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Heinz Josef ALGERMISSEN: "Das neue Jahr steht dunkel und unverfügbar vor uns!"
01.01.16 - „Wir müssen die Unsicherheit und Angst der Menschen ernstnehmen und teilen“, so Bischof Algermissen. Beim heutigen Neujahrsempfang erinnerte er an ein Wort von Papst Franziskus, wonach jeder durch sein eigenes Verhalten Verantwortung an der heutigen Situation mittrage, da alles in der Welt miteinander verbunden sei. Schon seit 15 Jahren steht Bischof Heinz Josef Algermissen dem Bistum Fulda als dessen Oberhirte vor und mittlerweile ist es zu einer wiederkehrenden guten Tradition geworden: am Neujahrsmorgen treffen sich rund hundert Gäste aus Kirche, Politik, Wirtschaft und Gesellschaft zu einem Empfang im Priesterseminar der Theologischen Fakultät. Für seine Verdienste als Vorsitzender des Katholischen Arbeitsgerichts für die Diözese Fulda wurde Landgerichtspräsident a. D. Hans-Karl Schaumburg von Bischof Algermissen zum Abschluss des Neujahrsempfangs mit der Sturmiusmedaille ausgezeichnet und aus diesem Amt verabschiedet
Bischof Algermissen heute beim Neujahrsempfang im Priesterseminar... Alle Fotos: Hans-Hubertus Braune
In seiner Eingangsansprache hieß Generalvikar Prof. Gerhard Stanke die Gäste willkommen und wünschte allen ein gutes Neues Jahr 2016. Natürlich war auch in der ersten Rede des jungen Jahres das allgegenwärtige Thema der Flüchtlingsnot zentral. Da viele von den jetzt zu uns Kommenden einer anderen als der christlichen Religion angehören, werde sich unser Zusammenleben verändern, prognostizierte der Generalvikar. Für viele von ihnen sei die Verknüpfung von Gesellschaft und Glauben stärker ausgeprägt als bei uns. Denn die hiesige religiöse Landschaft habe sich verändert, sie sei vielfältiger geworden. Auch die Zahl derer, die keiner religiösen Gemeinschaft angehörten, sei auf mittlerweile 37 Prozent angewachsen. Religion werde immer stärker aus dem öffentlichen Leben in den privaten Bereich verdrängt. Dieser Tendenz müsse entgegengewirkt werden. "Christen sind herausgefordert, sich auch in der Öffentlichkeit zu ihrem Glauben zu bekennen", mahnte Stanke, der auch auf die Pervertierung einging, Gewalt mit Glauben zu vermischen und Angehörige anderer Religionen zu verfolgen. "Aus Sicht unseres Glaubens ist ganz eindeutig: Gewalt kann nie mit Berufung auf Gott gerechtfertigt werden".
Erste Rede von Dr. Heiko Wingenfeld beim bischöflichen Neujahrsempfang
Vertreter von hessischem Innen- und Sozialministerium und Regierungspräsidium hätten in diesem Zusammenhang die hohe Sachlichkeit und Fairness gelobt, die auf den Informationsveranstaltungen zur Flüchtlingsunterbringung hier in der Region vorherrschten, der Austausch mit den Bürgern verlaufe hier eindeutig positiver als im Rest des Landes. Zur Erklärung dieses Phänomens werde die größere religiöse Bindung angeführt, die hier noch gegeben sei. "Christ zu sein bedeute, Weltbürger zu sein", schloss Wingenfeld und wünschte allen Kraft und Zuversicht für die gewaltigen Aufgaben der Zukunft.
Bischof Algermissen dankte allen Anwesenden des Neujahrsempfangs für ihr Kommen: "Das neue Jahr liegt dunkel und unverfügbar vor uns. Es tut gut und stützt den Weg in das neue Jahr, gemeinsam beginnen zu können". Er würdigte die wertvollen Impulse, die Papst Franziskus derzeit gebe, Weltweit beeindrucke er die Menschen und rege- unaufdringlich, aber eindringlich - zum Nachdenken an, das zu einer Wende führen müsse. Er lenke unseren Blick auf die Themen, die oberflächlich wirkten, als hätten sie wenig mit uns und unserem Leben zu tun: Armut, Hunger, Migration, Krieg, Vertreibung und Naturkatastrophen. Doch jeder von uns trage Verantwortung für diese Situation. Konkret heiße das: wenn in Bangladesch Fabriken einstürzten und Hundete Menschen, die dort für einen Hungerlohn arbeiteten, sterben müssten, habe das mit uns zu tun. Gleichgültigkeit und Weltlichkeit verformten die Seelen. Man umgebe sich gleichsam mit abgedunkelten Scheiben, um das Außen nicht wahrnehmen zu müssen.
Wie sehr sich die Religion schon aus der Öffentlichkeit habe vertreiben lassen, habe sich der Bischof bei der Dankesrede des Orientalisten Navid Kermani nach der Verleihung des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels in der Frankfurter Paulskirche gefragt. Kermani hatte nach seiner Rede darum gebeten, statt zu applaudieren doch für einen ihm bekannten Priester und dessen Gemeinde zu beten, die in Syrien entführt wurden. Das Auditorium sei von dieser Bitte um ein stilles Gebet sichtlich irritiert gewesen und habe nur sehr zögerlich reagiert. "Wo selbst Christen es nicht mehr wagen, öffentlich und offensiv ihre Solidarität mit den bedrängten Glaubensbrüdern im Orient zu bekunden, hat Kermani als Andersgläubiger genau das gewagt", lobte der Bischof.
Auszeichnung für Landgerichtspräsidenten Hans-Karl Schaumburg