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28.11.12 - BRÜSSEL
"Der Milchmarkt brennt" - Bauern lassen EU ihre Wut spüren - BILDER (73)
„1.000 Schlepper nach Brüssel" und „Der Milchmarkt brennt". Unter diesem Motto hatten das Europäische Milchboard (EMB) und der Bund deutscher Milchviehalter (BDM) zu einer Großdemonstration vor das Europäische Parlament nach Brüssel eingeladen. Es folgten weit mehr als 1.000 Schlepper aus vielen Teilen Europas, sogar ein kleiner Konvoi aus dem 1.300 Kilometer entfernten Lettland, dieser Einladung. Zusammen mit mehreren Hunderten Milchbäuerinnen und Milchbauer, darunter Delegationen aus Lettland, Slowenien und Polen, legten sie am Montag und Dienstag fast den kompletten Verkehr um das Parlamentsgebäude lahm.
Mit dabei: ein Schlepperkonvoi aus Rhön und Vogelsberg sowie aus Franken und der Oberpfalz, die am Freitag beziehungsweise am Samstag von Fulda-Haimbach aus, mit einem Zwischenstopp in Ulrichstein, in Richtung Brüssel gestartet waren ("osthessen-news" berichtete in mehreren Beiträgen und mit einem VIDEO auf www.osthessen-tv.de ). Weitere Hunderte von Schleppern schlossen sich unterwegs an und trafen zusammen mit dem Reisebus am Montagmittag in Brüssel an. Bereits 15 Kilometer vor Brüssel die ersten Staus auf der Autobahn und je näher man dem Europäischen Parlament kam, desto lauter wurde es auf den Straßen.
Ohrenbetäubendes Hupen, teilweise mindest so laut wie die Nebelhörner von Schiffen, Sondersignale der Polizei und Böllerschüsse wie an Sylvester sowie Hunderte von Polizisten beherrschten am Montagnachmittag das Straßenbild rund um das Parlament.
Nach einleitenden Worten des EMB-Präsidenten Romuald Schaber, der dabei deutlich die Forderungen nach einer Mengenregulierung und einer gerechten Entlohnung an die Adresse des EU-Parlamentes richtete, folgten einige spektakuläre Aktionen. So wurden zunächst rund 15.000 Liter Milch aus einem Tankwagen gegen die Fenster des Parlamentsgebäudes gespritzt in dem gerade der EU-Agrarausschuss tagte.
Richtig zur Sache ging es dann am Zugang zum Hof des EU-Gebäudes der mit Stacheldrahtsperren abgesichert war. Aufgebrachte Demonstranten versuchten diese Sperren zu beseitigen und hatten es auch fast geschafft, bis durch einen massiven Polizeieinsatz die Situation wieder bereinigt wurde. Die „Rache" der Demonstranten folgte postwendend: Das Milchstrahlrohr wurde auf die Polizisten gerichtet, die innerhalb weniger Minuten in Milch eingeschäumt waren. Daraufhin kam es auch zum ersten Tränengaseinsatz. Dank der umsichtigen Leitung des Polizeieinsatzes, kam es aber zu keiner größeren Eskalation.
Nach Beendigung der Milchaktion ging es aber weiter: Plötzlich brannte mitten auf der Straße ein Stapel Reifen. Schwarzer beißender Qualm zog durch die Straßen, Böller krachten und Leuchtkugeln flogen in die Luft. Doch damit nicht genug, kurze Zeit später brannte hundert Meter weiter ein Anhänger mit Stroh und Autoreifen. Daran war ein Galgen mit einer Puppe befestigt. Damit der Anhänger nicht weggefahren werden konnte, hatten die belgischen Milchbauern die Räder abmontiert und das Gefährt auf den Boden gesetzt.
Danach beruhigte sich das Ganze und die Protestteilnehmer versammelten sich in dem Zelt auf dem Place du Luxembuorg zu einer Podiumsdiskussion. Ausführlicher Bericht darüber folgt. Am Dienstagmittag kurz nach 13 Uhr starteten die Schlepper unter Polizeibegleitung zu einer Fahrt durch Brüssel und anschließend nach Hause. Auch der Reisebus trat gegen 14 Uhr die Heimreise an und traf kurz vor 22 Uhr in der heimischen Region ein. Ob die Aktion was genützt hat - auch bei den Milchbauern gilt: "Die Hoffnung stirbt zuletzt". (Dieter Graulich) +++
- Alle Fotos: Dieter Graulich