Archiv
Der Vereinsvorstand (von links): Martin Übelacker, Thorsten Mager, Angelika Balzer, Andreas Goerke und Susanne Kliebisch - Fotos: Hans-Hubertus Braune

FULDA Zoff, Turbulenzen und Ideen

Verein "Bündnis Fulda stellt sich quer" fordert Verbot der Bürgerwehr

14.01.16 - "Die Gefahr wirkt in der Mitte und kommt von rechts" und "wir müssen einen ganz, ganz langen Atem beweisen" - das sind zwei Kernaussagen von Besuchern der offenen Mitgliederversammlung des Vereins "Bündnis Fulda stellt sich quer - Kein Platz für Rassismus und Fremdenhass" (FSSQ) am Mittwochabend im Bonifatiushaus. Die Nation ist gespalten. Terror in aller Welt, Übergriffe auf Frauen in Deutschland, Unruhe in und vor Flüchtlingsunterkünften auch in Osthessen. Viele Menschen haben Angst und sind beunruhigt. Dazu gesellt sich eine große Unsicherheit. Wie soll man sich verhalten, was ist richtig, was ist falsch? Diese Unsicherheit spiegelt sich in zunehmenden aggressiveren Wortgefechten und Kommentaren auch der Politik wider.

Selbst bei gut gemeinten Aktionszusammenschlüssen von Menschen, die den Flüchtlingen helfen wollen, die sich gegen Rassissmus und Fremdenfeindlichkeit einsetzen, ist von Einigkeit wenig zu spüren. Dies machte die offene Mitgliederversammlung deutlich. Rund 50 Interessierte - darunter rund 15 Mitglieder, deren Zahl nach der Veranstaltung laut Vereinsvorstandsmitglied Martin Uebelacker auf rund 25 anstieg - kamen in den Konferenzraum des Bonifatiushauses. Noch bevor Vereinssprecher Andreas Goerke einen Rückblick auf die Aktionen des Bündnisses im vergangenen Jahr gab (damals noch nicht als Verein, dieser wurde Ende November 2015 gegründet), machte er von seinem Hausrecht Gebrauch und verwies einen Mann des Saales, den Goerke als AfD-Mitglied ausmachte, welcher für die AfD im Kreistag kandidiere und Flugblätter auf dem Bahnhofsvorplatz verteilt habe. Der Mann erklärte, dass er CWE-Mitglied sei und verließ den Raum nach einem verbalen Schlagabtausch.

Vorsitzender Andreas Goerke

Rund 50 Interessierte kamen ins Bonifatiushaus

Während der Versammlung verließen einige Leute den Saal

Goerke nannte in seinem Rückblick unter anderem eine erfolgreiche Demo im Sommer und die Lichterkette im Herbst. Dort hätten 700 bis 1.000 Menschen friedlich demonstriert. "Wir haben einiges aufgedeckt. Wir haben eine rechte Szene in Stadt und Landkreis Fulda", sagte Goerke, der von einer "Kaderschmiede der Identitären Bewegung" sprach. Im Vorfeld der Lichterkette auf dem Fuldaer Uniplatz habe die rechte Szene einen Anschlag geplant, die Polizei habe Rechte festgenommen. Während der Lichterkette hatten Vertreter der linksgerichteten kommunistischen Jugendorganisation Revolution Fulda einen Banner in die Luft gehalten und Flugblätter verteilt. Dies war von den Veranstaltern untersagt. Auch dies war nochmals Thema. Die Vertreter der Jugendorganisation hinterfragten den Vorstand des Vereins. "Kann man das Zerwürfnis kitten?" und "Schade, dass wir Tendenzen der Ausgrenzung haben", sagten die jungen Leute. Geschlossen verließen sie die Versammlung und verteilten flugs Flugblätter mit dem Titel "Die Entwicklungen um Fulda stellt sich quer" und erklärten darin ihren Austritt. Am 18. Januar dieses Jahres solle ein Netzwerk gegen Rassismus gegründet werden.

Einen breiten Raum der Versammlung nahm die Diskussion um die Vereinsgründung ein. Warum habe man sich vom Bündnis zu einem Verein bewegt? In der Vergangenheit kam es zu verschiedenen Ungereimtheiten. Untergruppen und Zusammenschlüsse, die sich in vielfältiger Weise aktiv in der Flüchtlingsarbeit einsetzen, fühlten sich ungerecht behandelt. Martin Uebelacker verlas eine Erklärung. Im Kern wolle man nun klare Strukturen und Transparenz in einer Rechtsträgerschaft schaffen. Als gemeinnütziger (beantragt) Verein könne man zudem Fördergelder beantragen. Ziel des Vereins sei es laut Goerke auch, die politische Bildungsarbeit voranzutreiben.

