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Festspiele gerettet: 3.000 streikende Amazon-Mitarbeiter inszenieren „Troja“ mit Achilles Fehling
13.11.15 - Die Festspielsaison 2016 in Bad Hersfeld ist gerettet, die Finanzierung steht auf mehr als soliden Füßen. Wie Intendant Dieter Wedel und Bürgermeister Thomas Fehling heute in einer Pressemitteilung erklären, habe man namhafte Schauspieler „zu äußerst attraktiven Konditionen“ verpflichten können. Die 3.000 regelmäßig bei Amazon in Bad Hersfeld streikenden Mitarbeiter werden in der kommenden Saison zum Stundenlohn von 9,25 Euro in der Stiftsruine die durch Homers „Ilias“ inspirierte Handlung um den mythischen Kampf der Griechen mit der bronzezeitlichen Stadt Troja aufführen. Geplant ist ebenfalls eine Premiere des Dramas „Amazon(as) – Gefangen in der Tarif-Hölle des Dschungels“.
„Wir spielen jeden Tag Theater und gaukeln unserem Arbeitgeber vor, dass uns der Job Spaß macht. Deshalb fällt uns die Umstellung nicht schwer, vor Publikum unseren Emotionen freien Lauf zu lassen“, teilte ein Sprecher der Amazon-Belegschaft mit. Die Rolle des Achilles, im Original der US-amerikanischen Spielfilm-Produktion „Troja“ von Brad Pitt gespielt, übernimmt in der Lullusstadt nicht nur ob seiner rein äußerlichen Qualitäten der Bürgermeister persönlich. „Er ist die Achillesferse dieser Stadt, deshalb ist Thomas Fehling die Idealbesetzung“, lobt Dieter Wedel seinen Schützling.
Um Kosten zu sparen, hat der Rathauschef in Eigenregie und ohne Absprache mit dem Intendanten „renommierte Ensembles aus dem In- und Umland von einem Engagement in Bad Hersfeld überzeugen können“, verrät Fehling voller Stolz. In der Zeit vom 11. bis zum 24. Juli beispielsweise wird das Marionettentheater „Die Holzköppe“ aus Steinau an der Straße das Stück „Das gestiefelte Rumpelkäppchen“ aufführen (Karten ab 79 Euro bereits im Vorverkauf erhältlich). „Natürlich werden im kommenden Jahr auch wieder inhaltlich schwere und ernste Themen auf dem Programm der Festspiele stehen“, schaut Fehling Richtung nächsten Sommer. Deshalb ist in den letzten beiden Juliwochen die Kinderkrabbelgruppe der Kirchengemeinde St. Dionysius Neufra zu Gast mit der melodramatischen und gleichermaßen zeitkritischen Inszenierung „Hatschi, Pups und Aua!“.
„Wir sind nicht konservativ, sondern modern, zukunftsorientiert, wild, verrückt und sogar revolutionär“, gibt Fehling Einblicke in sein ganz persönliches Festspiel-Highlight. „Die Besucher können sich auf knisternde Erotik auf der Bühne freuen“, nennt der Bürgermeister den Titel eines in der Öffentlichkeit kontrovers diskutierten Stücks, nicht ohne dabei allerdings ob des prekären Inhalts vor Scham zu erröten: „Conni, Phillip und ein Kuss im Schnee.“
Einen von Dieter Wedel vorgeschlagenen Fünf-Akter hat Achilles Fehling jedoch aus dem Programm gestrichen. „Es ist ja schön, dass Dieter auch unerfahrenen Möchtegern-Nachwuchs-Schreibern eine Chance geben will. Jedoch möchte ich unseren Amazon-Darstellern nicht jeden Käse zumuten. Und ,Der Schattenmann’ gehört definitiv dazu.“+++(Jochen Wieloch)