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REGION GRENZLAND (2)

Geschenksendung - keine Handelsware! Was kam in ein WESTPAKET? - VIDEO

04.11.14 - 25 Jahre - ein Vierteljahrhundert - ist inzwischen vergangen, seit sich die Mauer zwischen West- und Ostdeutschland am 9. November 1989 öffnete. Mit unserer siebenteiligen Serie wollen wir ein paar Aspekte dieser jüngsten deutschen Vergangenheit wieder in den Fokus nehmen. Inspiriert wurden wir vom Theaterstück Grenzland, das das Theater mittendrin, Barbara Gottwald und Jessica Stukenberg, nach eingehender Recherche und Interviews mit vielen Zeitgenossen geschrieben haben. Verdichteter und genau auf den Punkt gebracht, kann man das Thema kaum beleuchten. Einzelne Szenen zeigen wir im Video und empfehlen, sich das Stück im Original anzusehen.

In Straßenumfragen mit der Kamera sprachen wir dann Menschen gezielt auf die verschiedenen Themenkomplexe an, bekamen fundierte und berührende Antworten - aber auch eine Menge Nichtwissen vor allem bei den jüngeren Befragten. Das Theaterstück Grenzland sollte deshalb obligatorischer Unterrichtsstoff werden...

Geschenksendung keine Handelsware. So und nicht anders musste es auf allen Päckchen und Paketen stehen, die von West nach Ost, von der BRD in die DDR geschickt wurden - quasi das Pendant zum amerikanischen Carepaket nach dem Zweiten Weltkrieg. Und geschickt wurde reichlich, auch wenn durchaus nicht garantiert war, dass die Geschenksendung ihren Adressaten auch wirklich und vollständig erreichte. Kaffee, Tee, Kakao, Schokolade, Nylonstrümpfe, Süßes, aber auch Backzutaten wie Orangeat und Zitronat, Mandeln und Puderzucker für den berühmten Christstollen und vieles andere mehr. Wer so dumm war, Zeitungen, Zeitschriften oder Bücher von Westautoren zu verschicken, musste sich nicht wundern, wenn die komplette Sendung konfisziert wurde. Natürlich wurde weder der Sender noch der Empfänger von dieser staatlichen Unterschlagung benachrichtigt. Das erfuhr man - wie sich eine der von uns Befragten in Gera erinnert -  wenn der Absender heimlich eine Inhaltsliste beigefügt hatte. Wenn man sich im Brief erkundigte, ob dies oder das gut angekommen war, bekam man selten eine ehrliche Antwort. Grund: der Staat las mit.

"Ick reiß Dir uff wien Westpaket"

DDR-Bürger mit spendabler Westverwandtschaft erzählen von der Dankbarkeit und Freude, die eine solche Gabe bei ihnen auslöste. Und was man selber nicht gebrauchen konnte, war immer noch ein geeignetes Tauschobjekt. Die Aufregung und Vorfreude beim Öffnen spiegelt sich auch im zärtlich-ruppigen Ostberliner Spruch "Ick reiß Dir uff wie´n Westpaket".

Offenbar rochen diese Westpakete - wegen ihres Inhalts oder ihrer Herkunft - alle unverwechselbar. Eine Bekannte aus Grimma in Sachsen erzählte von "ihren Wessies", die sie zwar nie persönlich getroffen hatte, deren Pakete aber stets hochwillkommen waren. "Im Dezember nach dem Mauerfall klingelte es auf einmal abends bei uns an der Tür. Ich machte auf und schaute ratlos auf ein mir gänzlich unbekannte Paar. Doch kaum hatte ich ihren Geruch in der Nase, war mir sofort klar: das sind die Paketabsender. Sie rochen ja genau wie das Westpaket!"

Doch die Post transportierte nicht nur von West nach Ost, sondern auch reichlich in umgekehrter Richtung. Ihre Dankbarkeit drückten die Ossies zum Beispiel mit dem erwähnten Christstollen nach Familienrezept aus, der so gehaltvoll war, dass er sich ohne weiteres bis Ostern frisch hielt. Amiga-Klassikplatten von Thomanern und Kreuzchor, Räuchermännchen, Engel und Bergmann und Schwippbögen aus dem Erzgebirge, Holzspielzeug aus Seifen, Noten und Klavierauszüge von Breitkopf und Härtel und der Edition Peters, Bücher und Bildbände von Aufbau-Verlag bis Reclam und, und und... +++Carla Ihle-Becker

Zitiert aus Grenzland

Frau B: "Einfach nur von diesem Bewusstsein, dass es reiner Zufall ist, wo diese Grenze lang ging. Und dass wir aus reiner Dankbarkeit diese Hilfsangebote unterstützt haben. Und ich schon immer das Gefühl hatte, dass es gut war. Und die Dankbarkeit, dass wir in Freiheit und Demokratie aufwachsen durften. Das wurde uns in der Familie auch immer vermittelt." 

Herr E, Jahrgang 1940, ehemaliger Postbeamter, BRD: "Dabei bangte man, hoffentlich wird es auch ankommen. Man hörte immer wieder, ja, da ist ein Teil verschwunden. Da kamen Leute, denen man ansah, naja, so dicke haben sie es nicht. Die waren traurig und enttäuscht, dass gerade bei ihren Verwandten, die es auch nötig hatten, nichts ankam."

Herr F, Jahrgang 1934, ehemaliger Beamter, BRD: "Und da sage ich: „Kannst du mir mal erzählen, wie in dein WC lauter Westdeutsche Produkte kommen. Die schicken wir euch doch gar nicht.“ Da sagt er zu mir: „Das sind eure Pakete, die beschlagnahmt werden. Und da gibt es in der Stadtverwaltung einen Raum, in den dürfen nur die Oberbonzen rein und die kaufen das nicht mit Westgeld, sondern die bezahlen dafür richtig Ostgeld und dann kriegen die die Westdeutschen Erzeugnisse.“

Szene aus Grenzland Theater mittendrin

Barbara Gottwald (links) und Jessica Stukenberg


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