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- Fotos: Brüder Grimm Festspiele Hendrik Nix / Marco Krämer

HANAU Das ist Wahnsinn ...

Festspiele: Gelungene Premiere vom "Teufel mit den drei goldenen Haaren"

05.06.17 - Kann man dem Schicksalsrad in die Speichen greifen, ja seinem Schicksal sogar entrinnen? Kann man das Glück erlangen ohne die Macht über die Welt zu haben? Kann man ein Spiel mit dem Teufel gewinnen? Zumindest ansatzweise gab es jetzt Antworten auf diese existenziellen Fragen bei den Brüder Grimm Festspielen in Hanau, wo am Wochenende das Stück „Der Teufel mit den drei goldenen Haaren“ Premiere hatte.

Lässt sich auf ein gefährliches Spiel mit dem Teufel (Gregor Andreska, rechts) ein: ...

Sitzen zwar im Kerker, lassen sich aber nicht unterkriegen: Glückskind Finn (Marius ...

Spannende Frage unter den Zuschauern im Amphitheater von Schloss Philippsruhe ist stets, wie Autor und Regisseur den jeweiligen Grimm-Klassiker interpretieren, wo sie ihre Gewichte setzen, wie stark sie sich ans Original halten. Auch beim „Teufel mit den drei goldenen Haaren“ gab es am Wochenende kein verträumtes Märchenoriginal. Stattdessen auch hier eine Interpretation, die versucht, der in jedem Märchen steckenden Kernbotschaft nahe zu kommen. Dank amüsanter Dialoge, bisweilen skurriler Figuren und einer rasanten Handlung bei der es sogar kleine Stunt- und Slapstick-Einlagen zu bestaunen gab, kam das Stück generationenübergreifend beim Publikum, das sich mit viel Szenenapplaus und stehendem Schlussapplaus bedankte, gut an.

Die Handlung ist relativ leicht zu verstehen. König Magnus hat seinen Bruder umgebracht, um auf den Thron zu kommen. Laut einer Prophezeiung wird ein Findelkind ihm dereinst den Thron streitig machen, worauf der König einen Mordauftrag erteilt. Der wird natürlich nicht umgesetzt, das Kind - ein „Glückskind“ - wächst bei einem Müller auf und gerät, wie es die Prophezeiung vorhersagt, mit 16 wieder in die Turbulenzen am Schloss. Um seine Macht zu sichern, ja um die Macht über die ganze Welt zu bekommen, lässt sich der fiese König auf einen Deal mit dem Teufel ein. Das nach all den Wirrnissen am Ende aber statt des Königs das Glückskind die weltherrschaft in Form der drei goldenen Haare des Teufels erlangt, entspricht der Logik der Grimm’schen Märchen: Am Ende siegt immer das Gute!
Autor und Regisseur Jan Rademacher zeigt anhand des sich erst aller Verantwortung verweigernden Glückskindes Finn, dass es sehr wohl lohnt, das Schicksal nicht geschehen zu lassen, sondern in die eigene Hand zu nehmen. Dass man dem Glück nicht blind vertrauen darf. Dass das Leben gelebt werden muss und nicht einfach passieren soll. Und das man sich keinesfalls auf ein Spiel mit dem Teufel, mit dem Bösen einlassen sollte, da der Mensch hier immer verliert. „Der Deifi hilft seinen Leut‘, aber er holt sie auch“ lautet eine alte bayerische Volksweisheit, die auch König Magnus bitter lernen muss.

Die Erwachsenen können sich neben manch tiefgründiger Botschaften zudem an so manchem Zitat aus Klassik und Moderne erfreue. Kostproben gefällig? Die im Kerker an die Wand gebundenen Räuber erinnern mit ihrem Song „Positiv“ natürlich an Monty Pythons „Always look…“ im „Leben des Brian“. Bei einem der Räuber mag man Kobells „Boanlkramer“ aus dem „Brandner Kaspar“ erkennen. Und wenn das Glückskind dem fiesen König entgegenschleudert: „Das ist Wahnsinn, warum schickt ihr mich in die Hölle?“ hört man im Geist schon die Wolfgang Petry-Fans kreischen. Der Bewacher des Glücks-Brunnens, der ebenso tollpatschige wie liebenswerte Siegesnot von Eichendorn (grandios gespielt von Benedikt Selzner, im Vorjahr zu Recht als bester Darsteller ausgezeichnet), erinnert nicht nur von der Kostümierung her an Cervantes Don Quijote. Autor und Regisseur Jan Radermacher spielt gutgelaunt und erfrischend respektlos mit den Zitaten aus Unterhaltung und Klassik.

