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LAUTERBACH Aktiv Willkommenskultur schaffen

Ungeahnte Resonanz bei Ausbildung zum Flüchtlingsbegleiter

07.11.14 - „Mit 8 bis 10 Personen haben wir gerechnet. 41 Anmeldungen sind eingegangen“ staunte Ralf Müller, Referent für Erwachsenenbildung im Evangelischen Dekanat Alsfeld über das große Interesse an der Kurzausbildung zum Flüchtlingsbegleiter, die am Mittwoch in Lauterbach startete.

Ob in der allgemeinen Sprechstunde, beim Deutschlernen, in der Begleitung von Familien mit Kindern oder im Treffcafé, die Anliegen und Fragen der Flüchtlinge seien zahlreich und Unterstützung in der Flüchtlingsarbeit werde auch im Vogelsbergkreis an allen Ecken und Enden gebraucht. Geschichten von Flucht und Vertreibung fänden sich im Alten Testament zahlreich, so der Hinweis Müllers auf die christliche Verantwortung, Fremden zu helfen und Flüchtlinge aufzunehmen. In seiner Vorrede am ersten Kursabend benannte er jedoch auch die Grenzen eines solchen Ehrenamts. Ein ehrenamtlicher Begleiter sei weder Therapeut noch Sozialpädagoge.

Es sei Ziel des Kurses, auszuloten, welche Bereiche der Beratungsarbeit für jeden Einzelnen passend wären. Dem einen liege es, sich in Sach- und Rechtsfragen einzuarbeiten, andere nähmen sich lieber Zeit fürs Deutschlernen und die Integration in Sport- oder Musikvereine. Mancher möchte lieber eine konkrete Familie verbindlich begleiten. Ein anderer steht lieber zu festen Terminen als Ansprechpartner in der Sprechstunde zur Verfügung. Die Möglichkeiten, sich einzubringen, sind vielfältig und zeitlich flexibel zu gestalten.

Anonymisierte Gesprächsprotokolle von Fluchtgeschichten, wurden von Andrea Hornisch und Hans-Günther Oer vorgetragen. Meist fügten beide noch mündlich an, wie die Geschichten inzwischen ausgegangen sind – zumeist positiv und hoffnungsvoll. Dennoch war den Gesichtern der Zuhörer anzusehen, wie bewegend es ist, solche Schicksale zu hören. Ralf Müller sprach aus, was manchmal in Vergessenheit gerät: „Egal welchen Schwerpunkt man in der Flüchtlingsbegleitung als Ehrenamtlicher setzt, immer schwingen die Fluchtgeschichten mit, die das Gegenüber mit sich herumträgt.“

Dass auch die Teilnehmerschaft eine bunt gemischte Truppe ist, konnte man während einer Austauschphase in kleinen Gesprächsgruppen erfahren. Viele der Teilnehmenden haben die Welt bereist oder für längere Zeit im zum Teil außereuropäischen Ausland gelebt. Manche haben Großeltern oder Eltern, die z.B. aus Ostpreußen vertrieben wurden. Einer ist sogar selbst vor Jahrzehnten als Flüchtling nach Deutschland gekommen. Manche sind längst in der Flüchtlingsarbeit tätig und erhoffen sich durch die Ausbildung strukturiertes Wissen über Asylverfahren und weitere Rechtsfragen. So begleitet Janis Walper im Rahmen seines einjährigen Schulpraktikums bereits seit August Flüchtlinge in Alsfeld. Drei Tage pro Woche ist der 17-jährige für je acht Stunden beim Caritasverband tätig. „Ich gehe gerne hin und freue mich auf die Leute. Man kann mit denen richtig was erreichen und kommt voran. Das macht einfach Spaß“, beschreibt der jüngste Teilnehmer seinen Praktikumsalltag mit den Flüchtlingen.

Ein Durchschnittsalter um die 50 lässt darauf schließen, dass die meisten der Teilnehmenden berufstätig sind. Zwei Drittel sind Frauen, was laut Ralf Müller für die bisher männerdominierte Flüchtlingsarbeit ungewöhnlich sei. Immerhin deuteten die umfangreichen Sprachkenntnisse auf so manchen Globetrotter hin. Fast alle sprechen Englisch und zum Teil Französisch, aber auch Arabisch, Kurdisch und afrikanische Sprachen sind vertreten.

Eine Teilnehmerin hat sogar schon mehrere Jahre in Jordanien in einem Flüchtlingslager gearbeitet und studiert nun in Fulda Sozialwissenschaften mit dem Schwerpunkt interkulturelle Beziehungen. Sie sagt: „Die kulturellen Unterschiede sind viel tiefer als wir ahnen. Die Flucht von Syrien nach Jordanien, also in ein Land dessen Kultur, Sprache und Klima den eigenen sehr ähnlich sind, sei etwas völlig anderes, als etwa aus Syrien nach Deutschland zu kommen.“ Aktiv eine Willkommenskultur zu schaffen, ist ein Anliegen, das viele in den kleinen Runden äußerten. Dazu gehöre die Hilfe beim Deutschkurs ebenso wie etwa die Begleitung bei Behördengängen oder Arztbesuchen, das Gespräch mit dem Fußballverein oder die Unterstützung bei der Wohnungssuche.

Für alle Fragen während der Ausbildung ist ein kompetentes Team ansprechbar: Walter Bernbeck, Hans-Günther Oer und Konrad Rüssel, seit vielen Jahren bei ProAsyl engagiert, begleiten die Kursgruppe. Der Caritasverband bringt mit Andrea Hornisch und Elena Renke die Expertise des Jugendmigrationsdienstes ein und auch Martina Heide-Ermel vom Diakonischen Werk will ihr Engagement in der Flüchtlingshilfe verstärken. Monika Wüllner vertritt die Volkshochschule des Vogelsbergkreises sowie Hessencampus Vogelsberg und kennt sich mit Sprachkursen, Alphabetisierung und Einbürgerungstests aus. Weiterhin haben die Evangelischen Dekanate Alsfeld und Vogelberg gemeinsam die Trägerschaft übernommen, als deren Vertreter Ralf Müller vor allem für organisatorische Fragen verantwortlich ist. Um besser arbeitsfähig zu sein, wurde der Kurs geteilt. Ab dem nächsten Termin trifft sich eine Hälfte bereits um 17 Uhr und die andere Hälfte um 19.30 Uhr.+++


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