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Journalist Michael Sauer referierte auf Einladung des CDU-Stadtverbands Fulda im Kolpinghaus. - Fotos: Marius Auth

FULDA Journalist Michael Sauer zum 20. Juli

Fake-News und Geschichts-Vergessenheit: "Die Nazis würden Facebook nutzen"

23.07.17 - Als nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten die Hakenkreuzfahne vom Fuldaer Stadtschloss wehte, musste die Wahrheit in den Widerstand gehen: Mutige Journalisten wie Dr. Josef-Hans Sauer trotzten der Diktatur in Fulda, selbst der Bonifatius-Bote wurde zum Refugium kritischer Geister. Anlässlich des 20. Juli, als vor 73 Jahren der Widerstand gegen das Nazi-Regime im gescheiterten Umsturzversuch gipfelte, referierte sein Sohn Michael Sauer im Kolpinghaus zu den Themen Pressefreiheit, Fake News und Resilienz gegenüber Verlockungen geistiger Brandstifer.

Oberstleutnant d.R. Carsten Trinks (Mitte) mit Stadtpfarrer Stefan Buß (rechts) ...

Vorher hatte Stadtpfarrer Stefan Buß im ökumenischen Gottesdienst in der Fuldaer Michaelskirche die moralische Verpflichtung der Erinnerung skizziert: "Die Ziele und Taten der Menschen des damaligen Widerstands ins Bewusstsein zu rufen bleibt eine Herausforderung für jeden, der sich mit deutscher Geschichte beschäftigt. Die Erinnerung verblassen zu lassen, das hieße, den Tätern von damals einen späten Triumph einzuräumen. Vergessen ist Verbannung - Erinnerung ist Erlösung. Erst allmählich wurde es heller in Deutschland: Die Todesurteile des Volksgerichtshofs gegen die Attentäter um Claus Schenk Graf von Stauffenberg wurden erst 1998 aufgehoben. Heute wissen immer mehr Menschen, dass man stolz sein kann auf diesen Tag vor 73 Jahren", so Buß. Im Anschluss an den Gottesdienst legten die Reservisten der Kreisgruppe Osthessen unter Oberstleutnant d.R. Carsten Trinks einen Kranz zum Gedenken an der Gedenktafel seitlich der Michaelskirche ab.

MdB Birgit Kömpel (Mitte) und Staatssekretär Wolfgang Dippel (Zweiter von rechts) ...

An der Michaelskirche wurde ein Kranz zum Gedenken an das Attentat vom 20. Juli 1944 ...


Über seinen Vater, den "meistgehassten Mann Fuldas" zur Zeit der nationalsozialistischen Herrschaft, berichtete im Kolpinghaus Journalist Michael Sauer: Der ehemalige Dreispringer, Fernsehmoderator und Träger des Bundesverdienstkreuzes kam im Jahr 1943 als Zweijähriger von Recklinghausen ins osthessische Friesenhausen. Vater Josef-Hans war von 1929 bis Anfang 1934 Redakteur der "Fuldaer Zeitung": "Die Nazis hatten bis zur Machtübernahme bittere Niederlagen in Fulda zu erleiden. Hitler hätte keine Chance gehabt, hätten alle Menschen so gewählt wie in den Bischofs-Städten Fulda, Trier und Münster. Deshalb war es eine besondere Genugtuung für die neuen Herrscher, als nach der Machtübernahme die Hakenkreuzfahne vom Fuldaer Stadtschloss wehte. Für kritische Geister wie meinen Vater dagegen bedeutete das neue Regime eine Bedrohung seiner beruflichen Existenz: Im Dezember 1933 wurde die Druckerei der 'schwarzen Tante', wie die Fuldaer Zeitung im Volksmund genannt wurde, von SA- und SS-Angehörigen verwüstet. Mein Vater wurde entlassen, Nazi-Aufseher im Haus sorgten für gleichgeschaltete Berichterstattung."

Im Kolpinghaus kamen Mitglieder des Stadtverbands und Interessierte zum Vortrag ...

