Dr. Dieter Bradtke (rechts) und Gerhard Rabe haben ein Buch über 50 Jahre des Studienseminars Bad Hersfeld verfasst. - Fotos: Christopher Göbel / Privat

BAD HERSFELD 50 Jahre Studienseminar

Autoren-Duo: "Wir möchten die Geschichte vor dem Vergessen bewahren"

25.04.24 - Dr. Dieter Bradtke und Gerhard Rabe haben sich ausführlich mit der Geschichte des Studienseminars in Bad Hersfeld auseinandergesetzt. Dort werden seit 1972 Lehrerinnen und Lehrer nach ihrem Studium dezentral aus- und fortgebildet. Heute ist das Institut in einem Fachwerkhaus am Eingang zum Stiftsbezirk beheimatet. OSTHESSEN|NEWS sprach mit den beiden Autoren.

Direkt hinter dem Lingg-Denkmal in Bad Hersfeld ist das Studienseminar untergebracht. ...

Die beiden inzwischen pensionierten Pädagogen waren in sich überschneidenden Zeiträumen am Studienseminar tätig. "Ich war von 1972 bis 1982 als Ausbildungsleiter und Stellvertretender Leiter in der Gründungsphase am Studienseminar, danach bis 2013 in der "Nachbarschaft" am Studienzentrum der Fernuniversität", sagt Bradtke. Gerhard Rabe war von 1975 bis 2014 als Ausbildungsleiter, Stellvertretender Leiter und als Leiter der Außenstelle am Studienseminar tätig.

Eine kritische Bestandaufnahme

"Wir haben das Buch '50 Jahre Studienseminar Bad Hersfeld - Lehrerbildung in einer ländlichen Region' nicht geschrieben, weil wir das Datum als Jubiläum sehen", so Bradtke und Raab gegenüber O|N. "Für uns ist es Anlass für eine kritische Bestandsaufnahme. Die Gründergeneration des Studienseminars ist nicht mehr da, die derzeit aktiven Ausbilderinnen und Ausbilder kennen die Gründerphase nicht mehr und überblicken die folgende sehr wechselhafte Entwicklung auch nur partiell. Wir möchten die Geschichte vor dem Vergessen bewahren." Viele sähen in Institutionen vor allem neutrale Einrichtungen, für die Orte, Zeiten und Personen sekundär seien. "1972 wurden in Hessen gleichzeitig 27 Seminare für die Lehrämter an Grund-, Haupt- und Realschulen und Sonderschulen, die heute Förderschulen genannt werden, gegründet. "Unser Buch ist hessenweit das einzige, das an das Geschehen erinnert", so Bradtke.

Der Inhalt des Buches beschränkt sich nicht auf die Hersfelder Ereignisse. "Als Fallstudie hat das Buch den Anspruch, das Besondere der Hersfelder Entwicklung vor dem Hintergrund der allgemeinen Entwicklung der Lehrerbildung vor allem in Hessen zu spiegeln und zu reflektieren", sagt Rabe. Das Kapitel 1 des Buches beschreibe daher einleitend in einer "kurzen Geschichte der Lehrerbildung" den "langen Weg zum Studienseminar Bad Hersfeld". Die sehr wechselhaften äußeren Bedingungen bestimmten in der Folge die Möglichkeiten, Chancen, Erfolge, Krisen und Grenzen der Arbeit am regionalen Seminar.

"Hersfelder Modell" machte Schule

"Die allgemeine bundes- und landesweite bildungspolitische Reformphase der 60-er und 70-er Jahre öffnete den neuen Seminaren einen breiten eigenen Gestaltungsraum. Das Studienseminar Bad Hersfeld nutzte diesen Raum zu einem spezifischen Ausbildungsprojekt, mit dem es sich in den Folgejahren hessenweit als 'Hersfelder Modell' etablierte und von anderen Seminaren abhob. Das Buch verdeutlicht die neuen Ausbildungsformen an konkreten Seminarbeispielen. Der bildungspolitische Reformkonsens zerfiel zuerst auf Bundesebene. In zwei Fällen wurde in Hersfeld der politische Streit um den sogenannten 'Radikalenerlass' bzw. die 'Berufsverbote' mit überregionaler Aufmerksamkeit ausgetragen", erläutert Bradtke.

