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FULDA Geburtstags-Predigt

Bischof ALGERMISSEN im Kathedralamt: 70. Geburtstag von Generalvikar STANKE

09.11.15 - Bischof Heinz Josef Algermissen predigte am gestrigen Sonntag im Hohen Dom zu Fulda zur Feier des 70. Geburtstags von Generalvikar Prof. Dr. Gerhard Stanke. Die Predigt im Wortlaut:


"Lieber Herr Generalvikar, lieber Gerhard, liebe Schwestern und Brüder im Glauben! Es war in einer Biologiestunde während meiner Gymnasialzeit, als uns Schülern ein Zeitrafferfilm über das Wachstum der Pflanzen gezeigt wurde. Man sah eine Gruppe von Feldblumen, die sich dem Sonnenlicht entgegenstreckte. Durch die Zeitraffung war zu erkennen, wie jede Blume die andere auf die Seite zu drücken versuchte, und das mit einer solchen Gewalt und Rücksichtslosigkeit, dass ich regelrecht schockiert war. Die leuchtenden Blumen, die sich auf den ersten Blick so sanft im Winde zu wiegen schienen, zeigten in dieser Filmaufnahme eine Wildheit und Rohheit, die mir das Blut in den Adern gefrieren ließen.

Ich habe die Botschaft des Filmes damals erst verdauen müssen. Es ist eben ein Gesetz der Evolution: die Konkurrenz, der Kampf um den besseren, möglichst um den ersten Platz. Kein Wunder, dass unter uns Menschen das gleiche Gesetz herrscht! Überall, ob in Politik und Wirtschaft, ob am Arbeitsplatz oder im Klassenzimmer, oft sogar in Familien, ebenso in der Kirche, gibt es das Gerangel um die ersten Plätze.


Geist der Konkurrenz

Unter den Jüngern Jesu gab es offensichtlich auch diesen Geist der Konkurrenz: „Es entstand unter ihnen ein Streit darüber, wer von ihnen wohl der Größte sei“ (Lk 22, 24). In seiner Antwort auf die Auseinandersetzung der Jünger scheint Jesus den üblichen Umgang unter Menschen auf den Kopf zu stellen: „Bei euch aber soll es nicht so sein, sondern der Größte unter euch soll werden wie der Kleinste, und der Führende soll werden wie der Dienende“ (Lk 22, 26). Die Haltung des Dienens ist Jesu neue Lebensordnung. Nach dieser „Spielregel“ geht es also im Reich Gottes zu.

Da drängt sich unweigerlich die Frage auf: Will Jesus die Gesetze der Natur ändern? Ist sein Anspruch nicht völlig realitätsfern? Bei näherem Hinsehen fällt mir zweierlei auf: Zum einen sagt Jesus nicht: „Unter euch darf es keinen Ersten geben!“ Jesus stimmt also durchaus den Gegebenheiten menschlichen Zusammenlebens zu. Die Menschen sind zwar in ihrer Würde gleich, aber nicht in ihren Begabungen und in ihrer Leistungsfähigkeit. So hat Jesus ja auch unter den zahlreichen Jüngern zwölf als Apostel ausgewählt, also Erste, und unter diesen wieder den Petrus sozusagen zum „Vorsitzenden“ bestimmt.

Daneben stellt Jesus aber noch etwas entscheidend anderes: Wenn jemand schon oben steht, dann soll er sich nicht als „Herr“ aufspielen, dem die anderen blind zu gehorchen haben. Nein, er muss vielmehr der erste Diener sein. Er soll zuerst Verantwortung übernehmen, sich als Erster den Schwierigkeiten und Herausforderungen stellen. Jesus selbst hat mit der Geste der Fußwaschung, des gebeugten Rückens, das beste Beispiel für eine solche Haltung, für den Mut zum Dienen gegeben.


"Bewundernswerte Geduld und Feinfühligkeit"

Warum, lieber Gerhard, ist mir diese Textstelle aus dem 22. Kapitel des Lukas-Evangeliums im Zusammenhang mit Deinem Geburtstag so wichtig? Weil sich, nach meiner Wahrnehmung, in ihr eine wesentliche Dimension Deines Lebens widerspiegelt. Du hast über Jahrzehnte in verschiedenen Ämtern Verantwortung für die Kirche von Fulda getragen. Ich möchte aus Deinem reichen Leben einige Daten nennen: Nach der Priesterweihe am 4. April 1971 - wir beide gehören also zu einer Priestergeneration, die durch das Zweite Vatikanische Konzil geprägt ist - und der Kaplanszeit in Wächtersbach, Amöneburg und Bad Orb wurdest Du von Bischof Eduard Schick zu einem Spezialstudium der Moraltheologie in Würzburg freigestellt.

