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17.10.07 - Fulda

Aufregung bei GWV: Pflanzenschutzmittel-Abbauprodukt im Grundwasser

Im Bereich einiger Trinkwasserbrunnen der Gas- und Wasserversorgung (GWV) Fulda wurde durch neueste Analyse-Techniken das bis dato nicht bekannte Abbauprodukt des Pflanzenschutzmittels Chloridazon-desphenyl in Kleinstmengen entdeckt. Wie GWV-Geschäftsführer Dr. Peter Szepanek gestern Abend in einem Gespräch mit "Osthessen-News" bestätigte, wurde davon umgehend das zuständige Kreisgesundheitsamt Fulda in Kenntnis gesetzt. Gleichzeitig betonte der GWV-Chef aber auch, dass von der nachgewiesenen Substanz nach Einschätzung des Bundesamtes für Risikobewertung in Berlin im festgestellten Konzentrationsbereich "keinerlei gesundheitliche Gefahr" ausgehe. Außerdem stehe die Gas- und Wasserversorgung Fulda mit diesem Problem nicht alleine da: auch in Trinkwasserproben verschiedener Versorger in Hessen sowie anderen Bundesländern sei Chloridazon-desphenyl in Millionstel Teilen eines Liter Wasser nachgewiesen worden.

Mit immer feineren Analyse-Techniken können heute Stoffe schon in Kleinstmengen nachgewiesen werden, von deren Existenz vor wenigen Jahren niemand wusste, betonte Dr. Szepanek. Seit Ende letzten Jahres wurde aufgrund dieser neuen Analyse-Techniken in mehreren Bundesländern das bis dato nicht bekannte Abbauprodukt eines Pflanzenschutzmittels in Kleinstmengen im Trinkwasser entdeckt: Chloridazon-desphenyl.

Nachdem dieser Stoff auch in Trinkwasserproben verschiedener hessischer Versorger gefunden worden ist, darunter bei Hessenwasser, dem größten hessischen Wasserversorger (Großraum Frankfurt, Wiesbaden, Darmstadt), hatte GWV auf eigene Initiative auch ihre Brunnen und Quellen auf die Substanz untersuchen lassen. Ergebnis: Das Wasser aus den Quellen in waldreichen Gegenden der Rhön, mit dem unter anderem Teile der Fuldaer Innenstadt versorgt werden, enthält keinerlei Spuren dieser Substanz.

In Wasserproben einiger Brunnen, die im landwirtschaftlich genutzten Bereich westlich von Fulda liegen, wurden jedoch kleinste Mengen hiervon festgestellt – und zwar bis zu 0,8 Millionstel Gramm pro Liter am Eingang des Wasserwerkes. Diese Minimalmenge liegt noch weit unter dem neuen Grenzwert von 10 Millionstel Gramm pro Liter, der vom Hessischen Sozialministerium zugelassenen höchsten Konzentration dieser Substanz im Trinkwasser betroffener Wasserwerke. Da jedoch der generell gültige Meldewert der Trinkwasserverordnung für Pflanzenschutzmittel überschritten wurde, informiere GWV nunmehr auch die Öffentlichkeit über diese Befunde.

Um die Menge deutlich zu machen, nutzte Dr. Szepanek ein Rechenbeispiel: ein Schwimmbecken mit 50 Meter Länge, 20 Meter Breite und drei Meter Tiefe enthalte drei Millionen Liter Wasser. Und in diesem Menge werde der Inhalt eines Teelöffels nachgewiesen. Und noch eine Zahl: um eine Bodenschicht von etwa 100 Metern zu durchdringen, brauche das für Menschen unschädliche Mittel - es wird vor allem im Bereich von Zuckerrüben und Rapsanbau eingesetzt - etwa fünf bis neun Jahre.

Im Rahmen ihrer bestehenden und bewährten Kooperation mit der Fuldaer Landwirtschaft wird GWV als erste Maßnahme darauf hinwirken, dass der nach wie vor zugelassene Wirkstoff Chloridazon in den Wassereinzugsgebieten der GWV nicht mehr zum Einsatz kommt. Über diesen freiwilligen Verwendungsstopp hinaus fordert das Unternehmen gemeinsam mit anderen hessischen Wasserversorgern das hessische Umweltministerium auf, für einen generellen Anwendungsstopp der entsprechenden Pflanzenschutzmittel zumindest in Wassereinzugsgebieten zu sorgen. Derzeit existieren keine technischen Methoden, um solche Substanzen nachträglich aus dem Wasser zu entfernen.

Bundesweit fordern die Verbände der deutschen Wasserwirtschaft, denen auch GWV angehört, seit langem von der Politik, dass bei der Zulassung von Pflanzenschutzmitteln der Gewässerschutz eine stärkere Beachtung finden muss. Insbesondere sollten die Hersteller von Pflanzenschutzmitteln - über deren Zulassung hinaus - in die Verantwortung für ihre Produkte eingebunden werden. An die Adresse der Politiker wurde appelliert, sich nachhaltig für den Schutz der Trinkwasserreserven einzusetzen.

