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Rekordtief an osthessischen Zapfsäulen: Wenn der Mensch vom wilden Affen gebissen ist
24.10.14 - Haben Sie auf Ihrer letzten Safari in der afrikanischen Steppe Löwen Schlange stehen sehen, weil das Kilo Zebra gerade im Angebot ist oder der Liter frisches Flusswasser zwei Cent günstiger verkauft wird? Wahrscheinlich nicht. „Löwen machen keine Hamsterkäufe, weil sie ja keinen Kühlschrank zum Lagern haben“, werden jetzt einige aufgeweckte Zeitgenossen einwenden. Das stimmt. Trotzdem lautet die Frage: Ist die Tierwelt der Spezies Mensch intellektuell in einigen Lebensbereichen nicht einen Tick voraus? Beispiel 1: Der Zweibeiner übernachtet schon mal in der Innenstadt, um sich am nächsten Morgen ein neues iPhone zu ergattern. Von Löwen, Zebras, Stubentigern oder Meerschweinchen, die sich deswegen ihre Nacht im Schlafsack um die Ohren schlagen, ist bisher nichts bekannt. Und sagen Sie nicht, die mögen keine Äpfel.
Beispiel 2: Der Mensch blieb in den vergangenen Tagen in Osthessen unter sich, als er bereitwillig in bis zu 40 Kilometer langen Staus vor Tankstellen ausharrte, um beim Zapfen von Sprit bis zu satte 2 Cent pro Liter zu sparen. Der Homo sapiens im Kleinstwagen denkt nämlich so: „Bei 1.000 Litern sind das 20 Euro.“ Viel rationaler handelt die Tierwelt: „In meinen Panda, Käfer, Puma oder die Ente passen höchstens 40 Liter rein. Wegen 80 Cent bleib ich doch im Unterholz liegen.“
Zurück zum Menschen. Der steht seit fünf Stunden im Tankstellen-Stau oder ist extra von Besges nach Bad Hersfeld gefahren, weil hier Esso oder Aral gerade im einstelligen Cent-Bereich an der Preisschraube gedreht haben. Sparen an sich ist ja aller Ehren wert. Doch dann unterläuft ein klassischer Fehler, weil Irren menschlich ist: Die Supermärkte haben ob des Sprit-Spleens schon lange geschlossen, aber zu Hause wartet die hungrige Familie. „Milch, Toastbrot, Butter und Wurst kann ich auch in der Tanke kaufen“, weiß sich der Zweibeiner zu helfen. Spart 1,16 Euro für Super Plus und berappt im Gegenzug 32,80 Euro für vier Lebensmittel. Sind die Tiere auch so dusselig? Nö! Der frühe Vogel fängt den Wurm. Deswegen trifft man abends im Petit Bistro weder Amsel, Drossel, Fink noch Star.
Wir bleiben an der Tankstelle. Dieser Ort des fröhlichen Zapfens ist ein Spiegel des menschlichen Charakters. Beobachten Sie mal jene Kreaturen, die zum Einführen des Tankschlauchs spezielle Einweghandschuhe über die Finger streifen. Jede Wette, dass diese Geschöpfe anschließend zurück im Fahrzeug ein lautes Hupkonzert hinter sich provozieren, weil sie die nächste halbe Stunde damit beschäftigt sind, aus purer Langeweile am Leben ein privates Fahrtenbuch pingeliger auszufüllen als ein Cargo-Mitarbeiter die Frachtpapiere. Kennen Sie einen Elefanten, der zum Einweghandschuh greift, wenn er sich seinen Rüssel in seinen Tankstutzen steckt?
Das Gute: Der Mensch ist lernfähig. Wenn er sieht, dass die Tierwelt etwas besser macht, scheut er sicht nicht davor, dieser nachzueifern. Am kommenden Sonntag beispielsweise haben die Geschäfte in Fulda geöffnet. Dann stürzen sich die Menschen wie die Geier auf vermeintliche Schnäppchen, schieben sich wie aufgescheuchte Hühner durch überfüllte Läden und machen sich zum Affen.
Hintergrund
„Wielochs wirre Welt" erscheint heute am 50. Freitag in Folge bei OSTHESSEN|NEWS. Jochen Wieloch (38) blickt dabei pointiert, humorvoll und teilweise mit einer gehörigen Portion Ironie auf die Ereignisse, die die Menschen in der Region und im Land bewegen. Der Petersberger kennt sich als selbstständiger Redakteur in den Medien Print, TV und Internet bestens aus, ist Buchautor und als Spezialist für Unterhaltungselektronik gefragter Autor für zahlreiche Verlage, Magazine und Fachzeitschriften. Außerdem berät und betreut der 38-Jährige Unternehmen in allen Fragen der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit. Neben dem ZDF, 3sat und dem Bayerischen Rundfunk arbeitete Jochen Wieloch unter anderem auch für die Motor Presse in Stuttgart und auto-tv in München. Für osthessen-tv.de stellt der Germanist neuerdings regelmäßig automobile Neuheiten in Filmbeiträgen vor. +++