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28.11.08 - REGION
Standesamt: Reform des Personenstandrechts spart Kosten, Wege und Papier
Eine Reform im echten Sinne des Wortes steht zu Jahresbeginn für die deutschen Standesämter an. Am 1. Januar 2009 tritt das „Gesetz zur Reform des Personenstandsrechts“ in Kraft. Darauf verweist der Bundesverband der Deutschen Standesbeamtinnen und Standesbeamten e.V. (BDS) in einer Pressemitteilung. Das Personenstandsrecht wird den heutigen Erfordernissen einer modernen Verwaltung angepasst: die registrierten Daten werden im Standesamt digital verarbeitet und gespeichert, Arbeitsabläufe gestrafft und Vorschriften bürgernaher gestaltet. Langfristig sollen auch Kosten verringert werden.
Elektronische Vernetzung verkürzt Verwaltungswege
Kernpunkt der Reform ist die ausschließliche elektronische Speicherung der Beurkundung von Geburten, Eheschließungen, Lebenspartnerschaften und Sterbefällen und der damit verbundene Verzicht auf gedruckte Register. Auch bei den Mitteilungen zwischen den Standesämtern, weiteren Behörden und Gerichten sollen die Daten künftig elektronisch laufen. Dies erspart langfristig Millionen Papierseiten pro Jahr. Durch entsprechende, abgesicherte Vernetzung sollen Urkunden zwischen den Standesämtern elektronisch angefordert und versandt werden können.
Mehr Zuständigkeiten für das Standesamt vor Ort – Wege werden einfacher
Etliche Zuständigkeiten wurden ortsnah verlagert. So können Personenstandsfälle von Deutschen im Ausland künftig vom Wohnsitzstandesamt beurkundet werden. Bisher war dafür das Standesamt I in Berlin zentral für das ganze Bundesgebiet zuständig. Kliniken und Heime müssen, Bestattungsfirmen können ab 1. Januar 2009 die Geburten bzw. Sterbefälle schriftlich anzeigen. Bisher war dies öffentlichen Einrichtungen vorbehalten, was in vielen Fällen die persönliche Vorsprache von Eltern, Angehörigen oder Bestattern in den Standesämtern notwendig machte. Auch die elektronische Übersendung von Mitteilungen wird ermöglicht.
Familienbuch wird überflüssig – mehr Service für die Bürger
Künftig gibt es bei den Standesämtern nur noch Geburten-, Ehe-, Lebenspartnerschafts- und Sterberegister. Das seit 1958 mitgeführte Familienbuch fällt ersatzlos weg. Sterberegister verbleiben nur noch 30 Jahre, Ehe- und Lebenspartnerschaftsregister 80 Jahre und Geburtenregister 110 Jahre zur Fortführung bei den Standesämtern. Das private „Stammbuch der Familie“ bleibt erhalten.
Ältere Personenstandsbücher und die dazu gehörenden Sammelakten sind ab 2009 den kommunalen und staatlichen Archiven anzubieten. Dies soll zum einen die Standesämter entlasten und andererseits die Forschung für Wissenschaftler und Genealogen erleichtern. Mehr Entscheidungsfreiheit für Standesbeamte Auf Daten, die nicht entscheidend sind für die standesamtlichen Beurkundungen, wird künftig verzichtet, so auf die Eintragung von Berufen. Wesentlich mehr Entscheidungskompetenz gibt es künftig für die Standesbeamtinnen und Standesbeamten bei der Berichtigung von fehlerhaften Einträgen in den Personenstandsregistern. Bisher waren hier die meisten Fälle ausschließlich dem Richter am Personenstandsgericht vorbehalten.„Die Übertragung von weiterer Verantwortung und Zuständigkeit ‚nach unten‘ zu den Standesämtern zeigt eindrucksvoll die hohe Wertschätzung, die unsere Kolleginnen und Kollegen beim Gesetzgeber genießen“, stellt BDS-Präsident Jürgen Büssow zufrieden fest.Verbandspräsident Büssow betont
Wichtigkeit der Reform
Vor allem freut ihn, dass im Reformgesetz ein zentraler Punkt unverrückbar geblieben ist: die unabhängige Stellung der Standesbeamtinnen und Standesbeamten als Urkundsbeamte. Sie bleiben bei der Erfüllung ihrer urkundlichen Aufgaben weiterhin weisungsfrei. Ihnen sind wie bisher nur durch die Anordnungsbefugnisse der Gerichte Grenzen gesetzt.Unabhängige Stellung der Standesbeamtinnen und StandbeamtenJürgen Büssow sagt dazu: „Die unabhängige Stellung der Standesbeamtinnen und Standesbeamten sichert die Qualität der Arbeit und trägt auch künftig entscheidend zum eigenverantwortlichen und verantwortungsvollen Handeln bei.“In diesen Wochen bereiten sich die Standesbeamtinnen und Standesbeamten zusammen mit den weiteren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Standesämter intensiv auf die Verwirklichung des Reformgesetzes zum Jahresende 2008 vor. In kurzer Zeit muss für reibungslose Abläufe gesorgt werden.
