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24.06.11 - KIRTORF

Der Windrad-Unfall vom vergangenen Sonntag bei Kirtorf (Vogelsbergkreis) ist möglicherweise durch einen technischen Defekt ausgelöst worden. Darauf deuten erste Untersuchungen und Interpretationen durch die Betreiberfirma, die "hessenENERGIE" hin. In einer ausführlichen Erklärung des Unternehmens wird darauf verwiesen, dass "der unseres Wissens in dieser Form noch nie vorgekommene Abriss des Turms darauf hindeutet, dass es zu Schwingungen mit einer Entwicklung übergroßer Kräfte gekommen sein muss, was keinesfalls nur durch die Windverhältnisse zum Zeitpunkt des Unfalls erklärt werden kann (ca. 10 bis 12 m/s, max. 16,2 m/s, keine Gewitter).

Von daher konnte zu diesem Zeitpunkt nur vermutet werden, dass es zu einer außergewöhnlichen Betriebssituation kam, die eigentlich von den mehrfach redundanten Sicherheitseinrichtungen einer solchen Windenergieanlage beherrscht werden müsste, dass aber der Ablauf des dann einzuleitenden Bremsprogramms durch ein mechanisches Versagen von Komponenten außer Kontrolle geraten ist. Dafür sprechen auch die bei der hessenENERGIE aufgelaufenen letzten Störungsmeldungen aus der Anlage: Um 11:34:19 Uhr kam die Meldung „Überdrehzahl“ und um 11:40:36 Uhr die Meldung „Bremszeit > max“. Danach riss die Datenverbindung ab".

Soweit ein Ausschnitt aus der Erklärung der "hessenEnergie". Die Untersuchungen dauern an. Um die ganzen Hintergründe und Details zu wissen, hat sich die Redaktion entschlossen, die Presseerklärung des Unternehmens trotz der Länge "IM WORTLAUT" zu veröffentlichen. Lesen und Sehen Sie auch den ausführlichen Bericht von "osthessen-news" mit Bildern und einem VIDEO vom Unfalltag unter Überschrift "Versagte das Bremssystem? Ursachenforschung nach Windrad-Crash" und dem folgenden Link: http://www.osthessen-news.de/beitrag.php?id=1199336.

"Zeitlicher Ablauf und Schadensbild

Am Sonntag, den 19. Juni 2011, ist an einer Anlage in dem Windpark Kirtorf, die in der Betriebsführung der hessenENERGIE mit der internen Bezeichnung WEA2 (ID 60077) geführt wird, gegen 11:30 Uhr ein Großschaden entstanden. Es handelt sich um eine Windenergieanlage der Herstellerfirma DeWind AG mit der Typenbezeichnung D6 und einer Nennleistung von 1 MW, die zusammen mit drei weiteren Anlagen derselben Baureihe in dem Windpark im August 2001 in Betrieb gegangen sind.

Der komplette Rotor mit den drei Blättern und die Gondel mit den maschinellen Einrichtungen sowie das obere Drittel des Stahlturms sind abgerissen und auf ein Rapsfeld unterhalb bzw. eine Wiese neben der Anlage gestürzt. Das abgebrochene Turmsegment hat bei seinem Absturz die zu der Anlage gehörende Trafostation am Fuß des Turms völlig zerstört. Die herabgestürzten Anlagenteile liegen auf einer Strecke von etwa 80 Metern vom Fuß des Mastes aus gerechnet. Die Massen der herabgestürzten Teile können wie folgt beziffert werden: Rotor komplett (Nabe mit drei Blättern) ca. 26,5 t, Gondel komplett (mit Maschinenträger, Getriebe und Generator) ca. 45,0 t und das obere Turmsegment ca. 23,9 t, also insgesamt etwa 95,4 t.

Technisch gesehen muss nach dem Augenschein bei der Anlage von einem Totalschaden ausgegangen werden. Eine Möglichkeit der Reparatur von maschinentechnischen Komponenten ist voraussichtlich nicht gegeben. Es bliebe somit nur ein Wiederaufbau der Anlage mit neuen Teilen. Als Orientierungsgröße für den ökonomischen Schaden kann der bilanzielle Restbuchwert zum Jahresbeginn 2011 im Bereich von einer halben Million Euro dienen.

