Archiv
- Fotos: Gudrun Schmidl

BAD HERSFELD Göttlich genialer Russendisko-Veranstalter

SPIEGEL-Bestsellerautor Wladimir Kaminer beim Kulturbund

22.02.17 - Der Kulturbund Bad Hersfeld e.V. bewies im 70sten Jahr seines Bestehens mit der Verpflichtung des Kultautors Wladimir Kaminer ein gutes Händchen. Bereits vor anderthalb Jahren wurde der Termin vereinbart und von dem überaus erfolgreichen Autor trotz proppenvollem Terminkalender gehalten. So kamen die Bad Hersfelder Leseratten am Dienstag in der leider nur halb besetzten Stadthalle in den Genuss einer Lesung des Erzähltalents, der sein Buch „Diesseits von Eden – Neues aus dem Garten“ vorstellen wollte.

Die Betonung liegt auf wollte. „Neues aus dem Garten“ haben die eingefleischten Kaminer-Fans sicher schon alle gelesen. Aber Wladimir Kaminer schreibt wie am Fließband, hat daher neuen Lesestoff wie sein vorletztes Buch „Meine Mutter, ihre Katze und der Staubsauger“, sein vorgestern erschienenes Buch „Goodbye Moskau“ und eine lose Blattsammlung im Gepäck. Außerdem brachte er einen Husten mit, der sich nach der Rückkehr von einem sonnigen Urlaub auf der Insel Teneriffa ins nasskalte Berlin bemerkbar machte. Vorher kam er in den Genuss einer AIDA-Kreuzfahrt und schipperte 14 Tage im Mittelmeer. Für drei Lesungen war er gebucht, aber seine Zuhörer waren immer um ihn herum, nur bei den angebotenen Landgängen nicht, denn eine Vielzahl der Kreuzfahrer blieb lieber auf ihrer „Arche Noah“. Es dauert sicher nicht lange, bis seine schaukelnden, göttlichen Erlebnisse in Buchform zu lesen sind.

Vergnüglicher, vom Autor signierter Lesestoff wurde gern gekauft

Wladimir Kaminer ist aus der deutschen Literaturszene längst nicht mehr wegzudenken. Seine kaukasische Schwiegermutter, die deutsche Liebe zum Rhabarber, die Freuden und Qualen des Vaterseins, russische Popmusik und natürlich seine im Haus lebende 85-jährige Mutter inspirieren ihn zu seinen Büchern. „Mein Thema ist die Tragödie des Lebens“, erläutert er seinen Erfolg. Wladimir Kaminer beschreibt sich als Familienschriftsteller, dessen Thema - die Familienproblematik - ein breites Publikum erreicht. Das ist wegen der hohen Auflage natürlich im Sinne seines Verlages, der auf Kaminers angedachtes Buch über Flüchtlinge gern verzichtet. Auch dem Autor selbst gefällt es wesentlich besser, den Ritt seiner Mutter auf einer „Flüchtlingswelle“ im Lieblingsschwimmbad zu beschreiben. Ein zum Schreien komisches Bild zeichnet er vor dem geistigen Auge seines Publikums, denn obwohl seine Mutter eine überaus hektische Schwimmerin ist, kommt sie normalerweise nie voran.

Mutters Katze ist eine wahre Killermaschine, die zu seinem Alltag in Berlin gehört genau wie das russische Fernsehprogramm, das in Mutters Wohnung in Dauerschleife, aber alles andere als in Zimmerlautstärke läuft. Mit seinem unvergleichlichen Humor beschreibt Wladimir Kaminer die Erlebnisse mit der neuesten Errungenschaft seiner Mutter, dem Roboter-Staubsauger, der sich ausgerechnet in ein Ziegenfell verliebt, aber die vielen, auf dem Fußboden liegenden toten Fliegen nicht vernichtet. Bei all dem sammelt seine unersättlich neugierige Mutter eine Menge Erfahrungen, die sie natürlich nicht nur für sich behalten, sondern an die nächste Generation weiterreichen möchte. Schließlich ist Wladimir mittlerweile in einem Alter, in dem man gute Ratschläge zu schätzen weiß und Erziehungsarbeit langsam sinnvoll wird. Wer wissen will, was es mit dem Decknamen „Schriftsteller mit Mutti“ auf sich hat, sollte dieses Buch lesen mit angenehm kurzen 33 Geschichten – als kleinen literarischen Happen zwischendurch. In seinem neuesten Werk „Goodbye Moskau“ schaut er zum 100. Jahrestag der Oktoberrevolution auf seine Heimat und sieht ein Land auf der Suche nach sich selbst. Auch hier schafft der Autor es locker, seine eigene humorvolle Weltanschauung auf philosophische Weise in seinen Texten zu verpacken.

Wladimir Kaminer wurde am 19.07.1967 in Moskau geboren. Nach der Schule absolvierte er zunächst eine Ausbildung als Toningenieur für Theater und Rundfunk und studierte danach Dramaturgie am Moskauer Theaterinstitut. Seit 1990 lebt er in Berlin, Prenzlauer Berg, wo er 1995 auch seine Frau Olga kennenlernte. Zur Familie gehören die inzwischen erwachsenen Kinder Nicole und Sebastian, die natürlich thematisiert werden. Ein Buch über seine Frau ist ebenfalls in Planung, denn wenn er ehrlich ist, weiß er gar nicht so viel über sie. Bekannt wurde Kaminer als Veranstalter der legendären Russendisko im „Kaffee Burger“ in Berlin, die er mittlerweile auch weltweit veranstaltet. „Russendisko“ ist auch der Titel seines Buches, das 2012 mit Matthias Schweighöfer in der Hauptrolle verfilmt wurde.

Wladimir Kaminer live zu erleben, macht doppelt Spaß, denn auf der Bühne erprobt er unveröffentlichte Geschichten vor Publikum. Dabei nimmt der Autor immer wieder Kontakt zu seinen Leserinnen und Lesern auf, freut sich über ihre Fragen, die er gern beantwortet. Die Frage nach seinem Schrebergarten ist berechtigt, denn seine Kritik am Geschmack von Rhabarber hatte Folgen. Mit der ihm zugesandten Rhabarberkonfitüre kann er inzwischen eine Ausstellung „Deutschland süß-sauer“ bestücken oder die Köstlichkeit gegen finnische Wollsocken eintauschen.
Diese Möglichkeit ergab sich nach seinem Auftritt im finnischen Turku, als er mit der Russendisko die deutsche Kultur präsentierte. Überaus eineinhalb vergnügliche Stunden wurden vom Publikum mit herzlichem Applaus gewürdigt.

Bereits in der Pause signierte Wladimir Kaminer am reich bestückten Büchertisch der Hoehlschen Buchhandlung seine Bücher, in dem alltagstaugliche, humorvolle und geistreiche Lebensweisheiten zum Mitdenken, Schmunzeln und herzhaftem Lachen anregen. (Gudrun Schmidl) +++

 

 


Über Osthessen News

Kontakt
Impressum

Apps

Osthessen News IOS
Osthessen News Android
Osthessen Blitzer IOS
Osthessen Blitzer Android

Mediadaten

Werbung
IVW Daten


Service

Blitzer / Verkehrsmeldungen Stellenangebote
Gastro
Mittagstisch
Veranstaltungskalender
Wetter Vorhersage

Social Media

Facebook
Twitter
Instagram

Nachrichten aus

Fulda
Hersfeld Rotenburg
Main Kinzig
Vogelsberg
Rhön