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03.02.12 - FULDA

Fulminanter "Blauer Engel" im Schlosstheater - Womit denkt der Mann?

"Die meisten Frauen sind klüger als Männer. Oder hat man schon jemals von einer Frau gehört, die einen Mann wegen seiner schönen Beine geheiratet hat?", hat die kluge Marie von Ebner-Eschenbach festgestellt. Genau von diesem feinen Unterschied zwischen den Geschlechtern handelt „Der blaue Engel“, der gestern im Fuldaer Schlosstheater gastierte. Jeder kennt die tragische Geschichte vom Professor Unrat, der der feschen Lola im "Blauen Engel" nicht gerade wegen ihrer inneren Werte verfiel. Muss man aber Verständnis oder gar Mitleid mit einem solch armseligen Motiv zur Eheschließung haben oder sich solcher Eselei schlicht fremd schämen ? Das Publikum entschied das gestern Abend offensichtlich nicht nach Geschlechtszugehörigkeit: keine Gnade, nur Spott für den ergrauten Professor, der sich für eine Frau im wahrsten Sinne zum Clown, ja zum Affen macht – aber es gibt auch kein Mitleid mit der koketten Lola, die nicht wegen ihres starken Charakters geliebt wird, sondern ausschließlich um ihrer "bella figura" willen – eine vollkommen tragische Geschichte.

Erst 2009 wurde der berühmte Stoff des Romans „Professor Unrat“ von Heinrich Mann und der daraus resultierende legendäre Film von Josef von Sternberg von Peter Turrini als Theaterstück bearbeitet. Natürlich hat man Emil Jannings und Marlene Dietrich vor Augen, die den berühmten Ufa-Film zu einem Welterfolg gemacht haben. Doch Gerd Silberbauers Unrat in der Bühnenfassung gewinnt der lächerlichen Rolle des tyrannischen Paukers, den spät die Liebe packt, auch eine ungewohnt anrührende und empfindsame Seite ab. Der Zuschauer ist ganz bei ihm, wenn er der plump-naiven Anmache Rosa Fröhlichs, genannt "Lola Lola" und dem Charme des verruchten Ambientes erliegt – die Häme weicht dem Wunsch, dass sich hier über alle Standesunterschiede hinweg doch ein Wunder der echten Zuneigung Bahn brechen könnte. Obwohl die finanziellen Motive der losen Braut offenkundig sind, ist die Versuchung süß und stark. Will sie sich doch gar in Griechisch von ihrem Professorchen unterrichten lassen, weil das so schwer ist – was für ein Liebesbeweis! Man nimmt Stefanie Mendonis Lola das echte Gefühl „von Kopf bis Fuß“ für diesen Moment ab.

Sie hatte es besonders schwer, gegen das übergroße Vorbild der Dietrich anzuspielen und zu singen. „Die ist viel zu dürr, um erotisch zu sein“, hörte man im Publikum – Geschmackssache. Immerhin intoniert sie die berühmten Lieder von Friedrich Hollaender nicht als Dietrich-Kopie, sondern hell und schlicht, genial unterstützt vom Akkordeon des traurigen Clowns von Jolanta Szczelkun.

Er macht sich zum vollendeten Depp

Doch die Schauspielkunst von Gerd Silberbauer ist eindeutig das tragende Element des Abends. Er gibt den tyrannischen und sadistischen Oberlehrer so, dass er in jedem Zuschauer grausige Erinnerungen an zu viele solcher Ebenbilder in der eigenen Schulzeit hellwachruft. Doch da ist mehr als Verachtung und Schadenfreude - man kann sich seiner Intensität in Hass und Liebe nicht entziehen. In seinem hellsten Moment ist der bis dahin prüde Herr Professor unerwarteter Kämpfer für moralische Selbstbestimmung: „Meine Würde gehört mir ganz allein“, entgegnet er fest seinem Rektor, als dieser ihn abhalten will, „seine“ Lola auch noch zu ehelichen. Für männliches Amusement gegen Bezahlung hat die bürgerliche Doppeloral ja nichts einzuwenden. Aber gleich heiraten? Wenn er zum Schluss ganz tief abstürzt und wie wahnsinnig krähend seinem treulosen Weib den Hals umdrehen will, hat man es so kommen sehen. Doch Genugtuung empfindet man nicht – eher Kummer und Scham.

Das großartige Ensemble des Euro-Studio Landgraf agierte in einem minimalistischen und grandiosen Bühnenbild und bekam zum schlimmen Schluss langanhaltenden und wohlverdienten Applaus. +++ Carla Ihle-Becker


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