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Eier, Milch und Grillfleisch aus dem Automaten - Landwirte werden erfinderisch
04.08.16 - Es ist Wochenende, das Wetter ist schön. Zeit für eine spontane Grillparty. Doch dann – oh Schreck, das Grillfleisch fehlt. Die Supermärkte haben bereits geschlossen, der Kühlschrank des Nachbarn ist ebenfalls leer. Wo bekommt man jetzt so kurzfristig Wurstware her? Für dieses Problem und ähnliche Sorgen haben vier Landwirte aus der Region die Lösung: Frische Eier oder Milch sowie Grillfleisch aus dem Automaten – und das rund um die Uhr.
Der Trend geht hin zur Selbstvermarktung. Landwirte müssen sich zahlreichen Herausforderungen stellen, um ihre Existenz zu sichern. Das macht erfinderisch. Milch-, Eier-, Wurst- und andere Automaten sind im Kommen. Das Prinzip klingt einfach: Nummer wählen, Münzgeld oder Euroschein in den vorgesehenen Schlitz werfen, Klappe auf und das Produkt entnehmen. Alles Narrensicher.
Aber was passiert, wenn die Kühlung in den Sommermonaten ausfällt oder die Ware plötzlich aufgebraucht ist? „Wir schauen mehrmals am Tag nach und füllen nach Bedarf auf. Der Automat besitzt einen Sensor. Fällt die Kühlung länger als eine Stunde aus, gibt er ab einer gewissen Temperatur keine Produkte mehr raus“, erzählt Jaclyn Enders von Peter Enders Vieh- und Fleischhandel in Neuhof. Somit könnten die Verbraucher bedenkenlos die Produkte vertilgen.
Seit zwei Jahren befindet sich der Grillfleischautomat auf dem Grundstück des Familiengeschäfts, direkt an der Straße. „Wir haben ihn bewusst am 01. April 2014 aufgestellt und die Leute dachten, es wäre ein Aprilscherz“, so Enders lachend. Dass das definitiv keiner war, zeige heute der Erfolg, denn der spreche für sich. Obwohl Bratwurst, Steaks, Grillfackeln und Co. mit einem Preis zwischen 2,50 Euro und 4,00 Euro teurer sind als im Laden, werde der Automat sehr gut angenommen. „ Am Wochenende – die Hauptzeit für den Automaten – haben die Leute ihn komplett leer gezogen“, berichtet die Neuhoferin. Auch Ute Strauß von dem Familienunternehmen "Direktvermarktung Holger Strauß" in Unterrückersbach, einem Ortsteil von Tann, berichtet über positive Resonanz. "Seit dem 08. Juli haben wir einen Automaten mit Getränken sowie Grill- und Dosensortiment. Bisher läuft es richtig gut. Wir sind damit die ersten in der Rhön", so die Frau des Ladeninhabers stolz. Die Preise seien hier dieselben wie in ihrem Geschäft.
Mit Einbußen sei deswegen nicht zu rechnen. „Das Klientel ist ein anderes. Sie kommen mehr spontan vorbei, der Laden läuft nach wie vor weiter“, sagt Enders. Etwa 90 Packungen Grillfleisch gehen in den Automaten in Neuhof. Den Vorteil, den Enders darin sehe, sei die Einsparung des Personals – gerade am Wochenende.
Doch nicht nur Grillfleisch gibt es per Tastendruck. Auch Landwirt Klaus Hügel aus Edelzell setzt seit Jahren auf die Apparate. Der 48-Jährige habe vor etwa 20 Jahren ein Bericht über die Idee eines Milchautomaten in der FAZ gelesen und war sofort begeistert. Er schaffte sich einen an. Der Automat war anfangs zunächst eine kleine Eisenkiste im Kuhstall, nach zehn Jahren wurde er dann verbessert. Später folgten Eierautomat und vor fünf Jahren ein Kartoffelautomat. „Der Vorteil ist, ich muss nicht ständig anwesend sein und wenn ich es bin, mag ich den Kundenkontakt. Aber man muss dafür gemacht sein“, erzählt Hügel.
Das Besondere an den Produkten: Sie seien speziell ausgewählt in Zusammenarbeit mit Lieferanten, vorgetestet und nicht im Supermarkt erhältlich, sondern von Landwirten aus der Region. Neben Rohmilch verkauft Hügel auch pasteurisierte Milch. Ein Liter koste etwa 70 Cent. Der Preis für zehn Eier liege hier bei circa zwei Euro und bei einem Kilo Kartoffeln bei etwa fünf Euro. Zwei weitere Automaten befinden sich im Moment im Probelauf. Hier können künftig gefrorene Regionalprodukte wie beispielsweise Honig oder Nudeln erworben werden. Konkurrenz gebe es derzeit keine, da die Automaten nach wie vor Neuland wären. Ablehnen würden sie bisher nur die Landwirte, die sich ausschließlich auf andere Bereiche - wie beispielsweise den Ackerbau - spezialisiert haben.
Für den Hühnerbauern Christian Ende hat die Aufstellung seiner drei Warenautomaten im Gilserberg, in Schwalmstadt-Niedergrenzebach und in Alsfeld eine wichtige Bedeutung. "Ich will das Besondere mit dem Besonderen verbinden. Einen Eierautomaten, der Tag und Nacht geöffnet ist, gibt es nicht so häufig und die Qualität meiner Eier ist auch etwas Besonderes." Tierschutz stehe für den 31-Jährigen im Vordergrund. Seine Eier stammen von etwa 600 Hühnern aus mobiler Freilandhaltung. "Sie werden in einem Anhänger gehalten, der mit Futter, Sitzstangen und Wasserstellen ausgestattet ist. Alles ist natürlich", erklärt Ende. Durch die zwei fahrbaren Ställe, die er gut sichtbar auf Wiesen plaziert, hätten die Tiere immer frisches Gras zur Verfügung. Es gebe keinen Matsch, so soll die Krankheitsbildung verringert werden. Die Eier werden dann in etwa 60 Schachteln mit jeweils zehn Freilandeiern in den Automaten angeboten. Ende versichere, dass die Eier nach den gesetzlichen Vorgaben der Qualitätskontrolle bestempelt, verpackt, gekühlt sowie gelagert und bis zu zweimal täglich aufgefüllt würden.