Dr. Szepanek, Geschäftsführer der GWV, ergänzt: „Unser heimisches Trinkwasser hat höchste Güte. In den vergangenen Jahren sind bei Wasserproben nirgends auch nur Spuren von Pflanzenschutzmitteln festgestellt worden. Auch wenn Chloridazon-desphenyl jetzt lediglich in Kleinstmengen von Millionstel Gramm pro Liter bei uns nachweisbar geworden ist – und das auch nur bei einigen Brunnen –, kann uns das nicht gleichgültig sein. Denn unsere Trinkwasservorkommen müssen nachhaltig geschützt werden, damit sie auch zukünftigen Generationen zur Verfügung stehen.“

HINTERGRUND - was ist C h l o r i d a z o n? In Nachschlagewerken und auf Websites sind unter dem Stichwort "Chloridazon" folgende Informationen zu finden:

GLOBACHEM N.V. "Der Wirkstoff Chloridazon ist ein selektives, systemisches Herbizid. Chloridazon wird schnell über die Wurzeln aufgenommen, die Verlagerung erfolgt acropetal bis in alle Teile der Pflanze. Das Herbizid Chloridazon wird zur Kontrolle von einjährigen, breitblättrigen Unkräuter bei Zuckerrüben, Futterrüben und roten Rüben eingesetzt. Chloridazon wird zur Vorsaateinarbeitung, Vorauflauf- und Nachauflaufbehandlung mit einer Aufwandmenge von 1,3-3,25 kg Wirkstoff pro ha benutzt. Chloridazon wird oft zusammen mit anderen Herbiziden eingesetzt".

BAYERISCHE LANDESANSTALT FÜR LANDWIRTSCHAFT: "BASF AG und Skyanide Chemicals GmbH stimmen vorsorglichen Einschränkungen bei der Anwendung des Pflanzenschutzmittelwirkstoffes Chloridazon zu. .....Im November 2006 wurden in Baden-Württemberg und in Bayern erstmals erhöhte Werte von Chloridazon-desphenyl [Metabolit B] im Grundwasser und dann auch im Trinkwasser festgestellt. Die Schwerpunkte der Belastungen liegen in den durch den Rübenanbau geprägten landwirtschaftlichen Gebieten. Der Metabolit B ist ein Abbauprodukt des Pflanzenschutzmittelwirkstoffes Chloridazon..... Die mit den Herstellern und Zulassungsinhabern auf freiwilliger Basis vereinbarten Einschränkungen dienen dem Schutz des Grundwassers und des Trinkwassers".

UMWELTMINISTERIUM BADEN-WÜRTTEMBERG: "02.03.2007 Die Verwendung des Pflanzenschutzmittelwirkstoffes Chloridazon wird ab diesem Frühjahr in Baden-Württemberg und Bayern eingeschränkt. "Wir haben uns mit den Herstellern darauf verständigt, dass der Wirkstoff Chloridazon aus Vorsorgegründen nur noch eingeschränkt zum Einsatz kommt", erklärten am Freitag (2. März 2007) Umweltministerin Tanja Gönner und Verbraucherminister Peter Hauk in Stuttgart. Ende vergangenen Jahres seien in Baden-Württemberg und in Bayern im Grundwasser und im Trinkwasser Rückstände des Abbauprodukts Chloridazon-Desphenyl des Pflanzenschutzmittelwirkstoffes Chloridazon festgestellt worden. "Davon ging zwar keine Gefährdung für Natur und Umwelt aus. Wir wollen dennoch dafür Sorge tragen, dass der Eintrag in das Grundwasser so gering wie möglich gehalten wird. Der vorbeugende Gewässerschutz hat einen hohen Stellenwert", betonte Umweltministerin Gönner."

WIKIPEDIA - die freie Enzyklopädie: "Chloridazon ist ein selektives Herbizid (Pflanzenschutzmittel) aus der Gruppe der Pyridazin-Derivate, welches zum Beispiel beim Rübenanbau eingesetzt wird. Es wirkt durch Hemmung der Photosynthese und der Hill-Reaktion und wird über die Wurzeln der Pflanzen aufgenommen. Da das seit vierzig Jahren eingesetzte Chloridazon (in Form des Abbauproduktes Chloridazon-Desphenyl) im Jahr 2007 im Grundwasser nachgewiesen wurde, verpflichtete sich die chemische Industrie im März 2007 freiwillig, auf den Einsatz in Trinkwasserschutzgebieten zu verzichten. Chloridazon kann über das Zwischenprodukt Mucochlorsäure hergestellt werden." +++

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