Spielzeit 2014/15 im Schlosstheater - LIEDER: "Ich provoziere gern"

19.09.14 - "Es gibt keine Aufführung, in der ich mich einfach zurücklehne." Welcher Satz würde mehr für eine Theaterleiterin sprechen als dieser. Er zeigt: sie will in erster Linie das Publikum begeistern. Angelika Lieder führt seit 15 Jahren das Fuldaer Schlosstheater kompetent und vollkommen unaufgeregt. Die Jonglage zwischen Publikumsinteresse, Terminvorgaben und dem finanziellen Rahmen gelingt ihr seither scheinbar problemlos. Wie sie das alles unter einen Hut kriegt, obwohl sie selbst sagt, dass "die Balance sehr, sehr schwer" ist, was die neue Spielzeit Spannendes zu bieten hat und wie sie bei all den Anforderungen trotzdem so in sich ruht, hat sie OSTHESSEN|NEWS im Interview erzählt.   

"Die vergangene Spielzeit ist sehr gut gelaufen", so Lieder. Bei 680 Sitzplätzen gab es eine beachtliche Auslastung von 90,44 Prozent. Trotz vieler Theaterangebote in der Umgebung ist der Spielplan des Fuldaer Schlosstheaters also bestens angekommen. Auch Kulturdezernent und Oberbürgermeister Gerhard Möller weiß, was er an der Leiterin und seinem Fuldaer Publikum hat: "Frau Lieder schafft es immer wieder, interessante Stücke und Bühnen auszuwählen. Die Neugier und Begeisterung des Publikums ist in jeder Spielzeit bemerkenswert", so Möller.

Provokante Stücke und hochkarätige Besetzung

Über die Auswahl der Inszenierungen sagt Angelika Lieder, dass jedes Stück "gut sein" müsse - gut besetzt und gut gebaut. Nie würde sie Stücke auswählen, die zwar berühmt besetzt, aber schlecht gemacht sind. Dabei hält sie stets die Balance zwischen aktuellen und historischen Werken und versucht etwas zu finden, "was einen aufbaut" und was die "Zuschauer nach einem langen Arbeitstag interessiert". Natürlich darf es auch Stücke geben, die provozieren, die polarisieren, nach denen vermehrter Diskussionsbedarf besteht. "Die Mischung macht´s", ist sich die Theaterfrau sicher. Für ihre Auswahl bereist die Bühnen-Expertin die deutschen Theater und schaut sich verschiedenste Inszenierungen an. Ihre Auswahl trifft sie auch in Zusammenarbeit mit Agenturen, die Vorschläge unterbreiten und ihr bei Interesse Skripts zusenden, die Lieder intensiv durcharbeitet. Da Fulda ein so genanntes Bespieltheater ist, also eines ohne eigenes festes Ensemble, versucht Lieder dann schnellstmöglich einen Termin zu finden, der in die Tourneen der Theater und in ihren eigenen Zeitplan passt.

In der neuen Spielzeit darf sich das Publikum wieder auf einige Highlights freuen: sei es bereits der Auftakt mit Ulf Schmidts "Schuld und Schein" (23. September 2014) - ein "Geldstück", dass die Leiterin den Besuchern besonders ans Herz legt - oder sei es die gehaltvolle Komödie mit dem aberwitzigen Titel "Ich bin wie ihr, ich liebe Äpfel" (13.11.2014) von Theresia Walser. Aber auch Stücke wie Süskinds "Der Kontrabass", Shakespeares "Was ihr wollt" oder Kleists "Amphitryon" werden aufgeführt. Mit ihrer exquisiten Auswahl holt Angelika Lieder nicht nur abwechslungsreiche Stücke, sondern auch berühmte Schauspieler nach Fulda: Volker Lechtenbrink, Doris Kunstmann, Gerit Kling, Helmut Zierl, Max Tidorf und Dominique Horwitz - um nur einige zu nennen. Die Darsteller werden im Schlosstheater persönlich in Empfang genommen und rundum betreut. Dafür ist die Stadt Fulda durchaus bekannt, weiß auch Möller: "Ich kann mich voll auf Frau Lieder und ihre Betreuung der Schauspieler verlassen." 

Kostensteigerungen, Absurdes und das vielschichtige Publikum

Das finanzielle Aufkommen wird vom Haushalt gedeckt und durch den Förderverein unterstützt, der auf Angelika Lieders Initiative hin gegründet wurde und sowohl das Tanztheater als auch Theaterworkshops oder andere, außergewöhnliche Termine finanziert. "Natürlich ist es nicht ganz einfach, die entsprechenden Haushaltsmittel jährlich einzuplanen", so Oberbürgermeister Möller. "Bislang konnten wir den jeweiligen Spielplan ohne große Abstriche immer wieder im Budget absichern, wenngleich auch die Kostensteigerungen deutlich zu spüren sind. Eine entsprechende Anpassung der Eintrittspreise ist deshalb für die Spielzeit 2015/2016 notwendig."

"Das Fuldaer Publikum ist sehr vielschichtig", so Lieder. Die Operette erfreut sich immer größerer Beliebtheit, das Tanztheater ist immer ausgebucht, aber auch das Schauspiel habe ein treues Publikum. "Manchmal kommen Leute auf mich zu und sagen ’Frau Lieder, was tun Sie uns an: wir müssen diese Woche dreimal ins Theater gehen’. So etwas freut mich natürlich riesig", sagt sie. "Ich provoziere auch gern mal, aber man muss immer wissen, wo man sich befindet. Und das ist eben nicht in einer großen Theaterstadt, sondern wir sind immer noch in Fulda", so Lieder. Das Schlosstheater habe mit 3.000 Abonnenten ein treues Publikum, "wofür ich sehr, sehr dankbar bin". 

Das Skurrilste, was Angelika Lieder in ihrer Laufbahn je erlebte, war der Dirigent einer Aufführung des "Rosenkavalier", der in Fulda nicht mehr dirigieren durfte. Er ist damals vor der Aufführung in den Orchestergraben gestiegen, hat den Frauen Blumen mitgebracht und sich nett mit dem Orchester unterhalten und dann die Noten der Spieler mitgenommen. "Das war die schlechte Rache für etwas, wofür wir nichts konnten", so Lieder. Das Orchester hat dann teilweise auswendig gespielt, bis die Noten wieder vollständig waren. Trubel gab es auch bei einer Inszenierung mit Hannelore Hoger in der letzten Spielzeit, wobei die großartige Schauspielerin zwei Stunden vor Vorstellungsbeginn in Fulda ankam und nicht mehr sprechen konnte. "Da waren wir so kurz vor knapp noch auf der Suche nach einem HNO-Arzt, der sie behandeln konnte", erinnert sie sich.

Der Spielplan kann im Internet unter http://www.schlosstheater-fulda.de/ eingesehen werden, Tickets gibt es im Bürgerbüro oder im Theaterbüro oder auch online. (Anne Baumann) +++