Enormer Zeitdruck für die Standesämter
Zwar ist das erneuerte Personenstandsgesetz (PStG) bereits vor über 21 Monaten, am 23. Februar 2007, veröffentlicht worden. Die Ausführungsverordnung mit weiteren fachlichen und vor allem technischen Regelungen passierte aber erst vor drei Wochen, am 7. November 2008, den Bundesrat. Von Seiten des Bundes ist noch eine Verwaltungsvorschrift zu erlassen, wodurch die bisherige „Dienstanweisung für die Standesbeamten und ihre Aufsichtsbehörden (DA)“ ersetzt wird. Der Entwurf werde den Ländern im Laufe des Dezember zugeleitet und dort wohl übergangsweise zum 1. Januar 2009 in Kraft gesetzt, berichtete Dr. Sabine Selbig vom Bundesinnenministerium auf einer kürzlich stattgefundenen Fachtagung des BDS in Bad Salzschlirf. Auch die Bundesländer selbst haben bis Jahresende 2008 noch einiges zu leisten hinsichtlich der nötigen Ausführungsbestimmungen zur Personenstandsreform.
Ehrenamtliche Fachberater und Verbandsakademie schulen die Kolleginnen und Kollegen
Verbandspräsident Jürgen Büssow sagt dazu: „Die ehrenamtlichen Fachberater unserer Landesverbände sind so noch mehr als bisher gefordert, wenn sie derzeit in den Schulungen die Kolleginnen und Kollegen mit der neuen Rechtsmaterie vertraut machen.“Auch die Akademie für Personenstandswesen, die der BDS am Verbandssitz im hessischen Bad Salzschlirf unterhält, unterstützt dies selbstverständlich in ihren Seminaren zum Reformgesetz. Die Aus- und Fortbildung der Standesbeamtinnen und Standesbeamten ist die Hauptaufgabe des BDS, der im Jahre 1920 in Kassel gegründet worden ist. Reformvorschläge von Bundesverband und LandesverbändenAls Einrichtung der Praxis für die Praxis haben sich der Bundesverband und die Landesfachverbände auch bei der Erarbeitung des Reformvorhabens eingebracht. „Etliche unserer Vorschläge zu Personenstandsgesetz und -verordnung wurden positiv berücksichtigt, berichtet Verbandspräsident Jürgen Büssow. In den meisten Bundesländern wurde die Tätigkeit der Standesbeamtinnen und Standesbeamten grundsätzlich dem gehobenen Verwaltungsdienst zugeordnet. Umso mehr bedauert er, dass in Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen diese Kernforderung des Bundesverbandes nicht berücksichtigt worden ist.Verbandspräsident Jürgen Büssow: „Der hohe Standard der Arbeit in den Standesämtern wird damit gefährdet. Hier wird Standard-Deregulierung mit Dequalifizierung gleichgesetzt.“
Religiöse Gemeinschaften teilweise nicht mehr berücksichtigt
Hinsichtlich des Reformgesetzes sei es aus Sicht der Praktiker unverständlich, dass künftig in die Register nur noch Religionsgemeinschaften eingetragen werden dürfen, die Körperschaften des öffentlichen Rechts sind. Religiöse Gemeinschaften, die diesen Status nicht besitzen, wie zum Beispiel aus dem Islam, können dadurch in Zukunft nicht mehr in den Personenstandsregistern und den entsprechenden Urkunden berücksichtigt werden. Dies werde bei den betroffenen Bürgern wohl kaum auf Verständnis stoßen.Bei den Lebenspartnerschaften können die Bundesländer aufgrund der Föderalismusreform zwar weiterhin selbstständig über die Organisationsform in ihrem Bereich entscheiden. Bis auf Baden-Württemberg und Thüringen sowie bislang noch Bayern ist diese Aufgabe nun überall den Standesbeamtinnen und Standesbeamten übertragen worden.In Bayern hat aber das Ergebnis der Landtagswahl ebenfalls ein Umdenken gebracht. Der Koalitionsvertrag zwischen CSU und FDP sieht vor, dass hier in Zukunft die Lebenspartnerschaften auch bei den Standesämtern geschlossen werden können, was bisher nur bei den Notaren möglich ist. Die landesrechtlichen Regelungen sollen in Bayern, wenn rechtlich notwendig, an das Bundesrecht angepasst werden.
