"Maßanzug ist ein Stück Lebensgefühl"- Eva SCHÖNHERR ist Maßschneiderin für Herrenmode

24.10.14 - Er schmiegt sich perfekt an, fast wie eine zweite Haut. Ihn zu tragen verleiht Eleganz und Sicherheit. Einstecktuch, Grundstoff und Accessoires machen ihn zu einem Statement. Der perfekte Anzug ist ein Stück Lebensgefühl. In der Maßschneiderei „Der schöne Herr“ ist der Name Programm. Maßschneiderin Eva Schönherr, ihr Auszubildender Tobias Kind und eine weitere Kollegin fertigen hier Maßanzüge für Herren – vom ersten Entwurf bis zum fertig aufgebügelten Outfit.

Das Handwerk der Herrenschneiderei hat Eva Schönherr in der Schneiderei Kloster Frauenberg bei Bruder Gerhard Busche gelernt. Zwar machte ihr das Gestalten mit Stoff und das Schneidern schon früh Freude, flammende Leidenschaft wurde es aber erst später. „Als ich die Lehre begann, was mir das gar nicht klar. Die wirkliche Liebe zu diesem Handwerk ist in der Lehre entstanden“, sagt Schönherr im Gespräch mit OSTHESSEN|NEWS. Die Maßschneiderei für Herren ist, das erklärt Schönherr, ein ganz traditioneller Beruf. Die Möglichkeiten seien recht eng gesteckt, dennoch gebe es viele Gestaltungsmöglichkeiten. Nichtsdestotrotz könne man eine klare Unterscheidung treffen: Bei Damenmode gehe es mehr um Variation, bei Herrenmode um Handwerk.

Alles Handarbeit

Herrenschneiderei ist traditionelles Handwerk. Die Anzüge bekommen ihre Form nicht ...Fotos: Anna Medlin

Die ersten Teile eines Anzugs

Für den Maßanzug entscheidet man sich bewusst

Das passt, denn Schönherr möchte, dass ihre Kreationen lange halten, lange tragbar und zeitlos schön sind. Ihre Kunden seien dabei nicht weniger anspruchsvoll als Frauen und wüssten genau, was sie wollen. Das zeigt sich auch im Preis: ab 2.200 Euro für einen zweiteiligen Anzug, bestehend aus Sakko und Hose. Nach oben hin sind preislich keine Grenzen gesetzt. Es gibt bereits Stoffe für 200 Euro pro Meter. Bei einem Stoffverbrauch von rund 3,40 Meter für einen durchschnittlich gebauten Mann kann schnell eine größere Summe zustande kommen. Aber: „Wenn man die Entscheidung trifft, sich einen Maßanzug schneidern zu lassen, dann bewusst.“

Schönherr und ihre Mitarbeiter haben den Anspruch, ihre Kunden möglichst optimal einzukleiden. Der perfekte Anzug braucht einiges. Er muss stilistisch zur Person passen, eine optimale Passform haben und qualitativ gut gearbeitet sein. Sind diese Voraussetzungen gegeben, kann ein Anzug zwar keine 20 Kilo Körpergewicht wegmogeln, aber kleinere Makel verstecken und optisch optimieren. „Es gibt niemanden, der wirklich gerade ist. Das gilt es zu berücksichtigen, aber so, dass sich der Träger wohl fühlt“, erklärt die Schneiderin. Zwar sprächen Männer nicht direkt über ihre Problemzone, dennoch seien sie froh über eine Beratung.

Mit dem Anzug wächst das Selbstbewusstsein

Vor allem der Entstehungsprozess fasziniere viele ihrer Kunden. Mit wachsendem Anzug wachse auch das Selbstbewusstsein. Kaum verwunderlich, denn das Team von „Der schöne Herr“ versucht, für jeden Kunden das Beste herauszuholen und auf dessen Charakter und Person einzugehen. Ist Individualität beim uniformartigen Männeroutfit möglich? Dank mehrerer exklusiver Webereien schon. Schönherr bezieht ihre Stoffe unter anderem aus Schottland und kann unzählige Muster und Farben anbieten.

Azubi Tobias Kind zeigt den Siegeranzug

Eva Schönherr (rechts) zieht nochmal den Anzug von Azubi Tobias Kind zurecht ...

Mit einem optimalen Anzug gewann das Atelier nun die Goldmedaille beim 54. Bundeskongress des Maßschneiderhandwerks. Ihr Dreiteiler im britischen Stil mit Karomuster, roter Weste und Einstecktuch erfüllte die Wettbewerbskriterien. Dabei wird neben Passform und Stil auch auf die Verarbeitung des Stoffes geachtet. Schönherr wählte einen Stoff mit feinem Karomuster, bei dessen Verarbeitung man sehr gut aufpassen muss, um das Muster nicht zu unterbrechen. Das preisgekrönte Stück hat einen Wert von knapp 2.900 Euro.

Zeitlose Mode braucht jedoch Zeit und so dauert es etwa sechs Wochen, bis so ein Maßanzug fertig ist. Dieser soll schließlich ein dauerhafter Begleiter für seinen Träger sein. Manchmal wird die Leidenschaft für Maßkleidung und damit das Wertverständnis über Generationen weitergegeben. Noch ein Grund, weshalb Eva Schönherr und ihr „schöner Herr“ wohl so schnell nicht aus der Mode kommen. Mehr Informationen unter www.der-schoene-herr.de (Sabrina Ilona Teufel)+++