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REGION Müllschlacht im Scheinwerferlicht

Suche nach verborgenem Schatz: Warum immer mehr Leute Sperrmüll sammeln

WissenswertesOft werden Gegenstände zum Sperrmüll gestellt, die andere noch gut gebrauchen könnten. Wen das Wegschmeißen der Sachen reut, der kann z.B. den „Verschenkemarkt“ http://www.abfallwirtschaft-landkreis-fulda.de/cache/verschenkemarkt.php vom Landkreis Fulda nutzen.

03.08.17 - „Die Konkurrenz kommt!" Werner richtet seine Stirnlampe gerade und beginnt, den Sperrmüllberg, der sich vor ihm auftut, noch schneller zu durchwühlen. Ganz hinten, unter einem alten Teppich versteckt, findet er eine massive Stehlampe. „Die kann ich gut gebrauchen“, freut er sich. Schnell ist der Lampenschirm entfernt, das Kabel abgetrennt. Werner ist ein typischer Wertstoffsucher. „Altmetall“, so erklärt der 58-jährige Frührentner, „kann ich immer gut verkaufen.“ Obwohl er nicht wirklich viel für seine Beute bekommen wird, kann er so sein mageres Einkommen ein wenig aufbessern.


Als Werner gerade dabei ist, Schubladenschienen aus einer Kommode zu entfernen, halten auch seine Rivalen vor dem gleichen Müllberg. Aus einem verbeulten weißen Kleintransporter, bei dem nur einer von zwei Scheinwerfern funktioniert, steigen zwei junge Männer. Geschäftig beginnen die beiden, die abgelegten Sachen nach etwas Brauchbarem abzusuchen. „Die kenne ich, die kommen bei jedem Sperrmüll extra aus Polen hierher.“ Werner ärgert sich über seine Kontrahenten, besonders, so sagt er, weil kaum noch etwas „vom guten Müll“ für ihn übrigbliebe. Durch einen Berg von Klamotten, die ordnungswidrig ebenfalls zum Sperrmüll gelegt wurden, wühlt sich nun einer der beiden polnischen Männer. Einen Großteil davon steckt er in einen kleinen Koffer. Freudig streckt er seinem Kollegen eine Lederimitatjacke entgegen, die danach ebenfalls den Weg in das ramponierte Gepäckstück findet. Der zweite Pole schenkt ihm allerdings kaum Aufmerksamkeit, viel zu sehr ist er mit seinem eigenen Fund beschäftigt. Neidisch blickt Werner auf, als er erkennt, dass der junge Mann gerade ein Kinderfahrrad aus dem Müllberg zieht. „Die nehmen einfach alles mit“, flucht er. „Und es kommen immer mehr von denen.“

Die Zahl der Sperrmülltouristen, die gerade aus osteuropäischen Ländern nach Fulda kommen, ist tatsächlich seit der Grenzöffnung zwischen Deutschland und Polen vor zehn Jahren stark gestiegen. Meist handelt es sich dabei um Händler, die den eingesammelten Sperrmüll in ihren Heimatländern weiterverkaufen. Während der gesamten „Müllreise“ in Deutschland schlafen, essen und leben die Männer in ihren Lieferwagen neben Möbeln, Lampen, Matratzen, Kinderwagen und Fahrrädern. Hier wird alles gehortet, was sich eventuell noch zu Geld machen lässt.


Es dauert nur ein paar Minuten, bis der nächste Sperrmüllsucher auf einem knatternden Moped zu den bisherigen Müllbergbesetzern dazustößt. Auf seinem Anhänger hat der Mann bereits zahlreiche Kleingegenstände wie einen Tischventilator, zwei gedruckte Gemälde und Kinderspielzeug geladen. „Das ist garantiert einer von den Flohmarkttypen“, mutmaßt Werner. „Die sind ähnlich wie die Polen, nur dass sie die Sachen eben hier vor Ort oder im Internet verscherbeln.“

Der „Flohmarkttyp“ steigt von seinem fahrbaren Gefährt und geht zielstrebig auf etwas zu, dass ein Teppich sein könnte. Genau kann man es bei der einsetzenden Dunkelheit aus der Entfernung nicht erkennen. Auch einer der beiden polnischen Männer hat den zusammengerollten Lumpen entdeckt. Ein Wortgefecht entsteht, wobei anzunehmen ist, dass keiner dabei den anderen wirklich versteht. Es wird am Teppich gezogen und gezerrt, der Pole bekommt Unterstützung von seinem Kollegen. Trotzdem gelingt es dem Mann mit dem Moped, das Duell für sich zu entscheiden. Entschlossen stopft er den fadenscheinigen Teppich auf seinen Anhänger.


Obwohl das Sammeln von Sperrmüll eigentlich verboten ist – sobald der Hausrat vom ursprünglichen Eigentümer auf die Straße gestellt wird, gehört dieser der Stadt – wird es in der Regel von den jeweiligen Gemeinden zumindest toleriert. Was hingegen nicht geduldet wird, obwohl häufig praktiziert, ist das Dazustellen fremden Mülls.

Mittlerweile ist es dunkel, immer mehr Menschen durchwühlen den Unrat. Ein Sofa wird auf einen Anhänger geladen, diverse andere Sachen wechseln den Besitzer. Die Straße gleicht immer mehr einem Schlachtfeld, denn alles, was die Sammler nicht gebrauchen können, wird achtlos in die Hecken geworfen, Glassplitter und zertretene Plastikteile zieren den Bürgersteig. Die Straße saubermachen müssen am nächsten Tag die Anwohner, nachdem der Sperrmüll vom Entsorgungsunternehmen abgeholt worden ist.


Langsam nähert sich ein weinroter Mercedes-Kombi, er hält. Ein Pärchen mittleren Alters steigt aus und beginnt, Bauschutt und alte Autoreifen abzuladen. Dass dies verboten ist und mit Strafe geahndet werden kann, scheinen beide zu wissen, schließlich haben sie für ihr Vorhaben eine Uhrzeit ausgewählt, in der es unwahrscheinlich ist, noch von den Anwohnern gesehen zu werden. Zu stören scheint sie das verbot allerdings nicht. „Die sparen sich so die Gebühren für eine ordnungsgemäße Entsorgung“, erklärt Werner, der in Sachen Sperrmüll bereits alles gesehen hat.

Elektro-Großgeräte, Tapeten und Bodenbeläge oder Altreifen gehören übrigens gar nicht zum Sperrmüll und werden auch nicht vom Entsorgungsunternehmen mitgenommen. Das gleiche gilt für Klamotten oder Pappe. Auf wessen Grundstück sich trotzdem solches Gut stapelt, der muss auch für die separate Entsorgung zahlen.

Mit seiner Ausbeute ist der Frührentner heute zufrieden, rund zwanzig Kilogramm Altmetall hat er gesammelt. Über einen kleinen Teddybären, den er gefunden hat, freut er sich besonders. „Den werde ich zu Hause gründlich waschen, dann schenke ich ihn meiner kleinen Enkelin.“ (Miriam Rommel) +++


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