Der Schaden wurde zuerst um 11:33 Uhr von der Netzleitstelle der OVAG Netz AG registriert, deren Überwachungssysteme einen Überstrom im Bereich Kirtorf anzeigten. Kurz danach hat zudem ein Kurzschlussmelder auf der Leitung Erbenhausen-Kirtorf angesprochen. Wegen des zu vermutenden Leitungsschadens im Bereich Kirtorf hat die Netzleitstelle umgehend einen Mitarbeiter des Bereitschaftsdienstes nach Kirtorf beordert, der die umgestürzte WEA2 im Windpark Kirtorf vorfand und darüber telephonisch die Netzleitstelle informierte. Zu diesem Zeitpunkt waren die drei verbleibenden Anlagen des Windparks Kirtorf noch am Netz. Kurz darauf hat jedoch der Leistungsschalter des Windparks ausgelöst und den kompletten Park vom Netz getrennt. Die drei unbeschädigten Anlagen des Windparks Kirtorf sind danach stillgesetzt geblieben.

Gegen 12:00 Uhr wurde der beim technischen Betriebsführer hessenENERGIE mit der Windpark-Überwachung an dem Wochenende 18./19. Juni befasste Ingenieur von der Netzleitstelle der OVAG über den Schaden im Windpark Kirtorf informiert. Der Mitarbeiter der hessenENERGIE gab die Nachricht sofort über eine entsprechende Hotline an die Fa. Enertrag weiter, die mit der technischen Wartung und Instandhaltung der Anlagen im Windpark Kirtorf beauftragt ist. Von dort wurde das Serviceteam aus Mücke (Vogelsbergkreis) zur Unfallstelle beordert. Schon vor dem Eintreffen des Teams war die örtliche Polizei am Unfallort und hatte das Gebiet abgesperrt. Das Serviceteam hat die Unfallstelle inspiziert, um eventuell erforderliche technische Sicherungen vorzunehmen. Es zeigte sich, dass elektrotechnisch keine Sicherheitsprobleme bestanden und dass ein Auffangen oder Abpumpen des Getriebeöls nicht mehr in Frage kam, da es ausgelaufen und unter die Maschinenteile gesickert war. Der Kirtorfer Feuerwehr, die ihre Hilfe angeboten hat, wurde dieses Ergebnis mitgeteilt. Da somit kein akuter Handlungsbedarf mehr bestand, haben sich die Mitarbeiter der Servicefirma darauf beschränkt, Schaulustige von der Unfallstelle fernzuhalten.

Die hessenENERGIE hat die Bauaufsicht des Vogelsbergkreises sowie das Regierungspräsidium Gießen gegen 14:30 Uhr durch eine e-mail über den Unfall unterrichtet. Herr Meixner hat sich sofort zur Unfallstelle begeben, wo er gegen 14:30 Uhr eintraf. Der mit der Windpark-Überwachung befasste Ingenieur traf gegen 15:30 Uhr an der Unfallstelle ein.

Nachdem die Unfallstelle gemeinsam in Augenschein genommen war, ist nach Rücksprache mit den anwesenden Mitarbeitern des Service-Teams von Herrn Meixner entschieden worden,

· dass die drei stillgesetzen Anlagen des Windparks Kirtorf, die aus derselben Baureihe sind wie die Unfallanlage, abgeschaltet bleiben bis die Ursachen des Schadens hinreichend aufgeklärt sind,

· dass umgehend ein unabhängiger Gutachter mit der Ermittlung des Unfallhergangs und der Schadensursachen beauftragt wird, der am Montag dem 20. Juni seine Untersuchung beginnen sollte,

· dass die Unfallstelle bis zur Untersuchung durch den Gutachter möglichst nicht verändert wird und deshalb abgesperrt bleiben sollte und dass mit den Aufräumarbeiten erst nach Freigabe durch den Gutachter begonnen wird.

Noch an der Unfallstelle wurde telephonisch ein unabhängiger Gutachter beauftragt und ein Untersuchungstermin für Montag, den 20. Juni vereinbart. Ebenso wurden mit einem Bauunternehmen der spätere Abtransport und die Lagerung der Teile vereinbart. Da bei der Begehung der Unfallstelle sich ein höchst ungewöhnliches und keinem der mit der Anlagentechnik vertrauten Mitarbeiter bekanntes Schadensbild zeigte, war es nicht möglich, am Sonntag eine auch nur vorläufige Angabe zu den Ursachen des Unfalls zu machen. (Dies wurde auch bei Anfragen der Medien am Montag so mitgeteilt.)