Von links: Bürgermeister Dag Wehner, Journalist Michael Sauer, Dr. Albert Post (stellvertretender ...

MdB Michael Brand (links)


Freie Mitarbeit unter Pseudonym war von da an die einzige Möglichkeit der journalistischen Betätigung für Sauer. Hilfe kam vom "Bonifatiusboten", der katholischen Kirchenzeitung fürs Bistum Fulda: "Nach der Übernahme der Fuldaer Zeitung forderten unerschrockene Pfarrer die Pfarrangehörigen im Kirchenblatt öffentlich auf, die nun gleichgeschaltete Zeitung nicht mehr zu kaufen. Einen Unterstützer fand mein Vater deswegen in Dr. Franz Kroos, dem damaligen Chefredakteur des Bonifatiusboten. Durch Andeutungen, aber auch offen konnte mein Vater dort weiter schreibend Widerstand leisten", erklärte Sauer. Erklärversuche, wie die Nationalsozialisten in Deutschland so schnell an die Macht kommen konnten, würden immer zur Wirkung der Massenmedien führen, so Sauer: "Eine freie und vielfältige Medienlandschaft ist Garant für die Demokratie. Deswegen beschimpfen politische Extremisten das breite Spektrum als 'Lügenpresse' und propagieren nur ihre eingeschränkte Wahrheit. Mittel der Wahl dafür sind heute die sozialen Medien. Dadurch erreichen unausgegorene Positionen schnell eine kritische Masse, die zu Stammtisch-Zeiten nie möglich gewesen wäre."

MdL Walter Arnold

Dr. Thomas Heiler, Leiter Stadtarchiv Fulda

Stadtverordneter Steffen Werner

Ex-OB Dr. Wolfgang Hamberger ging auf die Probleme beim Neonazi-Aufmarsch auf dem ...

Bewährtes Geschenk: Der Fuldaer Rucksack kommuniziert Fuldisches nonverbal. ...


Der Bürger selbst, nicht der Staat, sei hier in der Pflicht: "Aufklärung statt Zensur ist das Gebot der Stunde. Facebook ist wie ein Lautsprecher-Wagen: Die Fakten zu checken und eine eigene Position zu bilden mag weniger attraktiv erscheinen als einfach mitzulaufen, aber nur so verlieren Demagogen ihre Macht. Die Nazis würden heute Facebook nutzen: Die tausendfach wiederholte Lüge setzt sich in den Köpfen der Menschen fest", so Sauer. Davon konnte auch der frühere Oberbürgermeister Dr. Wolfgang Hamberger in der anschließenden Diskussion berichten. Der Aufmarsch von Neonazis auf dem Domplatz im August 1993 habe dem Ansehen Fuldas geschadet und dunkelste Erinnerungen wach werden lassen: "Gerade der Dom als Symbol des katholischen Fuldas, des katholischen Deutschlands wurde missbraucht - und uns wurde vorgeworfen, nicht genug gegen den Aufmarsch getan zu haben. Dabei lagen Informationen vor, dass es zu großen Demonstrationen in Thüringen anlässlich des Todestags von Rudolf Heß kommen soll. Das hatte Polizeikräfte aus der Region gebunden, so dass Deeskalation für den Einsatzleiter oberste Priorität hatte", so Hamberger. Fuldas Bürgermeister Dag Wehner erinnerte an jüngste Kundgebungen in der Domstadt, bei denen das in der Verfassung besonders geschützte Versammlungsrecht strapaziert worden sei: "Der Freidenker-Verband hatte für seine Kundgebung im Juni 2017, bei der letztlich auch die von der Europäischen Union als terroristische Organisation gelistete 'Grup Yorum' auftrat, unter anderem den geschichtsträchtigen Domplatz als Veranstaltungsort angemeldet", so Wehner. Einen Fuldaer Rucksack, bewährtes Geschenk auch für Exil-Fuldaer, übergab Wehner am Ende für den CDU-Stadtverband, auf dessen Einladung Sauer referiert hatte. (Marius Auth) +++

 

 


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