Das Schloss am Ende der Straße: Die Hallenburg in Schlitz. - Fotos: Christopher Göbel / Kammeroper Frankfurt

SCHLITZ/FRANKFURT (M.) "Das Schloss am Ende der Straße"

Bert Bresgen über sein Werk, das die Hallenburg in den Mittelpunkt stellt

10.05.24 - Bert Bresgen ist Autor für Theater, Musikkabarett, Musiktheater und Medien. Er arbeitet unter anderem für die Kammeroper Frankfurt, für die er kürzlich ein neues Werk verfasst hat: "Das Schloss am Ende der Straße - Ein blassblauer Abend in Schlitz". Mit dem Schloss ist natürlich die Hallenburg gemeint, in dem heute die Landesmusikakademie Hessen residiert. OSTHESSEN|NEWS hat Bresgen gefragt, wie die Idee zu dem literarisch-musikalischen-szenischen Programm entstanden ist - und warum sich alles um die kleine Burgenstadt im Vogelsberg dreht.

Szene aus "Das Schloss am Ende der Straße".

"Es gibt seit langem eine Freundschaft zwischen dem Intendanten der Kammeroper Frankfurt, Rainer Pudenz, und Graf Hermann zu Stolberg-Wernigerode, der seine Kindheit als Flüchtling in der Hallenburg in Schlitz verbrachte und sehr bildlich aus dieser Zeit erzählte", so Bert Bresgen. Der Graf berichtete unter anderem vom reichen kulturellen Leben in der Hallenburg nach 1945 und im 19. Jahrhundert, beispielsweise von einem rumänische Geiger, der auf dem Billardtisch schlief und später Konzertmeister in Würzburg wurde. "Heute ist ja die Hallenburg wieder ein Ort der Musik und an der Landesmusikakademie Hessen treffen junge Musikerinnen und Musiker aus aller Welt aufeinander. Daraus entstand die Idee die Geschichte eines Hauses zu erzählen, einen Blick der Kammeroper 'von der Seitenlinie aus' auf die große Kultur und sogenannte große Geschichte zu werfen und ganz bewusst die Provinz und die musikalischen Dilettanten jenseits der 'Leuchttürme' zu feiern. Denn die meisten Menschen leben ja in dieser 'Provinz' und sind glücklicherweise Dilettanten und Dilettantinnen ihres Lebens", sagt Bresgen.

"Ein Ort voller Poesie"

Der Autor erzählt, dass er vor dem Projekt die Stadt Schlitz nicht kannte. "Ich bin aber natürlich dort hingereist und war ebenso wie Rainer Pudenz auf Anhieb fasziniert. Es war wie eine kleine Zeitreise in eine vergangene Epoche, ohne dass sich die Burgenstadt aber wie andernorts in eine bloße Disney-Attrappe für Touristen verwandelt hat. Der Ort ist für mich trotz aller bekannten Landprobleme immer noch voll Poesie. Mein Hauptguide bei diesen Erkundungen war natürlich Graf Hermann, der da jeden Stein und jedes geschlossene Geschäft seit Jahrzehnten kennt. Anderes erfuhr ich aus lokalgeschichtlichen Werken", erzählt Bresgen. Das Programm sei jedoch keine "historisch-soziologische Untersuchung, sondern ein unterhaltsamer, literarisch-musikalischer Abend".

Bresgens Recherche dauerte etwa ein halbes Jahr. "Ich bekam Einblick in das unveröffentlichte Privatarchiv des Grafen (andere Teile sind im Landesarchiv in Darmstadt). Daneben habe ich einiges an seltener Literatur aufgetrieben, darunter 'Graf Goertz, der große Unbekannte' von Norbert Leithold, dazu Verschiedenes zur Lokal- und Alltagsgeschichte wie beispielsweise ‚Der Schlitzer Stadtmusikus. Der dornenreiche Weg des Johann Georg Heß (1780–1840) am Ende einer jahrhundertealten Tradition' von Heinrich Hahn. Und Schlitzer Geschichte. Historischer Festspieltext von 1912 und weniger apokryph die voluminöse Biografie über Kaiser Wilhelm II. von John Charles Gerald Röhl, weil Wilhelm häufiger zu Gast in Schlitz war." Laut dem Autor gibt es einige "sehr amüsante Episoden mit ihm". "Den realen Stadtmusikus habe ich zu der Figur gemacht, die querulantisch, aber eloquent durch den Abend führt - höchst eindringlich und witzig verkörpert von dem Schauspieler Phillip Hunscha (bekannt aus "Barock am Main", "Tatort" usw.). Auch nach seinem Tod, über den er sich ebenso auslässt wie über die Möglichkeiten, Musikerinnen und Musiker technologisch weiterleben zu lassen. Siehe den neuen Beatles-Song mit John Lennon - dank KI", sagt Bresgen.