Nach der Promotion 1980 wurde Dir die wichtige Aufgabe als Regens unseres Priesterseminars anvertraut, die Du über 22 Jahre überzeugend und kompetent erfüllt hast. Als ich im Juni 2001 zum Bischof von Fulda ernannt wurde, batest Du mich bald um Ablösung, die im September 2002 erfolgte. Eine ganze Generation fuldischer Priester hast Du, lieber Gerhard, durch Deine Spiritualität und Deine natürliche Autorität geprägt, wofür ich Dir im Namen des Bistums herzlich danke. Parallel zur Aufgabe als Regens warst Du von 1991 bis 2004 ordentlicher Professor für Moraltheologie an der Theologischen Fakultät Fulda. Aus dieser Zeit stammen zahlreiche wissenschaftliche Beiträge und Veröffentlichungen von Dir.

In der Nachfolge von Weihbischof Johannes Kapp übernahmst Du von 2003 bis 2008 als mein Bischofsvikar das Personalreferat für Priester und Laien im pastoralen Dienst. In diesen fünf Jahren konntest Du an der Freude und Sorge der Priester, Diakone und Gemeindereferentinnen Anteil nehmen. Als ich Dich dann im Sommer 2008 bat, mein Generalvikar zu werden, hast Du nach kurzer Bedenkzeit „Ja“ zu dieser wichtigen Aufgabe gesagt, die zentrale Verwaltungsbehörde des Bistums zu leiten. In den letzten sieben Jahren fülltest Du mit bewundernswerter Geduld und Feinfühligkeit den Begriff „Dienstgemeinschaft“ mit Deiner ganzen Person aus. Als Generalvikar geht es Dir darum, eine Gemeinschaft unter den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der verschiedenen Abteilungen des Bischöflichen Generalvikariates zu bilden und die Einzelnen nicht aus dem Auge zu verlieren, damit im Ablauf des Arbeitsalltags zum Vorschein kommt, dass wir letzten Endes alle dem Herrn der Kirche dienen.

Lieber Gerhard, ich danke Dir persönlich für das ebenso ehrliche wie vertrauensvolle Verhältnis in all diesen Jahren, für die vielen Gespräche, bei denen wir ohne große Ouvertüre gleich zum Kern der Sache kommen konnten.

Immer wieder hast Du aus Liebe zur Kirche in Treue „Ja“ gesagt und damit Dein „adsum“ vom Tage Deiner Priesterweihe je neu konkretisiert. Dein „Ja“ auf Gottes Ruf durch Menschen war grundsätzlich umfangen und getragen von jenem lebendigen „Ja“, von dem der Apostel Paulus in seinem 2. Korintherbrief sagt: „Gottes Sohn Jesus Christus ist nicht als Ja und Nein zugleich gekommen; in ihm ist das Ja verwirklicht. Er ist das Ja zu allem, was Gott verheißen hat“ (1, 19f). Und Paulus ergänzt, wir könnten durch dieses endgültige Ja Gottes in Jesus Christus auch unser „Amen“ sagen: „So soll es sein!“ Ich denke, hier ist auch die geistliche Quelle unseres Generalvikars zu finden, der Grund seines Vertrauens auf Gottes führende Begleitung und die innere Zustimmung: „So soll es sein!“


"Allen Herausforderungen und Schwierigkeiten gestellt"

Liebe Schwestern und Brüder im Glauben! In den vierzehn Jahren, da ich Bischof von Fulda bin, hatte ich immer den Eindruck, dass sich unser Generalvikar für keine Arbeit zu schade war; keinem anderen aufbürdete, was zu tragen er selbst nicht bereit gewesen wäre. Du, lieber Gerhard, hast Dich in der Leitungsverantwortung als Erster zupackend all den Herausforderungen und Schwierigkeiten gestellt, hast auch den Dienst des gebeugten Rückens und des Mitleidens übernommen. So durfte ich oft bewundern, wie viele Krankenbesuche Du regelmäßig und ganz selbstverständlich gemacht hast. Kranke Priester waren dankbar für solche Hilfe. Aber nicht nur sie. Alle paar Tage hast Du auch meine kranke Mutter bis zu deren Tod besucht, mit ihr gesprochen und gebetet. Wie dankbar war sie dafür! Und ich, weil Du mich in dieser Grenzsituation mit dem Herzen begleitet hast.

Du wirst es nicht gerne hören, wenn ich sage: In alledem warst Du und bist Du ein Vorbild im Sinne der Botschaft Jesu, Diener zu sein. Vergelt’s Gott! Darum, lieber Gerhard, liebe Schwestern und Brüder im Glauben, steht heute vor allem anderen die Feier der Hl. Eucharistie. In ihr singen wir in Dankbarkeit das Te Deum, das Lied von Gottes Treue und auch von der Treue eines liebenswürdigen Menschen, dessen großen Geburtstag wir heute feiern wollen. Und so sei Dir, lieber Gerhard, das Trostwort des Propheten Jesaja im Namen Gottes, in schwerer Zeit gesprochen, Geleitwort auf dem Weg in die Zukunft: „Ich bleibe derselbe, so alt ihr auch werdet, bis ihr grau werdet, will ich euch tragen. Ich habe es getan, und ich werde euch weiterhin tragen, ich werde euch schleppen und retten“ (46, 4). Gott möge Dich tragen und segnen. Amen."+++


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