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- Fotos: Robert Wienröder

19.07.11 - BREITENBACH

Im Vorfeld hatte es den Anschein gehabt, als würde das Burg Herzberg-Festival dieses Jahr arm an Höhepunkten sein, und die kurzfristige Absage des Sozusagen-Hauptacts Gregg Allman machte diesen Eindruck nicht wirklich zunichte. Waren in den letzten Jahren die gesamten Allman-Brothers, Eric Burdon mit den Animals, Bob Marleys Wailers und andere da gewesen, so gab es diesmal – von Dauergast Götz Widmann mal abgesehen – eigentlich niemanden, den „man“, also jeder Festivalbesucher, in irgendeiner Form kannte. Welch törichte Sorge! Mit unzähligen Bühnen und Bands, Lesezelt, Asaf Avidan, dem Geheimtipp Les Yeux d’la Tête, wirklich vielen anderen und schließlich dem Überraschungsgast Helge Schneider hatten die Besucher bereits am Samstagnachmittag eine Vielzahl einander stetig überbietender Höhepunkte erlebt.

Dass am Samstag die Sonne vom Himmel strahlte, schaffte Atmosphäre für den nächsten Höhepunkt, direkt nach Helge: Femi Kuti & the Positive Force transportierten in bunten Gewändern Afrika nach Hessen. Am Abend lieferte Walter Trout auf der Hauptbühne einen ordentlichen Auftritt ab, nichts Außergewöhnliches, Gitarrenlieder mit Gitarrensoli, wie so oft. Beim folgenden Auftritt von Marillion schien es, als seien sämtliche Festival-Besucher vor der Bühne versammelt, und so mancher der jüngeren Besucher wurde überrascht, weil er die Lieder teilweise schon kannte. Dass der Auftritt so gelungen und umjubelt war, lag sicher auch daran, dass die sonnenfreie Zeit ab Samstagabend wirklich nicht mehr zu kalt war.

Auch Orange, bereits im letzten Jahr zur gleichen Zeit auf der Hauptbühne zu hören gewesen, musizierten ab 00:45 vor einem riesigen tanzenden Pulk. Sänger Rainer von Vielen deklamierte den bedeutungsschwangeren Satz: „Alles kehrt dorthin zurück, wo es war“. Dessen entsannen sich dann auch die erst nach Ende der Sonnenstunden aufgezogenen Wolken, gegen 1:00 Uhr regnete es in Strömen. Das war den meisten Tanzenden aber ziemlich wurscht, bis um halb 3 wurde im strömenden Regen zur Trance-Percussion-Musik von Orange getanzt. Der Regen blieb, auch als die allerletzten in die Zelte gekrochen waren, und war auch immer noch da, als wieder aufgestanden wurde.

Straßen wurden zu Schlammgruben

Bis mittags regnete es, die Straßen wurden zu den reinsten Schlammgruben, doch Schlammschlachten blieben aufgrund der mit den Wolken einhergehenden Kälte aus. Die Stimmung konnte der Regen aber trotzdem nicht kippen: Jamaram zogen eine Show von einer Bühnenshow ab, fabrizierten Reggae und Dancehall mit Latin-, Afro-, und Balkananklängen, holten Zuschauer zum Tanzen auf die Bühne, tanzten selbst durchgehend, erzählten Geschichten und nutzten die so gewonnen Sympathien sinnvoll, indem sie einen Spendenkorb für ihr Waisenhausprojekt durch die Reihen gehen ließen.

Am späten Nachmittag wussten Oquestrada, eine portugiesische Folklore-Gruppe, Wetterumschwünge perfekt in ihre Stücke einzubauen. Es mutete jedenfalls wie Magie an, dass sich der Regen über mehrere Minuten in seiner Intensität der variierenden Lautstärke der Gruppe anzupassen schien. Aber auch die Musik an sich begeisterte, die CDs gingen nach dem Konzert weg wie Wagenburger.

Protest-Barde mit leisen Liedern

Als am frühen Abend die Sonne wieder erschien, machte die Pop-Rock-Fusion-Band Humble Grumble, wie 2010 in verschiedenen, nicht zueinander passenden aber lustigen Kostümen Party auf der Freakstage. Vom zeitgleich auf der Hauptbühne auftretenden Götz Widmann konnte man Selbiges nicht behaupten. Natürlich war er auch nur mit einer Akustikgitarre bewaffnet, aber sein Programm wirkte ein wenig zu erwachsen und pseudo-tiefgründig. Das war bei seinem aktuellen Programm „Balladen – die schönsten leisen Lieder“ auch nicht anders zu erwarten gewesen, aber von einem Protest-Barden, der er zweifelsohne ist, hatte man ein bisschen mehr Rebellion zumindest erhoffen können. Immerhin wurden die endlosen Zugabe-Rufe am Ende mit dem Lied über den während des letzten halben Jahres laut Götz Widmann in den Urlaub verbannten Haschisch-Hund Eduard belohnt, wobei das Auditorium laut mitbellte.

Ein Top-Act war zuletzt dann noch auf der Hauptbühne zu hören: Eloy, zum ersten Mal seit 13 Jahren auf Tour, vertraten mit ihrem Progressive-Rock das Erbe von Pink Floyd, einmal mehr konnte man endlosen Gitarrensoli lauschen – für Fans mit Sicherheit ein tolles Erlebnis. Fotos von Eloy gibt es aber keine, Fotografen waren nicht erwünscht. Wem Eloy zu langatmig war, der konnte sich bei den Strassenjungs auf der Freakstage nochmal richtig verausgaben. Die Punk-Rock-Musik bildete das perfekte Gegenprogramm, es wurde nochmal richtig laut zwischen 21:00 und 22:30. Die meisten bekamen das aber gar nicht mehr mit: Die Pferdekoppel war schon Sonntagnachmittag zur Hälfte wieder geräumt. Bei dem kalten, nassen Wetter war es aber verständlich, dass viele lieber zu Hause übernachten wollten.

Am Ende konnten die wenigen Sonnenstunden sowie das fehlende Vorhandensein von Schlammpartys und echten Top-Acts den meisten die Freude über das trotzdem rundum gelungene Festival nicht wirklich ernsthaft gefährden. Götz Widmann sagte bei seinem Auftritt, die Festivalgemeinschaft sei für vier Tage eine tolle riesige Hippie-Landkommune gewesen. Das bringt es auf den Punkt, und das ist es ja auch, worauf es beim Herzberg-Festival ankommt. Am Montagmittag saß eine einsame Akkordeon-Spielerin auf der inzwischen ganz leeren Wiese, während etwas weiter weg noch alles seine sieben Sachen packte und dorthin zurückkehrte, wo es war. (Robert Wienröder)

Lesen Sie auch frühere Berichte vom Festival 2011:

HERZBERGFESTIVAL (5): Hilfsorganisationen im 24-Stunden-Dienst - http://www.osthessen-news.de/beitrag.php?id=1200566

HERZBERGFESTIVAL (4): Barfuß im Matsch... - Veranstalter sind "glücklich - http://www.osthessen-news.de/beitrag.php?id=1200564

HERZBERGFESTIVAL (3): Helge SCHNEIDER half aus - Sonne & Regen - http://www.osthessen-news.de/beitrag.php?id=1200562

HERZBERGFESTIVAL (2): Waiting for the sun - NEU: VIDEO-Impressionen - http://www.osthessen-news.de/beitrag.php?id=1200533

HERZBERGFESTIVAL (1): "Waiting for the sun" - 10.000 Hippies feiern Auftakt - http://www.osthessen-news.de/beitrag.php?id=1200476 +++





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