Typisch für die Hanauer Festspiele: Ein eher junges Ensemble spielt mit einem Elan und einer Freude, dass es die Zuschauer mitreißt. Hauptfigur natürlich das Glücks- oder Findelkind. Marius Schneider spielt den Finn mit glaubhafter Naivität und ansteckender Lebendigkeit und findet in Johanna Haas als Prinzessin Maximiliane eine beherzt aufspielende Partnerin, die vor allem das anfangs holprige und nahezu pupertäre Zueinanderfinden beider rührend in Szene setzt.

Musikalisch kann sich das ganze Ensemble durchweg hören lassen, aber immer wieder fallen einzelne Stimmen auf. Die gutherzige Schicksalsschwester Mimi etwa wird von Katja Straub warmherzig und mit großer Stimme gespielt. Unabhängig davon bleibt aber die Frage, ob es sich bei der Hanauer Inszenierung nun um Theater mit Gesang oder schon ein Musical handelt offen – da hätte sich vermutlich mancher Zuschauer mehr Klarheit gewünscht. Am Ende ist man jedoch dankbar für die Musikeinlagen, geben sie doch dem Belgier Bart de Clercq die Möglichkeit, seine fantasievollen und kreativen Choreographien – ein Höhepunkt der Tanz des Ensembles in der Hölle – auf die Bühne zu bringen.

 Schauspielerisch verlassen kann sich Intendant Frank-Lorenz Engel auf einige Darsteller, die mittlerweile fast ein Stammensemble bilden. Patrick Dollmann etwa gibt den fiesen König Magnus mit erschreckender Gefühlskälte und bösartiger Machtlüsternheit, dass einem kalt ums Herz wird. Da freut man sich schon auf seine zweite Hauptrolle bei den Festspielen, den Mephisto im Faust, in der Reihe „Grimm Zeitgenossen“, der am 10. Juni Premiere hat. Von der Märchenbühne kaum wegzudenken: Barbara Bach, die fast schon herzerwärmend des Teufels Großmutter gibt und befürchtet, dass (Achtung: Wortspiel) sowieso „alles den Bach runtergeht“. Ebenfalls eine Allzweckwaffe der Brüder Grimm Festspiele: Detlev Nyga, als ebenso dienstbeflissener wie unterwürfiger Wendel ein Gewinn auch für dieses Stück.

Ein echter Hingucker und Hinhörer: Gregor Andreska, der einen Teufel gibt, bei dem man nicht weiß, ob man Abscheu oder Sympathie empfinden soll, wie das mit dem Teufel nun einmal so ist. Auf jeden Fall spielt Andreska im wahrsten Sinn des Wortes seine Rolle teuflisch gut! Gestützt wird er dabei wie alle im Ensemble durch fantasievolle Kostüme und eine ebenso fantasievolle Maske. Nicht umsonst wurden die Verantwortlichen für diesen Bereich, Ulla Röhrs und Wiebke Quenzel, im vergangenen Jahr für ihre Leistungen mit dem Deutschen Musical-Theaterpreis ausgezeichnet. Das äußerlich spartanische und deshalb für viele Stammzuschauer anfangs gewöhnungsbedürftige diesjährige Bühnenbild von Tobias Schunck kann dank seiner vielen Türen, Tore und technischen Raffinessen gerade bei der Teufel-Inszenierung seine Vielseitigkeit und Veränderbarkeit beweisen.

Der eher weniger bekannte Klassiker der in Hanau geborenen Brüder Grimm ist nach dem Musical „Vom Fischer und seiner Frau“ und dem Familienstück „Frau Holle“ das dritte Stück, das bei den Festspielen ins Rennen um die Zuschauergunst geht. Am 10. Juni folgt Goethes Faust und am 14. Juli die Wiederaufnahme des Stücks „Burning Love“ in der Reihe „Junge Talente“.

HINTERGRUND: Mit den Brüder Grimm Festspielen ehrt die Stadt Hanau die deutschen Märchensammler und Sprachforscher Jacob und Wilhelm Grimm, die in Hanau geboren wurden. Jedes Jahr locken die Festspiele über 70.000 Besucher an. In diesem Jahr finden die Spiele mit den Stücken „Vom Fischer und seiner Frau“, „Frau Holle“, „Der Teufel mit den drei goldenen Haaren“ sowie Goethes „Faust I“ und das Jugendstück „Burning Love“ vom 12. Mai bis 30. Juli 2017 statt. Spielstätte ist das überdachte Amphitheater im Park von Schloss Philippsruhe; die Aufführungen von „Burning Love“ finden in der außergewöhnlichen Kulisse der Ruine der Niederländisch-Wallonischen Kirche statt. +++


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