Kernstück der Reform weitgehend nicht zum 1. Januar 2009 umzusetzen – Start etappenweise
Die Föderalismusreform hat dazu geführt, dass das Kernstück der Gesetzesreform, die ausschließlich elektronische Speicherung der Registerbeurkundungen, nicht flächendeckend zum 1. Januar 2009 im Bundesgebiet verwirklicht werden kann. Durch eine sogenannte Öffnungsklausel im neuen PStG haben die Länder die Möglichkeit erhalten, zentrale Personenstandsregister auf Landesebene einzurichten. Die komplexen Entscheidungsprozesse, einzubeziehen sind hier vielfältige organisatorische, technische und finanzielle Auswirkungen, sind dazu in fast allen Bundesländern noch nicht abgeschlossen. Nur in Hessen und im Saarland, wo kommunale Gebietsrechenzentren die Initiative ergriffen haben, wird das Reformvorhaben teilweise umgesetzt und in etlichen Städten und Gemeinden ab 1. Januar 2009 nur noch elektronisch beurkundet.
Übergänge fließend - Übergangsfrist läuft am 31. Dezember 2013 ab
Für die 30.000 Standesbeamtinnen und Standesbeamten und weiteren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den circa 5.200 Standesämtern hofft Verbandspräsident Jürgen Büssow, dass die Entscheidungen in den Ländern möglichst bald gefällt werden. Eines steht jedenfalls fest: Am 31. Dezember 2013 ist die vom Bundesgesetzgeber eingeräumte Übergangsfrist zu Ende, müssen bis dahin die Maßnahmen getroffen sein, um Geburten, Eheschließungen, Lebenspartnerschaften und Sterbefälle ausschließlich elektronisch zu beurkunden und auch die weiteren Reformziele des Personenstandsrechts zu erfüllen.
Daten und Fakten zur Personenstandsreform in Deutschland ab 1. Januar 2009
Anlage zur Pressemitteilung des Bundesverbandes der Deutschen Standesbeamtinnen und Standesbeamten e.V. (BDS), Sitz Bad Salzschlirf, vom 1. Dezember 2008
1. Januar 1876:
Das „Reichsgesetz über die Beurkundung des Personenstandes und die Eheschließung“ tritt im gesamten damaligen Deutschen Reich in Kraft.
Wie in den Jahrhunderten zuvor von den Geistlichen der verschiedenen Konfessionen, so beurkunden nun auch die Standesbeamten der Gemeinden die Geburten, Eheschließungen und Sterbefälle auf Papier – zunächst handschriftlich, dann mit der Schreibmaschine und heute mit dem Personal Computer.
1. Januar 2009:
Das „Gesetz zur Reform des Personenstandsrechts“ tritt in der Bundesrepublik Deutschland in Kraft – mit Übergangsfrist bis 31. Dezember 2013.
Wesentliche Zielsetzungen:
Ausschließliche Beurkundung der Personenstandsdaten in elektronischen Registern.
Umfassende elektronische Kommunikation zwischen Behörden und weiteren Nutzern.
Reduzierung von Registerdaten. Mehr Zuständigkeiten für die Standesämter.
Weiter verbesserter Bürgerservice. Einsparung von Kosten, Wegen und Papier.
Geburten, Eheschließungen und Sterbefälle in Deutschland:
2007: 684.862 Geburten, 368.922 Eheschließungen, 827.155 Sterbefälle
Übersicht von 1946 bis 2007 (siehe Statistisches Bundesamt):
http://www.destatis.de/jetspeed/portal/cms/Sites/destatis/Internet/DE/Content/Statistiken/Bevoelkerung/EheschliessungenScheidungen/Tabellen/Content100/EheschliessungenGeboreneGestorbene,templateId=renderPrint.psml
Vorläufige Monatsergebnisse der Geburten und Sterbefälle 2008 siehe:
http://www.destatis.de/jetspeed/portal/cms/Sites/destatis/Internet/DE/Content/Statistiken/Bevoelkerung/GeburtenSterbefaelle/Tabellen/Content75/N1__GeburtenSterbefaelle,templateId=renderPrint.psml
Circa 5.200 Standesämter in den deutschen Gemeinden: Dazu noch das Zentral-Standesamt I in Berlin mit einigen Sonderaufgaben und das Sonderstandesamt in Bad Arolsen (Beurkundung der Sterbefälle in ehemaligen deutschen Konzentrationslagern).
An die 30.000 Standesbeamtinnen und Standesbeamte bewältigen mit weiteren Sachbearbeiterinnen und Sachbearbeitern in den deutschen Standesämtern die im Personenstandswesen anfallenden, anspruchsvollen Aufgaben.
Der Bundesverband der Deutschen Standesbeamtinnen und Standesbeamten e.V. (BDS) ist der Dachverband von 18 Fachverbänden, die auf Landesebene organisiert sind.
http://standesbeamte.de/
Hauptziel des BDS ist die Aus- und Fortbildung der Beschäftigten im Personenstandswesen und verwandter Rechtsgebiete.
Im Jahr 2009 werden in der Akademie für Personenstandswesen des BDS in Bad Salzschlirf 32 Seminartypen in über 100 Seminaren angeboten.
In den 18 Landes-Fachverbänden der Standesbeamten sind 158 Fachberater ehrenamtlich aktiv und schulen regelmäßig im Frühjahr und Herbst die Kolleginnen und Kollegen.+++