Allerdings weist der unseres Wissens in dieser Form noch nie vorgekommene Abriss des Turms darauf hin, dass es zu Schwingungen mit einer Entwicklung übergroßer Kräfte gekommen sein muss, was keinesfalls nur durch die Windverhältnisse zum Zeitpunkt des Unfalls erklärt werden kann (ca. 10 bis 12 m/s, max. 16,2 m/s, keine Gewitter). Von daher konnte zu diesem Zeitpunkt nur vermutet werden, dass es zu einer außergewöhnlichen Betriebssituation kam, die eigentlich von den mehrfach redundanten Sicherheitseinrichtungen einer solchen Windenergieanlage beherrscht werden müsste, dass aber der Ablauf des dann einzuleitenden Bremsprogramms durch ein mechanisches Versagen von Komponenten außer Kontrolle geraten ist. Dafür sprechen auch die bei der hessenENERGIE aufgelaufenen letzten Störungsmeldungen aus der Anlage: Um 11:34:19 Uhr kam die Meldung „Überdrehzahl“ und um 11:40:36 Uhr die Meldung „Bremszeit > max“. Danach riss die Datenverbindung ab. Hingegen zeigten die regulären Abfragen der Betriebsparameter in den letzten Tagen und auch die letzte Abfrage am Sonntag um 4:00 Uhr morgens noch keine Auffälligkeiten. Vielmehr lief die Anlage gemäß den Statusmeldungen des Anlagenrechners bis zum Schadensmoment störungsfrei.

Allerdings war die jetzt beschädigte Anlage bereits einmal infolge eines am 30. Oktober 2002 entstandenen Schadens Gegenstand von Reparaturen, die damals im Rahmen der Gewährleistung von der Fa. DeWind AG durchgeführt wurden. Eine der drei Schubstangen des Pitchsterns hatte sich damals während des Auspitchvorgangs aus der Rotornabenrückwand herausgedrückt und dabei die Gondelhaube erheblich beschädigt. Es scheint nicht ausgeschlossen, dass hier ein Zusammenhang mit dem aktuellen Schadensereignis besteht.

Im Übrigen ist die Anlage aber auch danach regelmäßig gemäß den Herstellervorgaben in den vorgeschriebenen Intervallen gewartet und inspiziert worden – zunächst während der fünfjährigen Gewährleistungszeit von der Fa. DeWind AG, danach von beauftragten Fachfirmen und derzeit von der Fa. Enertrag Service GmbH. Die letzte Wartung war am 23. Dezember 2010, der letzte Quartalscheck am 28. April 2011. Die nächste Halbjahreswartung war zum 20. Juni 2011 beauftragt.

Aufgrund der Vorgeschichte und des Schadensbilds geht die hessenENERGIE davon aus, dass es sich wahrscheinlich um anlagen-individuelle Schadensursachen handelt. Vorsorglich hat die hessenENERGIE jedoch die Anlagen im Windpark Kirtorf aus derselben Baureihe bis zur Klärung durch Sachverständige abgeschaltet. Da alle anderen DeWind D 6 Anlagen, die sich in der Betriebsführung der hessenENERGIE befinden, aus späteren Baujahren und damit aus neueren Baureihen stammen, die nach Kenntnis der hessenENERGIE-Mitarbeiter insbesondere auch mit einer anderen Art von Stahlrohrturm ausgestattet sind, hat die Geschäftsführung der hessenENERGIE entschieden, dass eine Stillsetzung von Anlagen auch in anderen Windparks nicht angezeigt ist. Denn das Schadensbild liefert keine Indizien dafür, dass bei sämtlichen Windenergieanlagen vom Typ DeWind D 6 mit gleichartigen Schäden zu rechnen wäre. Über eventuelle, weiter gehende Maßnahmen sollte nach Vorlage der Ergebnisse des beauftragten Gutachters befunden werden.

Am Montag, den 20. Juni wurde von der hessenENERGIE per e-mail die Maschinenbruch-Versicherung der Eigentümergesellschaft der hessenWIND VI GmbH & Co. KG über den Schaden unterrichtet, die daraufhin die Entsendung eines eigenen Sachverständigen ankündigte. Der von der Versicherung beauftrage Sachverständige hat die Unfallstelle am Montagnachmittag inspiziert. Darüber hinaus hat ein weiterer Sachverständiger, der von der Fa. Enertrag beauftragt worden ist, am Dienstag, den 21.Juni den Schaden besichtigt. Zudem hat der Haftpflichtversicherer der hessenWIND VI GmbH & Co. KG einen Gutachter eingeschaltet, der die Unfallstelle am 22. Juni untersucht. Von Seiten des von der hessenENERGIE beauftragten Gutachters wurde nach seiner Begehung mitgeteilt,

· dass er mechanische Teile aus der Nabe vermessen will, wozu sie geborgen und in eine Halle gebracht werden muss

· dass er bzw. ein Mitarbeiter bei dem (vorsichtigen) Anheben der Nabe anwesend sein will, um die Datenspeicher mit den Aufzeichnungen zu den Betriebsdaten zu bergen und auszulesen, an die bisher nicht heranzukommen war,

· dass er danach die drei Anlagen im Windpark Kirtorf im Hinblick auf die gefundenen Schadensmerkmale kontrollieren will. Die anderen beiden Gutachter haben sich zwischenzeitlich diesen Wünschen angeschlossen. Von daher ist bis zur abschließenden Beurteilung durch den/die Gutachter noch mit einigen Tagen zu rechnen.