"Die Folgen der ersten bundesdeutschen Wirtschaftskrise veränderten auch den Stellenwert der Lehrerbildung. Die hohen Ausbildungszahlen in Zeiten des Lehrermangels schlugen fast übergangslos in ihr Gegenteil um. Die dem Studienseminar zugewiesenen Referendarzahlen gingen drastisch zurück, Absolventen erhielten nach der Zweiten Staatsprüfung oft nur verzögert eine Anstellung oder wurden in die Arbeitslosigkeit entlassen. Unter diesen Bedingungen war das aufwendige "Hersfelder Modell" nur noch eingeschränkt praktizierbar. Statt über Ausbildungsmodelle wurde jetzt über die Zusammenlegung oder Schließung von Seminaren diskutiert", fügt Rabe hinzu.

Umzug an den heutigen Standort

Neue Chancen der Seminarentwicklung hätten sich erst Ende der 80-er Jahre wieder ergeben - zuerst durch den Umzug in das neuen Dienstgebäude. Das "gemeinsame Haus" mit dem Studienzentrum der Fernuniversität Hagen und einer Außenstelle des Hessischen Instituts für Lehrerbildung öffnete neue Kooperationsmöglichkeiten. Das Buch beschreibt ausführlich die Geschichte dieses historischen Gebäudes am Eingang zum Stiftsbezirk.

"Nach der Grenzöffnung 1989 übernahm das Studienseminar Bad Hersfeld bildungspolitische Koordinierungsaufgaben für das Land Hessen in der Partnerschaft mit dem Studienseminar Eisenach, bei Tagungen hessischen und thüringischer Ausbildungsleiter und schließlich auch in der Ausbildung thüringischer Referendare in Hersfeld. Nach der Jahrtausendwende verlief und verläuft die Seminarentwicklung anders als in der Gründungsphase in Richtung Vereinheitlichung. Neben der organisatorischen Umbildung des Studienseminars Bad Hersfeld zu einer Außenstelle des Studienseminars Fulda zielt die Modularisierung der Lehrerausbildung verstärkt auf eine Vereinheitlichung an allen hessischen Studienseminaren", sagt Bradtke.

Rund 2.000 Referendarinnen und Referendare

"Das Buch ist zunächst für ehemalige und jetzige Ausbilder und die Referendare und Absolventen am Studienseminar geschrieben. Rund 2.000 Referendare haben in Hersfeld ihre Ausbildung absolviert und sind in größerer Zahl auch als Lehrkräfte an den Schulen der Region geblieben. Zugleich richtet es sich an die interessierte Öffentlichkeit", so Rabe. "Alle Hersfelder und die meisten Stadtbesucher kennen das markante Fachwerkgebäude Im Stift 9. Viele haben auf dem Eingangsschild das hessische Landeswappen gesehen. Aber nur wenige wissen wohl, welche Aufgaben dieses Studienseminar hat und was in dem Gebäude passiert", sagt Bradtke.

Von der Idee bis zur Fertigstellung in Buchform sind rund drei Jahre vergangen. "Wir haben uns allerdings auch Zeit gelassen", so die beiden Autoren. "Als Unterlagen haben wir außer der ausgewiesenen Sekundärliteratur die Archive des Studienseminars und der Stadt Bad Hersfeld und eigene Materialien genutzt. Gespräche und Interviews mit beteiligten Personen haben das Bild erweitert und Lücken gefüllt", erzählt Bradtke.

"Für uns war und ist das Studienseminar ein wesentlicher Innovationsfaktor für die Schulentwicklung in der Region. Mit den Referendaren kommen stets neue Impulse in die Ausbildungsschulen. Auch für die Lehrerversorgung ist das Studienseminar ein wesentlicher Faktor. Lehrer, die in der Region ausgebildet wurden, bleiben oft auch in unserer ländlichen Region. Das Buch ist damit zugleich auch ein Plädoyer für den Erhalt der Institution in Bad Hersfeld", bekräftigen beide Autoren.

Das Buch "50 Jahre Studienseminar Bad Hersfeld" kann für 25 Euro im Studienseminar (Im Stift 9) und in der Hugendubel-Buchhandlung in der City-Galerie Bad Hersfeld erworben werden. (cdg) +++


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