Archiv
Überall ein "Hingucker": die Europakutsche - bei der man auch mitfahren kann... - Foto: Reimer
Hoch auf dem gelben Wagen.... liegt eine Menge Gepäck - die Ankunft der "Europa-Kutsche" hier bei Schloß Eisenbach nahe Lauterbach - Fotos (5): gr
07.05.06 - Region
Abenteuerprojekt "Europa-Kutsche" machte Station - Mitfahren möglich
Ein ebenso ungewöhnliches wie nostalgisch anmutendes Gefährt zieht derzeit die Blicke vieler Verkehrsteilnehmer und Passanten an den "Rast- und Besuchsstationen" auf sich: ein knallgelber "Reise-Omnibus" für ingesamt 14 mitreisende Personen, mit vier Rädern, 4 Meter lang und 2,70 Meter hoch - die "Europa-Kutsche". Unter dem Motto "6 Länder, 6 Monate, 6.000 Kilometer durchs historische Europa" erfüllt sich das Journalistenehepaar Christine und Jürgen Reimer aus Hechthausen bei Stade (Niedersachsen) einen Traum und fährt mit vier ostfriesischen schweren Warmblut-Pferden der Rasse Alt-Oldenburger/Ostfriesen entlang historischer Postkutschenlinien und auf den Spuren großer Dichter und Künstler durch Europa. Und vermutlich einem Weltrekord entgegen. Seit 2002 haben die Reise- und Fotojournalisten diese Fahrt vorbereitet, mit der auch für den Tourismus im heimischen Osteland und das Pferdeland Niedersachsen geworben wird.
Seit 17. April sind die Reimers und ihr Mitkutscher Erich Ramm unterwegs - und am 3. Mai haben sie Hessen erreicht. An diesem Wochenende war auch die heimische Region dran und die Kutsche fuhr oder rastete in Homberg/Ohm, Schwalmtal und Schlitz. Einen "Fototermin" gab es heute auch in Fulda - ausruhen können Pferde und Kutscher heute Abend in Dipperz-Wisselsrod, bevor es dann in Richtung Bischofsheim und Würzburg weitergeht. Wer jetzt sowas gern selbst erleben würde, hat dazu auch die Chance: bis zu 10 Mitfahrer passen in das gelbe Reisegefährt und man kann einen Tag "Europa-Kutschfahrt über Land" für 80 Euro pro Tag buchen. Nicht gerade wenig - aber sicher ein einmaliges Erlebnis.
Wer nicht mitfahren möchte, aber gerne mal gucken und fotografieren will, kann sich am Dienstag, 9. Mai in die Hochrhön, zum "Rhönhäuschen" nahe Bischofsheim begeben. Dort wird es etwa um 15 Uhr etwas Besonderes geben: mitten im Wald, romantisch auf der Hochrhön gelegen, wird die "Europa-Kutsche" angehalten - vom Landrat Thomas Habermann und Bürgermeister Udo Baumann. An der ehemaligen Grenzstation zwischen Bayern und Preußen werden die beiden Politiker - in historischer Kluft - von den Reisenden Wegezoll verlangen. Dabei handelt es sich aber nicht um die Aufbesserung zeitgenössischer leerer Staatskassen, sondern - natürlich - um eine touristische PR-Maßnahme. Die Ankunft in Bischofsheim am Marktplatz ist für 16.45 Uhr geplant und für den Abend bieten die Touristiker nicht nur den Kutschfahrern einen zünftigen Grillabend am Lagerfeuer - ab 20.00 Uhr im Bischofsheimer Hof.
Die gesamte Tour führt durch Deutschland, Österreich, Italien, Slowenien, Ungarn und Tschechien. Auf den Spuren von Goethe, Fontane und Heine wird die Reise von der Niederelbe durch den Vogelsberg und die Rhön, über die Alpen, zum Gardasee, Verona, Triest, dem Balaoton bis nach Budapest und von dort über Wien, Prag, Dresden und Berlin wieder nach Hause verlaufen. Das Schloss Neuschwanstein, eine Alpenüberquerung, Der Gardasee, das Gestüt Lipica, die Spanische Hofreitschule in Wien oder das seit 1812 bestehende mecklenburgische Gestüt Redefin liegen dabei ebenso auf der Reiseroute wie der Spreewald und der Hamburger Fischmarkt.
Die Tourismus-Fachleute dürften zufrieden sein: im Vogelsberg durchquerte die medienwirksame „Europa-Kutsche“ das Kreisgebiet von Homberg/Ohm über Storndorf, Eisenbach und Schlitz in Richtung Fulda. Gerastet und übernachtet wurde dabei auf Ferienhöfen und Reitstationen in Homberg, Storndorf und Schlitz.
