörige in den schweren Stunden des Abschieds. Er findet Worte, wenn andere weinen und spricht über Menschen, die er nie kannte.

 

Trauer und Schmerz könne von niemandem abgenommen werden, aber eine Begleitung in dieser Stunde sei eine "wertvolle Hilfe", sagt Olaf Reinicke (44 / nebenstehendes Foto) - er ist zertifizierter Trauerredner. "Worte können helfen zu erinnern, können Trost spenden und den Verstorbenen ehren."

Im nachfolgenden Interview mit "osthessen-news"-Reporter Christian P. Stadtfeld hat Trauerredner Olaf Reinicke über seine Arbeit gesprochen. Er erklärt, was für ihn dieser "wertvolle Dienst" bedeutet, wie er mit Trauer und Leid umgeht und wie er eine "Abschiedsfeier" gestaltet.

Was kann man sich unter einem Trauerredner vorstellen?

"Trauerredner ist die allgemeine Berufsbezeichnung für "weltliche Redner", "freie Sprecher", ... zum Abschied von Verstorbenen und zur Begleitung der Hinterbliebenen mit einem freien Ritual, einer weltlichen Trauerfeier."

Sie sind also so etwas wie ein Ersatz für einen Geistlichen bei der Beisetzung?

"Oberflächlich betrachtet könnte man es so sagen. Jedoch mit einem Blick in die Tiefe ist das der falsche Ansatz. Fragen Sie sich doch einmal, warum Beerdigungen und Abschiedsfeiern immer von kirchlichen Vertretern gestaltet werden? Besteht die Möglichkeit, dass es einfach so ist, weil es schon immer so war? Wer fest im Gefüge einer Kirche verankert ist, für den mag es zutreffend sein, dass er auch auf seinem letzten Weg durch einen Geistlichen begleitet wird. Was ist jedoch mit den Menschen, die aus Überzeugung ein Leben ohne kirchliche Grundsätze führen?"

Das bedeutet, dass Sie nur für Trauerfeiern außerhalb der Kirche zur Verfügung stehen?

"Nein. Mein Angebot richtet sich an alle, die meine Begleitung in der Stunde des Abschieds wünschen. Es liegt mir fern, den Kirchen in irgendeiner Art und Weise Konkurrenz zu machen. Auch ist es mir nicht möglich den Segen der Kirche zu spenden. Wer jedoch eine allgemein-christliche Begleitung wünscht, kann diese, in dem mir zur Verfügung stehenden Rahmen bekommen. Für alle, die eine Beisetzung ohne kirchlichen Bezug wünschen, gestalte ich die Feier so, wie es dem Leben des Verstorbenen angemessen ist."

Wie kann ich mir eine Trauerfeier, durch Sie gestaltet, vorstellen?

"Trauerfeier ist ein weit verbreiteter Begriff, der mir persönlich nicht gefällt. Ich ersetzte ihn gern durch den Begriff: "Abschiedsfeier". Die Hinterbliebenen nehmen Abschied. Abschied kann auf sehr verschiedene Weise genommen werden. Genau dieser Punkt lässt für die Feier einen sehr großen Spielraum. In der Gestaltung gehe ich auf die Wünsche des Verstorbenen und der Angehörigen ein. Eine nicht-kirchliche Beisetzung unterliegt keinen Ablaufzwängen. Solange es im Sinn des Verstorbenen ist und den gesetzlichen Vorgaben in Deutschland nicht widerspricht, ist fast alles möglich.

In der Rede wird das Leben des Verstorbenen dargestellt und gewürdigt. Was zeichnete ihn aus? Wo lagen seine Ziele und Wünsche? Was hat er hinterlassen? Die Rede ist sozusagen eine Gedenkrede. Jeder Mensch ist einmalig. Dieser Gedankengang ist das Grundkonzept meiner Arbeit. Die Ausgestaltung der Feier mit Musik und anderen Elementen muss zum Gesamtkonzept passen. Es ist einer Abschiedsfeier unwürdig, wenn der Verstorbene sein ganzes Leben nur Rockmusik gehört hat und zu seinem Abschied wird Bach oder Händel gespielt. In diesen Dingen passe ich mich ganz den entsprechenden Wünschen an. So verschieden wie die Umstände des Todes und des Lebens eines Menschen sind, so verschieden und trotzdem individuell kann eine Abschiedsfeier sein."

Auf Ihrer Homepage steht etwas von "Trauerritualen". Was kann ich mir darunter vorstellen?

"Es gibt viele Rituale, die in der Trauerbewältigung Eingang finden. Rituale sind Handlungen mit Symbolkraft. Für die Trauernden können sie eine Form des Haltens, der Erinnerung und der Trauerverarbeitung sein. Die Möglichkeiten sind sehr weit gefächert. Um nur einige praktische Beispiele zu nennen, es gibt Rituale mit Blumen, Bäumen, Kerzen, persönlichen Gegenständen usw.

Leider sind die Abschiedsfeiern auf den Friedhöfen sehr oft von Zeitdruck bestimmt. So kann beispielsweise die Trauerhalle nur für 45 Minuten frei sein, danach ist schon die nächste Beerdigung an der Reihe. Mit einem solchen Zeitdruck ist es fast unmöglich ein gelungenes Trauerritual im Rahmen einer Abschiedsfeier zu gestalten. Die einzige Alternative hierzu ist eine Feier außerhalb des Friedhofes."

Eines Ihrer Angebote ist eine Vorsorgerede. Wer sorgt hier für wen vor?

"Dieses Angebot richtet sich an alle, die ihre Beisetzung selbst, schon zu Lebzeiten, vorplanen möchten. Besonders spreche ich in diesem Bereich Menschen an, die schwer erkrankt sind und wissen, dass ihre Lebenszeit dem Ende entgegen geht. Gemeinsam mit ihnen bespreche ich die Abschiedsfeier und ihre Ausgestaltung. Eine Rede wird zwar von mir geschrieben, jedoch sind es die letzten Worte der Person, welche sie mir vorgibt. Es ist seine Rede, es sind seine Worte, es ist sein Abschied."

In Ihrer Arbeit werden Sie viel mit Tränen und Trauer konfrontiert. Woher nehmen Sie die Kraft, damit umzugehen?

"Zum Einen bin ich in der Ausbildung auf solche Situationen vorbereitet worden, zum Anderen schöpfe ich die Kraft aus der Arbeit selbst. Dietrich Bonhoeffer sagte einmal: "Das Wort, das dir hilft, kannst du dir nicht selber sagen." Wenn es mir gelingt, gerade dieses eine Wort zu sagen oder ein dankbarer Händedruck, ein Lächeln und ein einfaches: "Danke, das haben Sie schön gemacht.", zurückkommt, ist mir das Kraftquelle und Motivation genug."

Vielen Dank für das Gespräch! Nähere Informationen gibt es unter: http://www.trauerredner-fulda.de   (cps). +++

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