Martin Übelacker (links) und Thorsten Mager

Im Mittelpunkt der sich anschließenden Diskussionen stand das aktuelle Thema "Bürgerwehr in Fulda". Die Facebook-Seite "Fulda passt auf" explodiere, als ob die Leute darauf gewartet hätten, so Goerke weiter. Man könne davon ausgehen, dass die Identitäre Bewegung ihre Hände im Spiel hätte, sagte Goerke. Um die Facebook-Seite herum formiere sich eine junge AfD. Er warnte davor: "In Fulda steht einiges an". Der Vorsitzende berichtete davon, dass im Umfeld einer Tankstelle nahe der Kreuzbergstraße in Fulda - und damit in der Nähe der Flüchtlingsunterkünfte im ehemaligen Max-Bahr und der SB Union - bereits Patrouillen liefen, dass Flüchtlinge kontrolliert würden. Die zuständige Polizei in Fulda kann dies nicht bestätigen. "Wir haben das Objekt natürlich im Auge und kennen diese Gerüchte. "Bislang sind keine Auffälligkeiten bekannt, es habe bislang auch niemand entsprechende Hinweise gegeben. Die Polizei fährt natürlich auch dort Streife", sagte ein Polizeisprecher auf Nachfrage von OSTHESSEN|NEWS.

Der Vereinsvorstand forderte die Polizei auf, mehr Präsenz zu zeigen und sich öffentlich deutlich gegen die Bürgerwehr auszusprechen."Sie soll auf Facebook Präsenz zeigen und dagegenhalten", forderte Susanne Kliebisch vom Vereins-Vorstand FSSQ. "Die Polizei schützt die Bürger und so soll es auch weiterhin bleiben. Wenn etwas geschieht oder jemand auch nur einen Verdacht hat, sollte er sich unverzüglich bei der Polizei melden. Wir gehen jedem auch noch so kleinen Hinweis nach und lassen niemanden im Regen stehen", hatte die Polizei bereits am gestrigen Mittwoch erklärt. Dies untermauerte ein Polizeisprecher am Donnerstag nochmals: "Wir brauchen keine Bürgerwehr. Wir sind gut aufgestellt und sorgen für die Sicherheit der Menschen". Die Pressestelle verköroere die Meinung der Behörde und damit auch des Polizeipräsidenten.

Zudem sei die Polizei auf Facebook aktiv und beobachte die Entwicklungen sehr genau. Allerdings präsentiere sich die osthessische Polizei nicht auf Facebbok. Ein Twitteraccount sei dagegen in Planung. Man müsse immer auch sehen, was sinnvoll sei und was nicht. Die Polizei habe ausreichend Möglichkeiten, Hinweise und Mitteilungen etwa in den verschiedenen Medien oder auch den Internetseiten der Polizei zu veröffentlichen. Als konkrete Vorschläge aus der Versammlung kamen, etwa den Polizeipräsidenten einzuladen und zu fragen, was dieser tue. Auch sollten im Hinblick auf die Kommunalwahl Kommunalpolitiker eingeladen werden. Der Verein fordert das Verbot der Bürgerwehr. Zudem solle Fuldas Bürgermeister und Ordnungsdezernenten Dag Wehner um seine Stellungnahme befragt werden.

"Wir dürfen uns nicht mit einer Bürgerwehr verzetteln, sondern müssen auf die gesamte Situation schauen", sagte dagegen ein Gast der Versammlung. "Wir müssen selbst handeln, viele Menschen auch in Fulda wollen kein Gesicht zeigen, zu wenige sagen offen ihre Meinung", so ein weiterer Besucher. Eine Studentin schlug konkret vor, die Flüchtlinge zu informieren, wie die politische Lage ist, was um sie herum geschieht.". Dieser Vorschlag wurde vom FSSQ-Vorstand positiv aufgenommen.

Als konkrete Veranstaltungen nannte Goerke zum Abschluss der über zweistündigen Versammlung: Der Undercover-Film "Blut muß fließen" solle gezeigt werden, dazu käme der Filmemacher nach Fulda (voraussichtlich im Mai, Bildungseinrichtungen könnten sich bei Interesse an Projekten melden). Am 12. Februar 2016 ist Sandro Witt vom DGB Thüringen zum Thema AfD eingeladen. Die Initiatorin der "Gelben Hand" kommt am 4. April 2016. Noch nicht konkret terminiert ist eine Diskussionsrunde zum Thema NSU. Wie genau die konkrete Hilfe für die Flüchtlinge aussehen soll, wie die Spaltung der Menschen in den Fragen der Flüchtlingspolitik und der Unsicherheiten in Zeiten von Terror und Angst begegnet werden kann - dazu gab es am Mittwochabend leider wenig Neues. (Hans-Hubertus Braune) +++


Über Osthessen News

Kontakt
Impressum

Apps

Osthessen News IOS
Osthessen News Android
Osthessen Blitzer IOS
Osthessen Blitzer Android

Mediadaten

Werbung
IVW Daten


Service

Blitzer / Verkehrsmeldungen Stellenangebote
Gastro
Mittagstisch
Veranstaltungskalender
Wetter Vorhersage

Social Media

Facebook
Twitter
Instagram

Nachrichten aus

Fulda
Hersfeld Rotenburg
Main Kinzig
Vogelsberg
Rhön