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11.08.08 - NIEDER-MOOS
Geburtstagsständchen zum 30.: Revuetheater im Hohen Vogelsberg
Ein typischer Nieder-Mooser Sommerabend, wie man ihn vom Orgelfestival kennt? Nein, diesmal ganz sicher nicht, denn es stand szenisches Musiktheater auf dem Programm, und die Bühne bot nicht die Nieder-Mooser Kirche sondern das Kulturhaus “Alte Schule” gleich gegenüber. Keine typische Veranstaltung also und dennoch typisch für das sommerliche Musikfestival insgesamt, das immer wieder Überraschungen zu bieten hat. Am Wochenende gelang gleich eine doppelte Überraschung. Zum einen leitete man die Gäste in das Kulturhaus mit Bühne und Vorhang und vermittelte das Gefühl eines authentischen Revuetheaters, zum anderen überraschte die als Konzert angekündigte Veranstaltung mit ansehnlichem und noch viel mehr
anhörbarem Musiktheater, das sich mit dem künstlerisch hochwertigen Standard der Nieder-Mooser Sommerveranstaltungen durchaus messen konnte.
Das Harmony-Sextett aus der Wetterau hat sich seit Jahren die Musik der legendären Commedian Harmonists auf die Fahnen und in die Notenbücher geschrieben, und nun boten sie in der Inszenierung von Susanne Betz ihr Programm in passender und ebenso unterhaltender Weise szenisch dar. So erzählt das Stück eigentlich die Vorgeschichte eines imaginären Konzertes und wird aus diesem Grunde auch “fracklos” dargeboten. Theaterangestellte vom Bühnenmeister über den Maskenbildner bis zur Souffleuse gründen aus dem Stand eine Gesangsgruppe, die schließlich nach unterhaltsamen eineinhalb Stunden ihren ersten Auftritt - jetzt mit Frack - bekommt. Darstellerisch herausragend war dabei sicherlich Michael Möbs (Tenor) in der Rolle des Kostümschneiders Ari Lekowski, der seinen musikalischen Ausdruck mit Komik seiner Rolle auf sehr sensible Weise zu verbinden verstand. Auffallend auch der klare und transparente Bass von Andreas Klein als Maskenbildner Robért Bibér bleibt in Erinnerung. Doch auch Martin Steiner (Tenor), Christian Stenbjelke (Bariton) und Jürgen Hergenröther (Tenor) steuerten ihre ganz individuelle Musikalität bei, getragen von der sicheren pianistischen Hand Ralph Schäfers.
In der gleichen Weise funktionierte das Stück auch szenisch: unterschiedliche Charaktere tragen die Rollen ihrer jeweiligen Persönlichkeit und Komik entsprechend. Hierzu ist eine feinfühlige Regie notwendig, wie sie Susanne Betz unter Beweis stellte, wobei sie gleichzeitig noch in dreifacher Rolle auf der Bühne stand.
Aus der zeitlos aktuellen Musik der Commedian Harmonists und der absurden Komik ihrer Texte gestaltete das Harmony-Sextett zusammen mit Susanne Betz einen unterhaltsamen Sommerabend von entspannender
Leichtigkeit und emotionaler Tiefe zugleich. Ein ganz und gar passendes “Ständchen” zum 30-jährigen Geburtstag einer kulturellen Institution.(ks)+++