Angesichts dieser Situation und wegen der dringlichen Aufforderung von Seiten des Landrats des Vogelsbergkreises zu seiner Absicht einer vorsorglichen Stillsetzung aller Windenergieanlagen vom Typ D 6 bis zur Vorlage einer gutachterlichen Unbedenklichkeitsbescheinigung umgehend Stellung zu nehmen, hat die hessenENERGIE den von ihr beauftragten unabhängigen Gutachter gebeten, möglichst ein vorläufiges Resultat seiner Arbeit zu formulieren und Empfehlungen zu sinnvollen Maßnahmen auszusprechen. Dieser Bitte ist der Gutachter kurzfristig nachgekommen. Im Hinblick auf die Frage aktuell zu ergreifender Maßnahmen sind insbesondere die nachfolgend zitierten Feststellungen und Empfehlungen aus dem Schreiben des Gutachters von Bedeutung: „Der Schaden an der havarierten Anlage kann nicht als typisch für diesen Anlagentyp angesehen werden. Wir als Sachverständige in der 8.2 Sachverständigengruppe arbeiten sehr eng zusammen. Uns ist kein weiterer Fall einer havarierten DeWind D6 bekannt.“ (…)

„Vor Ort am Standort konnten keine technisch beweisbaren Fakten als Schadensursache festgestellt werden. Fakt ist jedoch, dass die Sicherheitseinrichtungen versagt haben. Dies gilt es weiter zu untersuchen.“ (…)

„Da Sie weitere Anlagen diesen Typs betreiben, empfehlen wir Ihnen hier eingehende Untersuchungen an der Blattverstellung, der steuerungstechnischen Sicherheitseinrichtungen, Prüfung der Mechanik in der Rotornabe hinsichtlich Verschleiß und sichere Nutzbarkeit, sowie einen eingehenden Sicherheitstest, wie er in der Regel bei einer jeden Jahreswartung vorgenommen wird, abhängig vom Wartungspflichtenheft und Wartungshandbuch des Herstellers. Diese Prüfung wäre geeignet, eine Aussage hinsichtlich der Betriebssicherheit der anderen von Ihnen betriebenen DeWind D6 Anlagen zu treffen, oder Handlungsempfehlungen auszusprechen, sodass hier Maßnahmen durchgeführt werden müssten. Die Durchführung dieser Prüfung und der gesamte Sicherheitstest kann nur an einer betriebsbereiten Anlage durchgeführt werden. Anlagen, die abgeschaltet sind, wie z.B. die anderen Anlagen im Windpark Kirtorf, müssen für diese Arbeiten wieder ans Netz genommen werden. Erst dann können die erforderlichen Prüfungen und Untersuchungen stattfinden.“

Die Geschäftsführung der hessenENERGIE hat entschieden, dieser Empfehlung des Gutachters zu folgen, und hat eine solche Prüfung für alle von ihr betriebenen Windenergieanlagen des Typs DeWind D6 durch das Büro des Gutachters am 21. Juni beauftragt. Die hessenENERGIE hat darum gebeten, dass diese Sicherheits-Checks umgehend begonnen und zügig abgewickelt werden, damit das Ergebnis in möglichst kurzer Zeit den zuständigen Behörden vorgelegt werden kann. Sie hat gegenüber dem Gutachter erklärt, dass sie die erforderliche Mitwirkung der Fa. Enertrag sowie des Personals aus dem Windenergiebereich der hessenENERGIE sichern wird.

Die hessenENERGIE hat dem Landrat des Vogelsbergkreises vorschlagen, dieser Vorgehensweise zuzustimmen. Das Kreisbauamt des Vogelsbergkreises hat am 22. Juni nach Rücksprache mit der Oberen Bauaufsichtsbehörde beim Regierungspräsidium Gießen dieser Vorgehensweise zugestimmt. Auf dieser Grundlage wurde die kurzfristige Durchführung eines Sicherheits-Checks bei allen von der hessenENERGIE betriebenen 23 Anlagen des Typs DeWind D6 eingeleitet. Im Vogelsbergkreis gibt es neben 17 Anlagen dieses Typs bei der hessenENERGIE noch eine Einzelanlage eines anderen Betreibers. Er beabsichtigt, den vom Gutachter empfohlenen Sicherheits-Check ebenfalls durchführen zu lassen". +++

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