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Bis auf den letzten Platz besetzt: das Umweltzentrum Fulda bei der Eröffnung der Waldwochen. - Volker Strauch

FULDA "Nur so viel nutzen, wie nachwächst."

Naturschutz und Forstwirtschaft - Waldwochen im Umweltzentrum Fulda

06.06.17 - Lassen sich Naturschutz und Forstwirtschaft vereinbaren? Das war das Thema einer Veranstaltung zu den Waldwochen im Umweltzentrum Fulda. Die Veranstalter hatten mit Dr. Jürgen Willig vom HessenForst (Sachgebiet Waldbau, Klima und Waldnaturschutz) und Oliver Conz von der Hessischen Gesellschaft für Ornithologie und Naturschutz e.V. (HGON) zwei konkurrierende Interessensvertreter zu Vorträgen geladen.

Die beiden gingen jedoch sehr moderat in die Diskussion und zeigten sich kooperativ. Zu einigen Aspekten wurden jedoch unterschiedliche Ansichten deutlich. Oliver Conz schilderte in seinem Impulsvortrag „Wald- mehr als eine Ansammlung ungesägter Bretter“ den Blick des Naturschutzes auf den Wald. Er begann, indem er den Förstern dankte. „Es ist sehr lange her, dass wir einen so naturnahen Zustand des Waldes in Hessen hatten“. Heute gibt es 890.000 Hektar Wald in Hessen, zwei Drittel davon sind im öffentlichen Besitz. Eine besondere Verantwortung sieht Conz für den Buchenwald und den Schutz der Spechte, von denen es in Hessen überproportional viele gibt. „Größter Feind des Waldes ist immer die Gleichgültigkeit“, so Conz. Waldbewirtschaftung aus Sicht des Naturschutzes müsse nachhaltig, multifunktional (auch unter Einschluss von Wildnis), an der potentiell natürlichen Vegetation orientiert und vorratsaufbauend sein. Naturschutz und Beschäftigung im Forst seien kein Widerspruch: Nur Förster, die ihr Revier gut kennen, könnten gut Naturschutz leisten.

Mit einer Forderung ging Conz über die bisherige Situation hinaus: 10 Prozent der Staatswaldfläche sollten für eine natürliche Waldentwicklung vorgesehen werden. Seit 2015 sind 8 Prozent des Waldes in Hessen (25.500 Hektar) sogenannte „Kernflächen“. Dr. Jürgen Willig machte im Anschluss klar, dass 8 wie auch 10 Prozent eine politische und keine wissenschaftliche Vorgabe seien. Der Naturschutz in Deutschland dürfe nicht auf Kosten der Biodiversität anderer Regionen gehen. Willig sieht eine Pflicht, den Verbrauch an Holz auch selbst zu produzieren. Conz aber argumentierte, dass auch bei 10 Prozent Kernflächen immer noch Laubholz exportiert und nicht bedeutend mehr importiert werden würde. Auch die Kosten würden nicht stark steigen: Während die gesellschaftlichen Kosten für den Quadratmeter Wald bei 0,008 € liegen, sind es pro Quadratmeter städtischer Parkanlagen 1,83 €. Das unterstreicht, wie auch aus ökonomischer Sicht Wald die bessere Lösung zur Erhaltung „grüner Lungen“ und Erholungsräume ist.

Jürgen Willigs Vortrag hatte den Titel „Integrativer Naturschutz im Forstbetrieb – Was Försterinnen und Förster ‘so ganz nebenbei‘ tagtäglich für den Naturschutz leisten“. „America First, Deutschland Förster“ begann er mit einem Fotos eines Klischee-Jägers humorvoll. Das Bild der Öffentlichkeit sei oft folgendes: Förster gleich Jäger, der zudem dafür sorge, dass Bäume umgesägt werden. Dabei habe in Wirklichkeit die moderne Forstwirtschaft unter dem Prinzip der Nachhaltigkeit („Nur so viel nutzen, wie nachwächst“) im 19. und 20. Jahrhundert dafür gesorgt, dass Deutschland wieder großflächig intakte Wälder besitzt. In vorigen Jahrhunderten wurde der deutsche Wald weitgehend ausgeplündert und war weitestgehend verschwunden.

„Förster haben eigentlich schon immer Naturschutz betrieben“, so Willig: Seltene Bäume erhalten und fördern, sich um Vögel kümmern, Spechtbäume stehen lassen, Amphibienteiche anlegen. Sie müssten nicht nur Wirtschaftsplanung betreiben, den Holzeinschlag koordinieren, Schutzgebiete pflegen, sondern auch zahlreiche rechtliche Vorgaben beachten. Seit 2011 gilt beispielsweise die Naturschutzleitlinie, in der auch Arten- und Habitatschutz durch die Forstämter festgeschrieben sind. Als Beispiel verweis er auf den Schutz von Feuersalamandern, Kreuzottern und Schwarzstörchen in den Forstämtern Fulda und Hofbieber. Außerdem müssen in über 120 Jahre alten Laubbaumbeständen immer drei „Habitatbäume“ (knapp 200.000 in Hessen) ausgewiesen werden. Als solche werden Bäume bezeichnet, die aus der wirtschaftlichen Nutzung herausgenommen werden, um sie für rein ökologischen Nutzen zu sichern.

„Wir müssen heute daran denken, wie die Wälder in Zukunft aussehen sollen“, sagte Willig. Eine naturnahe Waldbewirtschaftung gewährleiste die Balance von Ökonomie, Ökologie und Ansprüchen der Gesellschaft. Sie könne multifunktional sein: stabil, ertragsfähig und dennoch naturnah. Es gelte, die Baumartenvielfalt zu erhöhen, Mischwälder seien zu begrüßen, der Dauerwald soll erreicht und fremde Baumarten wie die hitzeresistente Douglasie nicht verteufelt werden. In Zeiten des Klimawandels müsse beispielsweise auch die Hitzeverträglichkeit von Baumarten auch bei der vorgehaltenen Vegetation langfristig berücksichtigt werden. „Integrativer Naturschutz“, der Naturschutz und Wirtschaftsziele auf derselben Fläche verwirkliche, sei dem „segregativen Naturschutz“ vorzuziehen, bei dem Regionen starker bis zu starker Nutzung und daneben Schutzgebiete existieren.

Die Waldwochen des Umweltzentrum Fulda mit den Kooperationspartnern HessenForst, Rhönholzveredler, NABU Kreisverband Fulda und HGON laufen noch bis 16. Juni. Im Umweltzentrum sind Ausstellungen über Baumarten und der Rhönholzveredler zu sehen. Am Mittwoch, 7. Juni, gibt es ab 19 Uhr zwei Vorträge. „Laubsägeindustrie im Spannungsfeld zwischen Weltwirtschaft und Naturschutz?“ mit Wolf-Georg Fehrensen von der Fehrensen GmbH, im Anschluss „Forstwirtschaft 4.0 – Naturschutz und Forstwirtschaft – Unvereinbare Gegensätze oder gemeinsame Erfolgsgeschichte“ mit dem Leiter des Forstamts Hofbieber Florian Wilshusen. Am Freitag, 9. Juni, führt eine Waldexkursion im Revierteil Altenfeld der Revierförsterei Poppenhausen mit Joachim Schleicher etwa zweieinhalb Stunden zu Waldbeständen, die viele Funktionen gleichzeitig erfüllen. Treffpunkt ist die Bushaltesteller in Altenfeld gegenüber dem Forellenhof. (pm) +++


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