Die Pferdefreunde waren mit ihrer stattlichen „Europa-Kutsche“ und den Rappen Lexus, Hero, Hektor und Elton überall "der Hingucker". Wer vor Ort in das Fahrzeug schaute, konnte nur staunen: der originalgetreu nachgebauten Reise-Omnibus aus dem Jahr 1890, sieht zwar historisch aus, ist aber modern und komfortabel: rundum verglast, mit roßhaargepolsterten Ledersitzen, Fenstern zum Herunterlassen und gigantischem Ausblick vom Dachsitz.
Die Reise stellt - trotz jahrelanger Erfahrung im Reisen und einer einjährigen "Einarbeitung" ins zwei- und vierspännige Kutschfahren - eine echte Herausforderung dar: zu der täglich neuen Strecke und den vielen Menschen, die man unterwegs trifft, kommen noch zahlreichen Unwägbarkeiten und Eventualitäten. Immerhin ist die Kutsche ohne Begleitfahrzeug und ohne "technischen Support" unterwegs. In historischem Tempo ein modernes Abenteuer und darunter verstehen die beiden Reiseprofis vor allem die Begegnung mit dem Unvorhersehbaren.
Die Reimers rechnen damit, viele interessante Gegenden und ihre Menschen kennen zu lernen. Im Vogelsberg hatten sie auch dazu bereits gute Gelegenheit. Hubert Straub vom Kolping-Feriendorf, der auch im Reit- und Fahrverein Herbstein aktiv ist, stand bereits seit Tagen telefonisch mit Jürgen Reimer in Kontakt und ließ es sich nicht nehmen - "...obwohl die Zeit der Überfälle ja vorbei ist" - mit vier Reitern die Europa-Kutsche auf dem Teilstück von Storndorf nach Eisenbach zu begleiten. Unterwegs gab es dann auch ein vermeintliches Malheur - denn das Pferd von Hubert Straub verlor plötzlich ein Eisen. Doch dank des - im wahrsten Sinn des Wortes - "fachlich beschlagenen" Jürgen Reimer war der Schaden schnell behoben. Das Dreierteam führt selbst 96 Hufeisen mit: alle vier Wochen werden die Pferde neu beschlagen - und dies sei mit den eigenen Eisen am Besten, berichtete der Kutscher.
An der „Burg-Post“ auf Schloß Eisenbach bot sich den zahlreichen Gästen und Pferdefreunden dann ein besonderes Bild: Die stattliche Kutsche vor den historischen Gemäuern und der ehemaligen Poststation. Nach der Begrüßung durch Hubert Straub wurden - ganz wie es sich unter Pferdeliebhabern gehört - zunächst die Vierbeiner mit Wasser und Heu und erst dann die Reiter beziehungsweise die Gäste mit einem kleinem Imbiss versorgt.
Umfassende Informationen über das Projekt und ein "Reisetagebuch" des Leitpferdes Lexus mit Fotos und kurzen Schilderungen der Etappen gibt es auf der Internetseite www.europa-kutsche.de.
Dort finden Interessenten und vom Kutschenreisen Faszinierte auch Details für eine Mitfahrt. Die Reimers bieten interessierten „Abenteurern“ die Möglichkeit, sich für individuelle Etappen einzubuchen. Auf der übersichtlichen Internetseite ist für die Strecke bis nach Slowenien um den 30.Juni herum ein aktueller Fahrplan einzusehen. Mitreise-Tickets für diese ganz besondere Art des Reisens gibt es pro Person und Tag (ca. 10 bis 17 Uhr) für 80 Euro. Mehrtagesfahrten sind auch möglich, dann müssen sich die Mitfahrer lediglich ums Übernachten kümmern oder bei den Reimers Vorschläge für Unterkünfte am Ankunftsort geben lassen.
(gr / gw) +++
....aber auch in der Frühlingslandschaft macht sich das Gefährt als Fotomotiv großartig, vor allem wenn reiterliche Begleiter - hier Hubert Straub und Mitglieder des Reit- und Fahrvereins Herbstein - dabei sind
Das ist das Kutscher-Team der Europatour (v.links): Jürgen und Christine Reimer, Erich Ramm - Foto: Reimer
Schloss Eisenbach war die passende Kulisse für die originalgetreue "Reise-Omnibus"-Kutsche
Hubert Straub wurde für einen Fernsehbeitrag interviewt und berichtete sicher....
...über den netten persönlichen Kontakt zu dem Ehepaar, das sich mit der Europatour einen Traum erfüllt