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FULDA Angeklagte wollen Schlussstrich ziehen

Reichsbürger beschäftigen erneut Justiz - Landgericht bestätigt früheres Urteil

Die Angeklagten sind Anhänger der sogenannten „Freien Arbeits- und Interessengemeinschaft Volksaufklärung“. Sie erkennen die Bundesrepublik Deutschland nicht an und verweigern amtliche Bescheide, Bußgelder und Steuern. Die Reichsbürgerbewegung wird bundesweit vom Verfassungsschutz beobachtet.

08.12.16 - UPDATE: "Die Berufung wird als unbegründet verworfen", so lautet das von Richter Jochen Müller verkündete Urteil im Reichsbürgerprozess. Müller habe das Gefühl, dass sich die Angeklagten auf dem Weg zurück zum Recht und in die Gesellschaft befinden. "Die Tat wurde aus keinen ideologischen Gründen heraus begangen. Vielmehr sind wirtschaftliche Motive ursächlich." Die Tat habe einen Angriff auf den Rechtsstaat dargestellt. Die Freiheitsberaubung sei nicht erfolgt, weil die Angeklagten glaubten, das Recht für diese Tat zu haben, sondern aus "zivilem Ungehorsam" heraus. "Dennoch wurde eine rote Linie überschritten." Beim Strafmaß gelte ein Verschlechterungsverbot. Das Gericht bestätigte in seinem Urteil damit die vom Amtsgericht verhängte Strafe. Ein Monat der Freiheitsstrafen wird jedoch als vollstreckt angesehen. "Gegen das Urteil kann binnen einer Woche Revision eingelegt werden." Die Angeklagten gaben zu Protokoll auf dieses Recht zu verzichten und einen Schlussstrich zu ziehen.

Am Mittwoch standen fünf sogenannte Reichsbürger erneut vor dem Fuldaer Landgericht. Im Jahr 2014 wurden sie wegen Freiheitsberaubung zu einer Haftstrafe auf Bewährung und Geldstrafen verurteilt, da sie eine Vollstreckungsbeamtin des Finanzamtes Fulda daran gehindert hatten, nach einer abgebrochenen Pfändung in ihrem Dienstwagen wegzufahren. An der Tat im Mai 2013 beteiligt waren insgesamt acht Männer, einer wurde bei der Hauptverhandlung freigesprochen, zwei weitere, die ebenfalls Berufung eingelegt hatten, erschienen am Mittwoch jedoch nicht vor Gericht.

Bereits kurz nach Beginn der Verhandlung am Mittwoch gab es eine außerplanmäßige Unterbrechung, nachdem Pfefferspray im Raum versprüht worden war. Kurze Zeit später konnte jedoch weiter verhandelt werden. Zwei der verbliebenen fünf Angeklagten verzichteten spontan auf die Berufung und erkannten das damals gesprochene Urteil an.

Fotos: ON

Laut Hauptverhandlung hatte sich der Vorfall im Mai 2013 wie folgt zugetragen: Die Vollstreckungsbeamtin des Finanzamtes hatte sich beim Angeklagten D. brieflich angekündigt, um eine Forderung in Höhe von 7.500 Euro einzutreiben. Bereits wegen früheren Pfändungen kannten sich die Beamtin und der Angeklagte. Als sie am Tattag beim Angeklagten erschien, bat er die Frau in seine Wohnung. Dort angekommen, warteten bereits acht Männer auf sie. Als die Vollstreckungsbeamtin darunter den Hauptangeklagten Bernd B. erblickte, brach sie die Vollstreckungsaktion sofort ab und eilte zur Haustür, um den Ort zu verlassen. Von Kollegen wusste die Frau, dass B., zusammen mit dem dritten Angeklagten, bereits zwei andere Vollstreckungsbeamte in Wohnungen "festgenommen" hatte.

Einer der Männer versuchte sie an ihrer Flucht zu hindern, indem er gegen die Tür drückte, ein weiterer hielt sie kurz an der Schulter fest. Der Beamtin gelang es jedoch, ihren Dienstwagen zu erreichen. In der Zwischenzeit hatten sich alle acht Männer beim Pkw eingefunden und umrundeten diesen, sodass der Frau der Fluchtweg versperrt wurde. Außerdem wurde ihr der Fahrzeugschlüssel abgenommen und gesagt: "Sie fahren nirgendwo hin." B. soll die Beamtin dann persönlich bedroht und ihr geraten haben, sich "besser gleich einen Strick zu kaufen". Erst die herbeigerufene Polizei konnte den Tumult beenden.

"Man könnte meinen, sie haben sich ein paar Idioten zusammen gesammelt, um ihre ganz persönlichen Anliegen am diesem Tag zu vertreten", mutmaßte Richter Dr. Joachim Müller. B. erklärte jedoch vor Gericht, man habe sich getroffen und die Frau festgesetzt, weil man den Pfändungsbescheid des Finanzamtes nicht anerkenne. Immer wieder zitierte der Mann Paragraphen und ging auf die Weimarer Verfassung ein. Außerdem sei die Unterschrift der Finanzbeamtin auf drei Dokumenten unterschiedlich, dies sehe er als Urkundenfälschung an, gab er zu Protokoll. Aus diesem Grund hätte er das Recht gehabt, die Frau zu verhaften. Zu den Reichsbürgern, so sagte er allerdings, möchte er sich nicht zählen.

B., der von sich selbst sagt, er sei ein lieber Kerl, hatte bereits vor dem Vorfall im Mai 2013 immer wieder Ärger mit dem Finanzamt Fulda, nachdem in seinem Betrieb eine Betriebsprüfung veranlasst worden war. "Die haben mich in den Ruin getrieben", sagte er am Mittwoch aus. Nach einigen Vorfällen erteilte man ihm Hausverbot in der Behörde. "Die Vollstreckungsbeamtin hat doch aber nichts damit zu tun gehabt", versuchte der Richter den Angeklagten immer wieder zu erreichen. Dass vielleicht nicht, antwortete B., der wenig Einsicht während der Verhandlung zeigte. "Aber Bauernopfer gibt es eben überall." 

Alle drei Angeklagten verbindet der wiederholte Ärger wegen nicht bezahlten Rechnungen und der Missachtung von Mahnbescheiden. Zwei der drei Angeklagten befinden sich in finanziellen Schwierigkeiten. Obwohl einer der Angeklagten neben Bernd B. bereits mehrfach Beamte festsetze und auch zu den sogenannten Reichsbürgern gezählt wird, ist er in Besitz einer gültigen Waffenbesitzkarte und hat, als Sportschütze, Waffen wie eine 357 Magnum oder eine Sig Sauer Zuhause verwahrt. Bernd B. hingegen wurde seine Waffenbesitzkarte wegen Ungeeignetheit entzogen. +++


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