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Mit 84 noch "fit wie ein Turnschuh": Reinhold Golbach

- Fotos: Nicole Wagner

10.10.07 - Fulda

Der Älteste seiner Zunft! Reinhold GOLBACH, Schuhmachermeister mit 84

Reinhold Golbach ist Schuhmachermeister - ein aus Fulda nicht wegzudenkendes Original und mit 84 Jahren sicher der älteste Aktive seiner fußbekleidenden Zunft. Und auch die Schuhmacherzunft in Fulda hat mit 700 Jahren schon eine Menge Zeit hinter sich gelassen und feiert in diesen Tagen ihr außergewöhnliches Jubiläum. Im Jahr 1307 hatte der Fürstabt des Klosters Fulda - urkundlich belegt - seine Zustimmung zur Zunftordnung gegeben und damit das Schusterhandwerk auf stabile und ordentliche Füße gestellt.

Während Meister Golbach sich aber bester Gesundheit erfreut und noch jeden Tag in seiner Werkstatt im Hof der Fuldaer Lindenstraße 18 steht, hat die Schuhmacherzunft - im Fuldaer Land und überhaupt - sozusagen Schwindsucht und ernste Nachwuchssorgen: auf gerade mal neun Mitglieder bringt es die Innung im Kreis Fulda. Aus wirtschaftlichen Gründen mussten sich die Schuhmacher 1996 mit den ebenfalls nicht mehr zahlreichen Maßschneidern zur Innung des Bekleidungshandwerks zusammenschließen.

So ist es nicht verwunderlich, dass der jugendliche Helfer in Golbachs Werkstatt von den Kunden dieses Vormittags überschwänglich begrüßt wird: „Gott sei Dank, Sie haben jetzt wohl einen Azubi, Meister?“. Der 16-jährige David Schmitt ist aber nicht der ersehnte Handwerkernachwuchs, sondern Golbachs Enkel, der sich in allen Schulferien hier ein Zubrot verdient: „Opa, was ist mit cash?“

Golbach, dessen vermutlich vornehmlich weibliche Kundschaft außer seinen Reparaturkünsten auch seine ganz spezielle Art von Kundengespräch schätzt, hat der Innung 20 Jahre lang bis 1992 als Obermeister vorgestanden - heute ist er Ehrenmeister. Auf die Frage, warum er dieses Amt abgegeben hat, sagt er schlicht: „Die Jugend nach vorn, was denn sonst.“ Er selbst hat sich das Schusterhandwerk mit 14 Jahren ausgesucht - und es nach eigener Auskunft noch nie bereut. Oft werde er bedauert, dass er in seinem hohen Alter noch jeden Tag an der Ledernähmaschine sitzen müsse - und seine Kunden führen es entweder auf notorische Geldnot oder den fehlenden Nachfolger zurück.

Aber Golbach hat eine ausreichende Rente und übt seinen Beruf seit 70 Jahren ganz freiwillig, mit Lust und Leidenschaft aus. „Ich muss nicht mehr arbeiten“, betont er: Ich d a r f!“ Zwar beschränkt er seine Tätigkeit auf den Vormittag, aber die Arbeit tut seiner Gesundheit keinen Abbruch. „Ich stelle halt meine Krankheiten nicht so in den Mittelpunkt wie manch andere Leute“. Telefon hat er keins in der Werkstatt, weil er es an der Maschine sowieso nicht hören würde, sagt seine Frau. „Naja, ich höre schon ein bisschen schlecht, aber für ein Hörgerät bin ich zu eitel“, erklärt der 84-Jährige.

Neben dem typischen Lösungsmittelgeruch des Klebers („Manche riechen das gern, manche meinen, das stinkt - aber ich rieche es überhaupt nur, wenn ich frisch aus dem Urlaub komme!“) gehört in dieser Schusterwerkstatt der unverwechselbare Zigarrengeruch zur Atmosphäre. Und natürlich der unvergleichlich charmante Smalltalk mit dem der Meister aller Leisten die Damen zum Lächeln bringt. „Mylady“ oder „Gnädigste“ klingt aus seinem Mund ganz selbstverständlich.

Eine seiner Dauerkundinnen habe er mal zu einem Kollegen schicken müssen, als er selbst auf dem Sprung nach Meran war. Die sei anschließend ganz entsetzt zu ihm gekommen und habe sich bitter beschwert, weil der andere Schuster außer Guten Tag und Auf Wiedersehen kein Wort zu ihr gesagt habe. „Da gehe ich nie wieder hin“, sei ihr Fazit gewesen.

„David, pack der Dame die Schuhe ein, die ist auf der Flucht nach Mallorca“, weist er seinen Enkel an, während er der Kundin prophezeit, sie werde dort am Strand sicher für Furore sorgen. Seinen Stammkunden, an denen er bis heute keinen Mangel hat, bringt er die reparierten Schuhe zuweilen auch selbst vorbei: „Da freut sich doch der Herr Ofenstein, wenn ich komme.“

Golbach ist kein Typ für Gejammer. Aber dass die Schuhe früher besser und haltbarer waren, steht für ihn außer Zweifel. „Alles Leder, das Futter und die Brandsohle war Standard, nix billig geklebt, sondern handgenäht, da hatte man lange Freude dran“, sagt er. Heutzutage wisse man manchmal gar nicht mehr, um welches Synthetikmaterial es sich handele, wo der Schuh herkomme. „Aber es gibt wieder mehr Leute, die sich gutes Schuhwerk leisten und es auch pflegen und reparieren lassen“, zeigt er sich zuversichtlich. Fragt sich nur, von wem. Vielleicht überlegt es sich der Enkel doch noch mal - die Innung würde es ihm danken. (Carla Ihle-Becker)+++






Schuhmachermeister Reinhold Golbach (l.) im Gespräch mit Helmut Franschläger, Präsident des Deutschen Schuhmacherhandwerks - Fotos (4): Kreishandwerkerschaft FD

Zu Ehren der 700 Jahre Schuhmacher-Innung fand am Sonntag ein Empfang im Stadtschloss statt .Von l. nach r.: Kreishandwerksmeister Claus Gerhardt, Handwerkskammer-Präsident Gerhard Repp, Bürgermeister Dr. Wolfgang Dippel


Obermeisterin Sylvia Franc-Kotsch und der stellvertretende Obermeister Andreas Kugler.

Die Zunfttruhe der Schuhmacher-Innung

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