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24 Stunden mit den Tieren leben: "Die haben hier Vollpension"
29.09.15 - Friedlich schlummernd ruhen die "Könige der Tiere" auf dem Boden. Ein Gehege weiter verteidigt ein Tiger brüllend sein Revier. Auch er liegt auf dem Boden. Wildes gegen die Gitterstäbe schmeißen? Fehlanzeige! "Die Raubtiere schlafen den halben Tag. Die haben hier Vollpension", erklärt der Pressesprecher des Charles Knie Zirkus, Patrick Adolph.
Da die "Großkatzen" rundum versorgt werden, ist ihr Jagd- und Bewegungsdrang eingeschränkt. Dennoch wird immer wieder der Vorwurf laut, die Gehege der Tiere seien zu klein. Grund genug, um sich über die Situation vor Ort einmal selbst ein Bild zu verschaffen. Tatsächlich wirken die Gehege des Zirkus Knie geräumig. Ein Teil des Schotters ist mit Stroh bedeckt, welches von Bauernhöfen stammt. Das Futterfleisch wird von einer Firma geliefert. Grünzeug und Baumstämme dienen als Beschäftigungsmaterial.
Andere Kulisse, ähnliches Bild: Auch Kamele und Zebras haben in ihrer Umzäunung ausreichend Platz und kauen entspannt vor sich hin. Lediglich die Raubtiere befinden sich sprichwörtlich hinter Gittern, um Mensch und Tier zu schützen.
Die Tiere wirken gelassen. Die Gehege verfügen über einen Zugang zu beheizten Transportern und so ist es den Tieren frei gestellt, ob sie sich außen oder innen aufhalten wollen. Dazu kümmern sich zehn Mitarbeiter täglich um die Versorgung der knapp 100 Lebewesen 30 verschiedener Arten. "Wenn ein Tier krank ist, dann sind es die Tierpfleger auch", sagt Adolph mit nachdenklichem Blick.
Trotzdem steht die Tierhaltung in Zirkusunternehmen seit Jahren in der Kritik. Nicht artgerecht, zu eng, zu viel Stress für die Tiere beim Transport, um nur ein paar der Vorwürfe zu nennen. Zahlreiche europäische Länder verbieten deswegen bereits teilweise oder vollständig Wildtiere im Zirkus. Fakt ist, das Medieninteresse ist hoch. Und nicht selten stürzen sich Tierschutzorganisationen wie Peta und Co. mit Demonstrationen und weiteren Aktionen auf Großzirkusse. Davon betroffen ist auch der Zirkus Charles Knie. Eine Beschwerde richtete sich zum Beispiel gegen die langen Standzeiten der Elefanten auf dem Transporter. In Ausnahmefällen könne es bei Verspätungen dazu kommen, dass die "Dickhäuter" länger als üblich dort bleiben, um die Vorschriften der Stadt einzuhalten. Dies sei kein Problem für die Tiere, da die Transporter beheizt seien.
"Wir machen nichts Gesetzwidriges. Wir werden 47 Mal im Jahr kontrolliert", verteidigt sich Pressesprecher Patrick Adolph. "Die Tiere haben alles, was sie brauchen". Natürlich gibt es auch schwarze Schafe unter den Zirkusbetreibern. So stehen Verurteilungen zu Bußgeldern und die darauf folgende Einlegung von Revision fast an der Tagesordnung. "Wir werden laufend verklagt", so Adolph. Was ihn am meisten daran verärgert, ist, dass sich die Haltung in den Zirkussen selbst zu wenig angesehen wird.
Den Mitarbeitern des Zirkus zufolge entscheidet die Größe der Geheges allein nicht über das Wohlbefindens der Tiere. Ihre Löwen, Tiger und Elefanten seien zudem meist Nachzuchten aus Zoos, Safariparks oder dem Zirkus selbst und daher an das hiesige Klima und begrenzten Freiraum gewöhnt. Zwar seien die Flächen nicht immer so groß wie in Fulda, dennoch werde der größte Teil der Fläche nach Adolph immer für Tier und Zelt genutzt. Artisten und Mitarbeiter nächtigen an anderer Stelle, manchmal zwei bis drei Kilometer entfernt.
Auslauf bei den Proben
Die Proben mit den Trainern und die Veranstaltungen in der Manege sorgen für zusätzlichen Auslauf. Dennoch stellt sich die Frage, ob die Tiere das überhaupt wollen? "Erklären Sie mir mal, wie ich an einem Tiger erkenne, ob er Lust hat oder nicht", sagt Adolph. Vielleicht liegt hier die Problematik.
Das Konzept funktioniert
Einbußen wegen der kritischen Stimmen von Peta und Co. gibt es laut Adolph aber keine. "Die Zuschauer wollen Tiere", stellt der Pressesprecher klar. Auch eine Umfrage einer Zeitung in Aschaffenburg hat hierzu ergeben, dass knapp 87 Prozent, also die deutliche Mehrheit, für Tiere im Zirkus ist. Die Elefanten zum Beispiel sind schon seit über 40 Jahren fester Bestandteil des Zirkus Charles Knie. Generationsübergreifend kümmern sich die "Dickhäuter-Chefs" in der Manege um ihre Schützlinge. Die Bindung zwischen Mensch und Tier ist sofort spürbar. Aufs Wort kommen die drei Elefanten aus ihrem Bereich und gehen mit ihrem "Chef" erst mal auf Schmusekurs.
Die Beteiligten rund um Charles Knie sind sich einig: Zum traditionellen Zirkus gehören Tiere dazu. Ohne sie, handle es sich lediglich um eine Varieté- oder Artistikshow. Überzeugen können sich Interessierte selbst. Vormittags und während der Vorstellungspausen haben Groß und Klein die Möglichkeit, einen Blick hinter die Kulissen zu werfen und den wilden Tieren ganz nah zu sein. Denn nur wer Tiere erlebt, entwickelt ein Interesse für sie und ihren Erhalt. "Jeder sollte für sich selbst entscheiden, was er machen will", findet Adolph. "Es kommt immer auf die Darstellung an". Dennoch ist es ihm ein Anliegen zu sagen, dass er absolut für Tierschutz und Kontrolle der Unternehmen ist, lediglich nicht für die radikale Vorgehensweise mancher Tierrechtler. (Helena Lemp)+++