Die einzige Komposition des Kaisers

Die Kompositionen aus dem Schlitzer Zusammenhang stammen von Graf Emil von Goertz, Francisco von Villeneuve Albuquerque (dem Bruder von Emils Frau) und Emil Prinz zu Sayn-Wittgenstein-Berleburg, der über Emils Mutter mit der Familie verwandt ist. "Sie alle waren wahrscheinlich zuvor noch nie öffentlich zu hören. Daneben haben wir noch die einzige Komposition Kaiser Wilhelms II., aber natürlich auch einiges von bekannten großartigen Komponisten wie Franz Schubert, Richard Strauss und einen Song von Elvis, der während seiner Militärzeit in Deutschland mal eine Cola in Schlitz trank", so der Autor.

Die Hauptarbeit für das Programm war die Durchforstung des gräflichen Archivs nach bislang ungehobenen Schätzen. "Diese leistete der musikalische Leiter der Kammeroper, der  geniale Pianist und Komponist Stanislav Rosenberg. Seine Kriterien waren die musikalische Qualität und die Frage: Passt es zum Programm? Ich gab selbst noch ein paar Anregungen für weitere Kompositionen: So ein erstaunlich witziges Kabarettlied des jungen Arnold Schönberg aus der Zeit über einen König, der ohne seine Krone spazieren geht, oder den Schlager 'Das machen nur die Beine von Dolores', den eine adelige Flüchtlingsfrau in der Hallenburg nach 1945 immer im Austausch gegen Zigaretten hören wollte. Und das Gute ist, dass die Sängerin des Abends, Nicola Montfort, das alles - so gänzlich verschieden es ist - wunderbar singt und auch gelegentlich tanzt."

Plakat für "Das Schloss am Ende der Straße".

Konzentration auf Sturm und Drang, Wilhelminismus und Neuzeit

"Wir konzentrieren uns auf drei Epochen in der Hallenburg: die Goethezeit, den Wilhelminismus und die Zeit nach 1945 bis zur Gegenwart. In der Goetheepisode geht es viel darum, dass ein Schlitzer Graf Prinzenerzieher von Karl-August in Weimar war, bis ihm Goethe quasi den Posten raubte. Es gibt sehr Amüsant-Bitterböses von ihm und seiner Frau über Goethe: 'Ich habe soeben Prometheus gelesen das ist eine Unflätigkeit, es ist mir ein Gräuel. Dieser Goethe ist ein Knabe, ein Knabe, dem man täglich Besserung mit der Rute geben sollte!' oder 'Goethe drechselt immer noch an der vollkommenen Liebe und die arme Frau von Stein, dümmer gab es noch keine, erträgt geduldig das Geschwätz von Herrn Goethe und die üblen Launen seiner Frau.' Die Familie von Kaiser Wilhelm hätte fast in Schlitz eingeheiratet. Der Kaiser und Graf Emil hatten den gleichen Erzieher auch da gibts verschiedenes Amüsantes und Skandalöses, aber auch Tragisches. In der Nachkriegsgegenwart tritt beispielsweise ein Lehrer auf, der die Belastung der Hallenburg durch Schülermassen ausrechnet. Kurzum: Es weht ein ironischer Hauch von Downton Abbey durch die Hallenburg und durch diesen gesamten Abend", verrät Bert Bresgen.

Die Blutfarbe des Adels

"Blassblau ist  die Blutfarbe des Adels. Und dann gibt es noch den Roman 'Eine blassblaue Frauenhandschrift' von Franz Werfel. Blassblau ist die ironisch gefärbte Farbe der Sehnsucht", sagt Bresgen, der selbst am 17. Mai bei der Aufführung von "Das Schloss am Ende der Straße" dabeisein wird. "Alles, was Sie an diesem Abend hören, ist wahr. Je unwahrscheinlicher und abstruser, desto wahrer ist es", verrät der Autor.

Mit dabei sind Nicola Montfort, Philipp Hunscha, Stanislav Rosenberg, Tobias Rüger, Harald Mathes und Walter Dorn. Die Leitung des Abends haben Rainer Pudenz, Frank Keller, Katharina Kraatz, Bert Bresgen, Stanislav Rosenberg und Viviana Villalobos. Die Aufführung im Christoph-Graupner-Saal der Schlitzer Hallenburg am Freitag, 17. Mai, als Gastspiel der Kammeroper Frankfurt in beginnt um 20 Uhr. Tickets gibt es im Vorverkauf für 15 Euro (10 Euro ermäßigt) bei der Landesmusikakademie Hessen, Telefon 06642/91130, [email protected]. An der Abendkasse kostet ein Ticket 20 Euro. Einlass ist ab 19.15 Uhr. (Christopher Göbel) +++


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